Tatort – Unten im Tal

Löbau, Wagner, Obonya, Friedrich, Armbruster, Langhof. Ein Krimi auf leisen Sohlen

Foto: SWR / Benoit Linder
Foto Thomas Gehringer

Ein ungeklärter Fall aus der Vergangenheit löst in einem Dorf im Schwarzwald eine neue Tragödie aus: In der „Tatort“-Episode „Unten im Tal“ (SWR) wird die Leiche eines vor Jahren verschwundenen Mädchens gefunden, und während Franziska Tobler und Friedemann Berg sich bemühen, die damaligen Ereignisse zu rekonstruieren, wird noch eine wichtige Zeugin getötet. Drehbuch-Autorin Nicole Armbruster hat ein kniffliges Familien- und Dorfdrama erdacht, das von Regisseurin Julia Langhof unaufgeregt und bildstark inszeniert wird. Die Handlung wird durch den genauen Blick auf die Psychologie der Figuren getrieben, nicht durch Körperlichkeit und Action. Spannend ohne Effekthascherei, dazu unter anderem mit Cornelius Obonya und Inka Friedrich vorzüglich, wenn auch „unbadisch“ besetzt.

Die ersten Bilder laden in eine zauberhafte Landschaft ein. Der Nebel hängt als dünner, silbergrauer Streifen tief über dem Tal. Dann aber liegen tote Schafe mit blutig aufgerissenen Körpern auf der Weide. Ein Wolf streift durch die Wälder, und im Dorf hängt ein großes Banner, das besseren Schutz der Weidetiere vor dem Raubtier fordert. Etwas kleiner immerhin sind die Zettel im Haus von Meike (Inka Friedrich) und Josef Winterfeld (Cornelius Obonya), auf denen das Foto von Werner Tröndle (Aurel Manthei) gedruckt ist. Hier sei kein Platz für ihn, steht in fetten Buchstaben auf dem Blatt. Die Parallelen sind offenkundig, vielleicht soll Tröndle nicht direkt zum Abschuss freigegeben, aber doch aus dem Dorf vertrieben werden. Der alkoholkranke Außenseiter galt vor Jahren als Hauptverdächtiger im Fall der verschwundenen Rosa Winterfeld, ist aber nach einer wegen anderer Delikte verbüßten Haftstrafe in den Ort zurückgekehrt. Als Rosas skelettierte Leiche am Seeufer ausgegraben wird, nehmen Kommissarin Franziska Tobler (Eva Löbau) und Kommissar Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) die Ermittlungen wieder auf – ausgerechnet an dem Tag, an dem Rosas Tochter Antonia, genannt Toni (Carlotta Bähre), Konfirmation feiert.

Die SWR-Episode „Unten im Tal“ zählt zu den Krimis, die ihre Spannung gewissermaßen auf leisen Sohlen entfalten. In ruhigen Einstellungen führt Regisseurin Julia Langhof („LOMO – The Language of Many Others“) bei ihrem „Tatort“-Debüt durch die Geschichte. Die Darsteller:innen spielen zurückhaltend, Gefühle werden weitgehend kontrolliert. Dazu wirkt das Heim der Winterfelds nicht so, als sei hier durch die Trauer um die einzige Tochter alles aus den Fugen geraten, im Gegenteil: Szenenbild (Juliane Friedrich) und Kamera (Andreas Schäfauer) sorgen für eine irritierende Schwarzwald-Gemütlichkeit – warmes Licht, knarzendes Holz. Und im Tal kann es passieren, dass über Nacht eine dichte Schneedecke die Landschaft in eine winterliche Idylle taucht (die allerdings in der nächsten Einstellung plötzlich wieder verschwunden ist, was dann schon nach Anschlussfehler und nicht nach raffiniert gebauter Dramaturgie aussieht). Auch die Feindseligkeit gegenüber Tröndle äußert sich nicht in krakeelenden Bürgerwehren, sondern darin, dass Gastwirt Franz Leibing (Rainer Furch) dem gegen seine Alkoholsucht und mit Bewährungsauflagen kämpfenden Mann bösartig herausfordernd einen Schnaps einschenkt.

Tatort – Unten im TalFoto: SWR / Benoit Linder
Nach dem Tod der Tochter die Enkelin aufgezogen. Episoden-Besetzung vom Feinsten: Cornelius Obonya und Inka Friedrich

Das ohnehin unaufgeregte, präzise Spiel von Eva Löbau und Hans-Jochen Wagner fügt sich da bestens ein. Tobler und Berg fahren mit einem spürbaren Unwohlsein wieder ins Tal, müssen während der Konfirmationsfeier die endgültige Gewissheit über Rosas Schicksal verkünden und stellen sich wohl selbst auch die Frage, was sie bei den Ermittlungen übersehen oder versäumt haben. Überdies griff der betrunkene Tröndle die Kommissarin damals beim Verhör körperlich an. In Einzelgesprächen mit den unmittelbar Beteiligten versuchen Tobler und Berg nun die Ereignisse an dem Abend, an dem Rosa verschwand, erneut zu rekonstruieren. Auch Rosas Freundin, die mittlerweile erwachsene Elif (Canan Samadi), reist noch einmal an, scheint es eilig zu haben, steigt nach ihrer Aussage doch nicht sofort wieder in den Bus, schreibt einen Brief an Toni – und wird bald darauf erschlagen im Dorf aufgefunden.

Drehbuch-Autorin Nicole Armbruster („Freistatt“, „Zur Hölle mit den anderen“) hat sich ein psychologisch spannendes Familien- und Dorfdrama ausgedacht, das dank beständiger Perspektivwechsel bis zum Schluss offen und überraschend bleibt. Rosa war mit Axel Leibing (Tonio Schneider), dem Sohn des Gastwirts, zusammen, als Tochter Toni zur Welt kam. Weil beide noch minderjährig waren, wurde die Kleine in die Obhut einer in Berlin lebenden Tante gegeben. Am Abend ihres Verschwindens wollte Rosa unbedingt zu ihrer Tochter fahren. In der Gastwirtschaft kam es darüber zwischen Rosa und Axel zum Streit, auch Elif und Werner Tröndle waren anwesend. Nachdem Rosa wutentbrannt aus der Tür gerannt war, verließ auch Tröndle kurz darauf die Wirtschaft. Nach wie vor streitet er ab, für den Tod der jungen Frau verantwortlich zu sein. Der Einzige, der ihm zu glauben scheint, ist ausgerechnet sein Cousin Josef Winterfeld, der Vater Rosas. Er ist der Förster, der sich sträubt, den Wolf – und den Menschen – zu verjagen. (Text-Stand: 26.1.2023)

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Reihe

SWR

Mit Eva Löbau, Hans-Jochen Wagner, Cornelius Obonya, Inka Friedrich, Aurel Manthei, Tonio Schneider, Canan Samadi, Carlotta Bähre, Simone Rosa Ott, Rainer Furch, Emilia Eidt

Kamera: Andreas Schäfauer

Szenenbild: Juliane Friedrich

Kostüm: Ramona Petersen

Schnitt: Saskia Metten

Musik: Torsten Reibold

Redaktion: Katharina Dufner

Produktionsfirma: Südwestrundfunk

Produktion: Franziska Specht

Drehbuch: Nicole Armbruster

Regie: Julia Langhof

Quote: 8,63 Mio. Zuschauer (27,3% MA)

EA: 12.02.2023 20:20 Uhr | ARD

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