Tatort – … und die Musi spielt dazu

Wachtveitl, Nemec, Ferres, Brenner, Ertener, Hanns Christian Müller. Mordsgaudi

Foto: BR / von der Heydt
Foto Rainer Tittelbach

Die Kommissare Batic und Leitmayr ermitteln im Umfeld einer Volksmusik-Show. Sie tappen lange im Dunkeln, der Zuschauer ist den beiden weit voraus – und weiß, dass ein Journalist der Mörder ist. Spannend wird Hanns Christian Müllers 90er-Jahre Ausnahme-„Tatort“ nach dem Buch von Orkun Ertner gegen Ende dennoch. Bis dahin lässt „… und die Musi spielt dazu“ nichts aus, was aus einem konventionellen Krimi eine Riesengaudi macht: falsche Bärte und pralle Dirndl, zünftige Bierzelt-Ikonografie und ein Soundtrack, der ironisch zum Mitschunkeln einlädt. Top-Besetzung, tolle Kamera – dieser Spaß muss einfach sein!

Hinter der heilen Fassade einer Volksmusikshow (Inhalt)
Panik hinter den Kulissen einer Volksmusik-Show: Während der Proben wird der Star der Sendung in seiner Garderobe ermordet. Die Kommissare Batic und Leitmayr wissen nicht, dass es eine Zeugin gibt: Die junge Sängerin Jenny hat den einflussreichen Boulevard-Journalisten Jens Kühn beobachtet, wie er zur Tatzeit aus Jägers Garderobe schlich. Obwohl Jenny ihrem kindlichen Image längst entwachsen ist, wird sie von ihrem Vater und Manager Hermann Beck immer noch in dieser einträglichen Rolle gehalten. Auch diesmal funktioniert die Bevormundung ihres Vaters: Beck sieht seine große Chance gekommen, Rache für Kühns reißerische Artikel zu nehmen und verbietet Jenny, ihre Beobachtung der Polizei mitzuteilen.

Leitmayr und Batic ermitteln im Umfeld der Sendung und stellen bald fest, daß sich hinter der heilen Fassade dieser Volksmusik-Show ein Netz von Intrigen und gegenseitigen Abhängigkeiten verbirgt. Mit Hilfe der Assistentin des Fernsehproduzenten Aumann, lernen sie die Protagonisten der Volksmusikszene näher kennen. Doch erst als die Hauptkommissare auf den dunklen Fleck in der Vergangenheit des Ermordeten stoßen, kommen sie auf die Spur des Mordmotivs. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Hermann Beck begreift viel zu spät, daß er die Fäden schon längst nicht mehr in der Hand hat und bringt damit seine Tochter in Gefahr.

Tatort – … und die Musi spielt dazuFoto: BR / von der Heydt
A Hütt’n aus Holz – und mehr noch! Die lustige Musikantin (Claudia Wipplinger)

Slapstick, Satire und (kaum) tiefere Bedeutung (Kritik)
Der 300. „Tatort“ – und was für einer! Hanns Christian Müller lässt nichts aus, was aus einem konventionellen Krimifall eine Mordsgaudi zu machen vermag: Totschlag im Fernsehstudio, falsche Bärte und pralle Dirndl, zünftige Bierzelt-Ikonografie gegen den Strich gebürstet und ein Soundtrack, der augenzwinkernd zum Mitschunkeln einlädt. Der Mörder ist der Bluthund von der Presse. Der Zuschauer ist gleich im Bilde. Der Schemel donnert auf den Wams des Volksmusikartisten, und der Lederhosen-Pavarotti sinkt zu Boden, getroffen nicht nur vom Holze, nein, auch ein schräges Geigengewitter prasselt auf den Sterbenden hernieder, der einmal ein Opern-Cellist gewesen war. Als dann Deutschlands Edelpunker, die Toten Hosen, im Matrosen-Look eine volksmusikalische Weise zum Besten geben, ist jedem klar, dass „… und die Musi spielt dazu“ nun wirklich nicht so ganz ernst zu nehmen ist.

Fernsehhasser Müller schießt nicht nur hinter die Kulissen der verlogenen Volksmusik-Szene, er hebt auch das Krimi-Genre aus den Angeln – so gut das geht, wenn man auch die Freunde klassischer „Tatorte“ bedienen muss. Ziemlich abstrus wirkt das in Zellophan gehüllte Kommissariat, das sich in Dauerrenovierung zu befinden scheint. Auch der Sprössling von Leitmayrs neuer Flamme forciert das Schräge. Am Ende läutet er ganz unter dem Motto, a bisserl Slapstick muss sein, das Action-Finale ein. Die Kamera spielt desöfteren verrückt, und die Ermittler interessieren sich diesmal weit mehr für ihre Mitmenschen als für ihr Outfit. Das alles ergibt eine ungewohnte Leichtigkeit und Frische. Das Sahnehäubchen aber sind die Darsteller, die zwischen grandioser Überpräsenz (Hans Brenner!) und realistisch gespielter Beiläufigkeit (Veronica Ferres, Wachveitl/Nemec) schwanken. (Text-Stand: 1994)

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

BR

Mit Miroslav Nemec, Udo Wachtveitl, Hans Brenner, Veronica Ferres, Claudia Wipplinger, Wolf Brannasky, Tommi Piper, Michael Fitz, Maria Peschek

Kamera: James Jacobs

Musik: Hanns Christian Müller

Produktionsfirma: Bavaria Fernsehproduktion

Drehbuch: Orkun Ertener

Regie: Hanns Christian Müller

Quote: 7,28 Mio. Zuschauer (22,9% MA)

EA: 11.12.1994 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach