Tod auf der Insel

Lisa Martinek, Nicolai Rohde, Hubach. Wenn das Drama über den Krimi obsiegt

Foto: ZDF / Hannes Hubach
Foto Rainer Tittelbach

Eine Tote treibt vor der Insel Föhr im Meer. Tags zuvor zog diese Frau die Aufmerksamkeit der Insulaner auf sich. Gefunden wird die Leiche ausgerechnet von der Seenotretterin, deren Noch-Ehemann bald unter dringendem Tatverdacht steht. „Tod auf der Insel“ ist ein bildgewaltiger ZDF-Montagsfilm. Obwohl das Muster, Heldin kämpft für einen geliebten Menschen, nicht gerade neu ist, vermag Martineks Figur den Zuschauer mitzunehmen auf diese tragische Inseltour. Das stark gespielte, etwas überkonstruierte Krimidrama fesselt durch den effektiven Mix von spannend-emotionaler Handlung & präziser Inszenierung.

Eine Tote treibt vor der nordfriesischen Insel Föhr im Meer. Die Seenotretterin Katharina (Lisa Martinek) birgt mit ihren Kollegen die Leiche. Die junge Frau war erst tags zuvor mit Ehemann und Tochter angereist, aber einige Insulaner machten schon Bekanntschaft mit ihr. Denn jene Annika (Annika Blendl) flirtete gern – ganz zum Leidwesen ihres eifersüchtigen Mannes (Andreas Guenther). In der Dorfpinte wäre die Situation beinahe eskaliert, als sie Nils (Kai Scheve), Katharinas Noch-Ehemann, schöne Augen machte. Auch dem Wirt Karl Hansen (Jürgen Heinrich) fiel diese außergewöhnliche Frau auf – und sogar Katharinas Vater (Rüdiger Vogler), der gemeinsam mit seiner Frau (Ruth Reinecke) das kleine Hotel führt, in dem die Familie abgestiegen ist, schwärmt nach ihrem Tod: „eine hinreißende Frau“. Katharina war ebenso angetan von ihr – die so entwaffnend direkt sein konnte: „eine spannende Frau, viel mutiger als ich.“ Etwas beunruhigt war sie aber schon, als sie sah, wie sich zwischen Annika und Nils etwas hätte anbahnen können. Ausgerechnet sie findet Annikas Leiche und der Mann, mit dem sie vor einer Woche noch Tisch & Bett teilte, ist Tatverdächtiger Nummer 1.

Tod auf der InselFoto: ZDF / Hannes Hubach
Der Noch-Ehemann (Kai Scheve) gab sich die Kante und hat einen Filmriss. Es gibt viel zu sehen in Rohdes „Tod auf der Insel“.

Bereits die ersten Bilder des ZDF-Fernsehfilms „Tod auf der Insel“ machen es deutlich. Hier braut sich was zusammen. Auch Bildgestalter Hannes Hubach nimmt es wörtlich – und erzeugt von der ersten Minute an eine Atmosphäre, die diesen ZDF-Fernsehfilm weit über die für den Sender so typischen Rätselspiel(film)e am Montag herausragen lässt. Angesiedelt ist der Film, in dem die Drehbuchautorin Nikola Bock Motive des Romans „Inselblut“ von Bent Ohle verarbeitet hat, irgendwo zwischen Krimi, Beziehungsdrama und Familiengeschichte. Das ist zwar das übliche narrative Muster, das gefühlt 50 Prozent aller ZDF-Montagsfilme zugrunde liegt, doch auch hier macht das Wie den entscheidenden Unterschied. Schon die Exposition ist klug gebaut, atmosphärisch steckt sie den Rahmen ab und bringt die entscheidenden (psychologischen) Motive ins Spiel. Die Szene in der Inselkneipe besteht aus einer dichten Choreographie der Blicke, die keiner großen Worte bedarf, und einer fast magischen Begegnung zwischen den beiden Frauen, der wenig später toten und der, die die Unschuld ihres Mannes beweisen möchte. In der Folge sind es immer wieder die Landschaft, das Meer und das Licht, die der Erzählung ihren Rhythmus und dem Film seine visuellen, stimmungsvollen Höhepunkte geben. Beeindruckend sind aber auch einige Innenszenen, in denen die Beengtheit, ja das Befangen- und Gefangensein der Figuren, geradezu physisch spürbar wird. Insgesamt gelingt es Regisseur Nicolai Rohde („Polizeiruf 110 – Eine andere Welt“) mit seiner Inszenierung, Räume und Bilder mit den Emotionen der Geschichte aufzuladen, ohne sie zu bedeutungsvoll oder gar schicksalsträchtig erscheinen zu lassen.

Maßgeblich zu dieser „Natürlichkeit“ trägt das Spiel der Schauspieler bei, das in „Tod auf der Insel“ zwar angepasst ist an das Genre Drama und den Schauplatz, die optische Projektionsfläche Insel (wodurch Bewegungen oder Reflexionen verlangsamt werden), das aber insbesondere in Szenen, in denen miteinander geredet wird, einen sehr alltagsnahen Ton trifft. Selbst dann noch, wenn der Nebel der Vergangenheit sich lichtet. Lisa Martinek sah man schon länger nicht so eindrucksvoll – wenig Dialog steht ihr gut. Gleiches gilt für Andreas Guenther, der als trauernder Witwer das genaue Gegenteil zu seinem Kommissar Kotzbrocken im „Polizeiruf 110“ aus Rostock geben darf. Ideal besetzt ist auch Annika Blendl („Kommissar Dupin“) als die Frau, die nicht ohne Grund jede Menge Aufmerksamkeit braucht – und bekommt. Besonders auch die mittelgroßen Rollen wurden mit Ruth Reinecke („Weißensee“), Rüdiger Vogler („Im Laufe der Zeit“) und Jürgen Heinrich („Wolffs Revier“) hochkarätig besetzt, was sich – besonders am Ende – doppelt und dreifach auszahlt. Dass ausgerechnet der am wenigsten beim breiten Publikum bekannte Schauspieler, Daniel Wiemer („Ladykracher“), den Kommissar verkörpert, könnte als versteckter Hinweis darauf gelesen werden, dass letztlich das Drama über den Krimi obsiegen wird. Die Dialoge, meist knapp, klar und – selbst wenn es einmal mehr zu erzählen gibt – immer anschaulich und gut verständlich, tragen das Übrige dazu bei, dass die Kommunikation in diesem Film stimmt.

Tod auf der InselFoto: ZDF / Hannes Hubach
Erste Begegnung der beiden Frauen. Sie hat etwas, das du nicht hast, denkt sich Katharina später. Ein fast magischer Moment: Lisa Martinek und Annika Blendl

Fazit: „Tod auf der Insel“ ist ein sehenswerter ZDF-Montagsfilm. Obwohl das Muster, Heldin kämpft für einen geliebten Menschen, vom „Zweiten“ im Programm überstrapaziert wird, vermag Martineks Figur den Zuschauer mitzunehmen auf diese tragische Inseltour. Das top besetzte, stark gespielte und etwas überkonstruierte Krimidrama fesselt durch den effektiven Mix von spannender, emotionaler Handlung & präziser Inszenierung. Wer indes einen „moralischen“ Mehrwert oder eine höhere Erkenntnis sucht, der kann lange suchen.

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Lisa Martinek, Kai Scheve, Ruth Reinecke, Rüdiger Vogler, Andreas Guenther, Annika Blendl, Jürgen Heinrich, Daniel Wiemer

Kamera: Hannes Hubach

Szenenbild: Jost Brand-Hübner

Schnitt: Andreas Althoff, Melanie Schütze

Musik: Johannes Kobilke

Soundtrack: Elvis Presley („Jailhouse Rock“), Janis Joplin („Me and Bobby McGee“), Joe Cocker („With A Little Help From My Friends“), Kinks („Lola“), The Byrds („Mr. Tambourine Man“)

Produktionsfirma: Relevant Film

Produktion: Heike Wiehle-Timm

Drehbuch: Nikola Bock – nach Motiven des Romans „Inselblut“ von Bent Ohle

Regie: Nicolai Rohde

Quote: 5,55 Mio. Zuschauer (18,1% MA)

EA: 21.09.2015 20:15 Uhr | ZDF

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