Hinter der heilen Fassade einer Volksmusikshow (Inhalt)
Panik hinter den Kulissen einer Volksmusik-Show: Während der Proben wird der Star der Sendung in seiner Garderobe ermordet. Die Kommissare Batic und Leitmayr wissen nicht, dass es eine Zeugin gibt: Die junge Sängerin Jenny hat den einflussreichen Boulevard-Journalisten Jens Kühn beobachtet, wie er zur Tatzeit aus Jägers Garderobe schlich. Obwohl Jenny ihrem kindlichen Image längst entwachsen ist, wird sie von ihrem Vater und Manager Hermann Beck immer noch in dieser einträglichen Rolle gehalten. Auch diesmal funktioniert die Bevormundung ihres Vaters: Beck sieht seine große Chance gekommen, Rache für Kühns reißerische Artikel zu nehmen und verbietet Jenny, ihre Beobachtung der Polizei mitzuteilen.
Leitmayr und Batic ermitteln im Umfeld der Sendung und stellen bald fest, daß sich hinter der heilen Fassade dieser Volksmusik-Show ein Netz von Intrigen und gegenseitigen Abhängigkeiten verbirgt. Mit Hilfe der Assistentin des Fernsehproduzenten Aumann, lernen sie die Protagonisten der Volksmusikszene näher kennen. Doch erst als die Hauptkommissare auf den dunklen Fleck in der Vergangenheit des Ermordeten stoßen, kommen sie auf die Spur des Mordmotivs. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Hermann Beck begreift viel zu spät, daß er die Fäden schon längst nicht mehr in der Hand hat und bringt damit seine Tochter in Gefahr.
Foto: BR / von der Heydt
Slapstick, Satire und (kaum) tiefere Bedeutung (Kritik)
Der 300. „Tatort“ – und was für einer! Hanns Christian Müller lässt nichts aus, was aus einem konventionellen Krimifall eine Mordsgaudi zu machen vermag: Totschlag im Fernsehstudio, falsche Bärte und pralle Dirndl, zünftige Bierzelt-Ikonografie gegen den Strich gebürstet und ein Soundtrack, der augenzwinkernd zum Mitschunkeln einlädt. Der Mörder ist der Bluthund von der Presse. Der Zuschauer ist gleich im Bilde. Der Schemel donnert auf den Wams des Volksmusikartisten, und der Lederhosen-Pavarotti sinkt zu Boden, getroffen nicht nur vom Holze, nein, auch ein schräges Geigengewitter prasselt auf den Sterbenden hernieder, der einmal ein Opern-Cellist gewesen war. Als dann Deutschlands Edelpunker, die Toten Hosen, im Matrosen-Look eine volksmusikalische Weise zum Besten geben, ist jedem klar, dass „… und die Musi spielt dazu“ nun wirklich nicht so ganz ernst zu nehmen ist.
Fernsehhasser Müller schießt nicht nur hinter die Kulissen der verlogenen Volksmusik-Szene, er hebt auch das Krimi-Genre aus den Angeln – so gut das geht, wenn man auch die Freunde klassischer „Tatorte“ bedienen muss. Ziemlich abstrus wirkt das in Zellophan gehüllte Kommissariat, das sich in Dauerrenovierung zu befinden scheint. Auch der Sprössling von Leitmayrs neuer Flamme forciert das Schräge. Am Ende läutet er ganz unter dem Motto, a bisserl Slapstick muss sein, das Action-Finale ein. Die Kamera spielt desöfteren verrückt, und die Ermittler interessieren sich diesmal weit mehr für ihre Mitmenschen als für ihr Outfit. Das alles ergibt eine ungewohnte Leichtigkeit und Frische. Das Sahnehäubchen aber sind die Darsteller, die zwischen grandioser Überpräsenz (Hans Brenner!) und realistisch gespielter Beiläufigkeit (Veronica Ferres, Wachveitl/Nemec) schwanken. (Text-Stand: 1994)