Tatort – Wer zögert, ist tot

Koch, Broich, de Paris, Hammelstein, Petra Lüschow. Männergewalt & Frauenpower

Foto: HR / Bettina Müller
Foto Thomas Gehringer

Starke Frauen, schwarzer Humor, aber die Balance zwischen Komik und Spannung gelang dem Frankfurter „Tatort“ schon mal besser. In „Wer zögert, ist tot“ (HR), der 13. Episode mit Margarita Broich und Wolfram Koch, wird der Sohn eines vermögenden Wirtschaftsanwalts entführt. Allerdings glaubt der Vater, sein Sohn habe die Entführung selbst inszeniert. Die Ermittler bleiben diesmal eher blass und entwickeln sich etwas rätselhaft weiter, was leider auch in einem Krimi, bei dem es nicht um „vordergründigen Realismus“ (Lüschow) geht, lieblos wirkt. Dafür hat Zazie de Paris alias Fanny, Brix‘ befreundete Vermieterin, einen Undercover-Einsatz in einem Studio, das Selbstverteidigungs-Kurse für Frauen anbietet.

„Wer zögert, ist tot“, der Auftakt nach der „Tatort“-Sommerpause führt in Deutschlands Bankenmetropole Frankfurt am Main. Der vermögende Wirtschaftsanwalt Konrad Seibold (Bernhard Schütz) lebt in einer schönen Villa, gemeinsam mit einer kapriziösen Katze namens Caligula. Mit der benachbarten Hundehalterin (Corinna Kirchhoff) zankt sich Seibold regelmäßig herum. Bernhard Schütz, der einige Übung mit dem Rollen-Typus „in die Jahre gekommenes Ekelpaket“ hat, gibt den Millionär herzhaft als echten Unsympathen. Auch seinem Sohn Frederick (Helgi Schmid), der ihn gern um Geld anschnorrt, traut Seibold nur wenig Gutes zu. Dass Frederick seine eigene Entführung inszeniert haben soll, wie der Vater glaubt, stimmt aber nicht. Das Publikum weiß es besser: Drei Entführer – oder Entführerinnen? – mit Hundemasken überfielen Frederick gleich zu Beginn auf dem Golfplatz und zwangen ihn mit vorgehaltener Pistole, in einen Lieferwagen zu klettern. Nach einem Fußtritt Fredericks stürzte einer der insgesamt vier Täter unglücklich zu Boden und starb.

Tatort – Wer zögert, ist tot
Sieht so eine selbst inszenierte Entführung aus? Frederick Seibold (Helgi Schmid)

Petra Lüschow („Petting statt Pershing“) hat diese 13. „Tatort“-Folge mit Margarita Broich und Wolfram Koch nach ihrem eigenen Drehbuch inszeniert. Auf Realismus legt Lüschow wenig Wert, wie schon die ersten Bilder vermuten lassen: Da eilt Kurt Felsheimer (Daniel Christensen) wie ein Alter Ego von Saul Goodman über den Golfplatz. „Ich bin der Anwalt, wenn der Anwalt mal einen Anwalt braucht“, erläutert er später der Polizei, aber bis auf eine buchstäblich tragende Nebenrolle bekommt er nicht viel zu tun. Unterhaltsamer ist das Understatement, mit der Britta Hammelstein Fredericks Ex-Freundin Bille Kerbel spielt. Auf der Polizeiwache packt sie seelenruhig den ihr zugesandten abgetrennten Finger, der angeblich von Frederick stammen soll, aus einer Butterbrotdose aus. Aber skurrile Figuren und der schwarze Humor können die Defizite einer wenig mitreißenden Krimihandlung nur bedingt ausgleichen. Nach der Hälfte des Films ist die Luft weitgehend raus. Erst im Finale geht die Spannungskurve wieder nach oben.

Tatort – Wer zögert, ist tot
Die Kommissare (Koch & Broich) sind in „Wer zögert, ist tot“ weniger präsent als sonst im „Tatort“ aus Frankfurt. Unterhaltsamer ist da schon Britta Hammelstein.

Obwohl insbesondere Margarita Broich als Kommissarin Anna Janneke im Hintergrund bleibt, sorgt Lüschow für Frauen-Power, nicht nur dank der gelassenen Alleinerziehenden Bille, die Seibold mit Pfefferspray in die Flucht schlägt. Außerdem sind da noch Seibolds kluge Assistentin Leila el Mansouri (Tala al Deen), die am Ende den coolsten Auftritt des Films hat, und Conny Kaiserling (Christina Große), die Selbstverteidigungskurse für Frauen organisiert. Eine im Wald vergrabene Frauen-Leiche, an deren Kleidung DNA von Frederik gefunden wird, bringt die Kommissare Janneke und Brix auf die Spur von Connys Studio. Allzu viel Mühe bei der Kampfkunst-Inszenierung gibt sich Lüschow nicht. Mit feministischem Witz punktet dafür das PR-Video des Studios: Während Conny und eine andere Frau schon mal an der Bar entspannt Getränke bestellen, vermöbelt die Dritte im Bunde zwei Macho-Männer, die die Frauen beleidigt und attackiert haben.

Männergewalt ist auch an anderer Stelle ein Thema, allerdings in einem verwirrenden Dialog. So berichtet Brix‘ Freundin Fanny, gespielt von der transsexuellen Schauspielerin Zazie de Paris, dass sie an der Ampel von einem Mann angestarrt worden sei. Offenbar war es jemand, der sie bereits einmal bespuckt und geschlagen hat. Fanny flüchtete in eine Bar und als die Kommissare hinzukommen, beschwert sie sich bei Brix: Sie habe sich nicht herausgetraut, hätte sich aber ein Taxi genommen, „wenn wir endlich mal eine Wohnung hätten“. Sind die beiden etwa obdachlos? Kaum anzunehmen, obwohl Brix tatsächlich auf Wohnungssuche ist. Aber im Büro übernachtet einmal nur Janneke, warum auch immer. So entwickeln sich die Reihenfiguren etwas rätselhaft weiter, was leider auch in einem Krimi, bei dem es „nicht unbedingt um einen vordergründigen Realismus“ (Lüschow) geht, lieblos wirkt. Fanny ist immerhin eine emanzipatorische Schlüsselrolle zugedacht: Sie belegt einen Kurs bei Conny Kaiserling und darf sich erstmals als verdeckte Ermittlerin versuchen. (Text-Stand: 5.8.2021)

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Reihe

HR

Mit Wolfram Koch, Margarita Broich, Zazie de Paris, Britta Hammelstein, Christina Große, Helgi Schmid, Bernhard Schütz, Tala al Deen, Daniel Christensen, Corinna Kirchhoff, Isaak Dentler, Sara Fazilat

Kamera: Jan Velten

Szenenbild: Manfred Döring

Kostüm: Sandra Meurer

Schnitt: Silke Franken

Musik: Patrick Reising, Moritz Krämer, Francesco Wilking

Redaktion: Lili Kobbe

Produktionsfirma: Hessischer Rundfunk

Produktion: Uli Dautel

Drehbuch: Petra Lüschow

Regie: Petra Lüschow

Quote: 7,19 Mio. (22,9% MA)

EA: 29.08.2021 20:15 Uhr | ARD

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