Tatort – Zweierlei Blut

George, Feik, Breinersdorfer, Huby, Gies. So mancher schießt über das Ziel hinaus

Foto: WDR
Foto Tilmann P. Gangloff

„Zweierlei Blut“ von Hajo Gies ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, warum die „Schimanski“-Krimis nach wie vor Kultstatus genießen, was in diesem Fall allerdings gleichzeitig für aber auch gegen den „Tatort“ spricht. Der Film ist so sehr in den Achtzigerjahren verwurzelt, dass er heute teilweise völlig überzogen wirkt: Nach einem Mord im Stadion des MSV Duisburg taucht Schimanski tief in die Fan-Szene ein; Lokalkolorit, Authentizität & politischer Zeitgeist waren den Machern wichtiger als Krimispannung.

Wie alt dieser 1984 erstmals ausgestrahlte Film ist, zeigt sich unter anderem am fußballerischen Duell der beiden Traditionsclubs MSV Duisburg und Rot-Weiß Essen, das heute nur noch nostalgische Erinnerungen weckt. Die Partie prägt den Auftakt der eigentlichen Handlung, es gibt erstaunlich viele Fußballszenen zu sehen; zwischendurch zeigt Regisseur Hajo Gies den Star Götz George immer wieder inmitten der MSV-Fans. Diese Betonung der Volksnähe, die maßgeblichen Anteil an Schimanskis Sonderrolle inmitten der TV-Kommissare hatte, wird später noch vertieft, als er sich unter eine Rockergruppe mischt und gemeinsam mit den kernigen Kerlen ziemlich viel Alkohol vernichtet. Als die jungen Männer durch Zufall herausfinden, dass er Bulle ist, kommt Schimanski verkatert, verprügelt und völlig nackt im Mittelkreis des Wedau-Stadions wieder zu sich. Das Bild ist großartig. Das Verbrüderungsbesäufnis mit den Rockern, deren Wortführer der damals noch sehr junge Dietmar Bär verkörpert, ist dagegen viel zu lang; unter anderem zelebriert der Film ausführlich, dass echte Kerle keinen Flaschenöffner brauchen.

„Zweierlei Blut“ ist ohnehin seltsam disparat. Der Film beginnt mit einer Comedy-Szene im Stil der Filme mit Walter Matthau und Jack Lemmon („Ein seltsames Paar“): Schimanski hat immer noch den Untermieter und Kollegen Thanner (Eberhard Feik) an der Backe; die Stimmung wird bedrohlich aggressiv. Im Stadion sehen sie sich wieder, denn während Schimanski den MSV angefeuert hat, ist ein Fan gestorben. Allerdings stellt sich heraus, dass der Mann, ein Italiener, hier gearbeitet hat. Noch später zeigt sich, dass er in die Machenschaften des Platzwarts Ludwig (Gerhard Olschewski) verwickelt war, der Männer aus Südeuropa als billige Arbeitskräfte vermittelt und dafür zweimal kassiert, bei den Gastarbeitern wie auch bei den Arbeitgebern. Der Mörder ist nach Thanners Überzeugung jedoch ein Mitglied der Rockerbande: Kurti (Reiner Groß) mochte den Italiener nicht, weil der sich an seine Mutter (Brigitte Janner) rangemacht hat.

Tatort – Zweierlei BlutFoto: WDR
Heute Tatbestand der sexuellen Belästigung? Götz George und Despina Pajanou in „Tatort – Zweierlei Blut“ aus dem Jahr 1984

Die Handlung wechselt regelmäßig zwischen den verschiedenen Ebenen, bringt sie aber nicht durchgehend in eine schlüssige Harmonie: hier die Mördersuche, dort der immer wieder eskalierende Streit zwischen den Kommissaren, schließlich Schimanskis ausufernde Besuche bei den Rockern; und dann gibt es noch eine Romanze zwischen ihm und einer Kollegin, deren Arbeit mit den Videoaufnahmen aus dem Stadion maßgeblichen Anteil an der Überführung des Mörders hat. Wie sich Schimanski an die junge Kollegin in einer engen Dunkelkammer ranmacht, würde heute allerdings den Tatbestand der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz erfüllen. Despina Pajanou bildete zehn Jahre später mit Eva Scheurer in der RTL-Serie „Doppelter Einsatz“ das erste rein weibliche Krimiduo. Und noch jemand hat einen Auftritt in jungen Jahren: In einer Szene nimmt es Schimanski mit drei Gegnern auf; einer von ihnen ist Helge Schneider, den man allerdings nur an der unverkennbaren Stimme erkennt.

„Zweierlei Blut“ war der achte gemeinsame Film von George und Feik und die bis dahin fünfte Zusammenarbeit des Duos mit Gies; das Drehbuch stammt immerhin von Fred Breinersdorfer und Felix Huby. Es greift verschiedene Elemente auf, die bereits zum Markenzeichen des „Tatorts“ aus Duisburg geworden waren: Schimanski und Thanner reagieren äußerst empfindlich, als erst die Volksseele („gehören alle ins Lager“) und kurz darauf auch ein uniformierter Polizist diskriminierende Tiraden von sich geben: „Rocker, Proleten, Punker, Arbeitslose, Ausländer – sollte man gar nicht erst ins Land lassen“, sagt der Kollege „von der Trachtengruppe“, dem Schimanski prompt übers Maul fährt. Andererseits fällt später ausgerechnet der kultivierte Thanner komplett aus der Rolle, als er dem mordverdächtigen Kurti Gewalt antut, um ihn zum Geständnis zu zwingen. Die Darsteller, allen voran George, schießen regelmäßig übers Ziel hinaus; in dieser Hinsicht ist der Film ebenfalls ein Produkt seiner Zeit. Auch die viel zu laute Musik trägt dazu bei, dass „Zweierlei Blut“ nicht wie aus einem Guss wirkt. Sie stammt von der früheren Nina-Hagen-Band Spliff, sie lässt sich hören, hat aber mit den Filmbildern oft nichts zu tun und läuft nur nebenher.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

WDR

Mit Götz George, Eberhard Feik, Chiem van Houweninge, Ulrich Matschoss, Brigitte Janner, Gerhard Olschewski, Despina Pajanou, Zacharias Preen, Dietmar Bär, Reiner Groß

Kamera: Michael Thiele

Szenenbild: Dieter Reinecke

Schnitt: Felicitas Lainer

Musik: Spliff

Produktionsfirma: Bavaria Filmproduktion

Drehbuch: Fred Breinersdorfer, Felix Huby

Regie: Hajo Gies

EA: 22.07.1984 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach