Aus heiterem Himmel erhält Eva Saalfeld (Simone Thomalla) einen Anruf, der ihr Leben durcheinander wirbelt. Ihre Halbschwester Julia (Josefine Preuß), die seit zweieinhalb Jahren in Leipzig lebt und die sie noch nie gesehen hat, will sich mit ihr treffen. Doch Julia wird vor Evas Augen von zwei Männern entführt. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Andreas Keppler (Martin Wuttke) macht Eva sich im Umfeld ihrer Halbschwester auf Spurensuche. Doch Julias Freund Leon (Marek Harloff) und auch ihr Onkel Hamid (Tayfun Bademsoy), in dessen Café Julia als Aushilfe arbeitet, können sich nicht erklären, weshalb Julia entführt worden sein könnte. In derselben Nacht wird Abdul Günes, ein Nachbar Hamids, in seiner Wohnung ermordet. Die Kommissare suchen die Verbindung zwischen beiden Fällen. Als es Julia kurz darauf gelingt, den Entführern zu entkommen, lernen sich die Schwestern endlich kennen. Über mögliche Hintergründe der Entführung schweigt Julia sich aus. Sie spielt mit der Kommissarin Katz und Maus. Um die Hintergründe herauszufinden, sieht sich Saalfeld gezwungen, ihrem Vater (Günter Junghans), den sie vor Jahren ins Gefängnis gebracht hat, einen Besuch abzustatten. Was weiß er? Oder steckt er gar hinter der Entführung?
Reisen in die Vergangenheit liegen in deutschen Krimis im Trend.Gerade erst wurde „Rosa Roth“ bei ihrem Abschied nach 20 Jahren mit ihrem ersten Fall konfrontiert. Und kürzlich bekam es Stuttgart-Cop Lannert im „Tatort – Spiel auf Zeit“ mit einem Mann zu tun, den er in einer der ersten Folgen in den Knast brachte. Und nun trifft also Kommissarin Saalfeld wieder auf ihren im Gefängnis sitzenden Vater (aus der Folge „Tatort – Nasse Sachen“). Damit nicht genug: Auch eine Halbschwester wird für den neuen Leipzig-„Tatort“ aus dem Hut gezaubert. Andreas Pflüger, einer der gefragtesten „Tatort“-Autoren, der seit 1994 zahlreiche Drehbücher für die ARD-Vorzeige-Reihe geliefert hat, schrieb diese „Familiengeschichte“ für Eva Saalfeld. Routiniert erzählt er die erste Begegnung zweier Schwestern, die einzig den Erzeuger gemeinsam haben, bringt Geldverleiher und nicht erhörte Verehrer ins Spiel und lässt die Kommissare im Spannungsfeld anderer Kulturen ermitteln. Viele dubiose Menschen müssen hier agieren – wohl um die aber nur phasenweise aufkommende Spannung einigermaßen aufrecht zu erhalten. Figuren mit (zu) wenig Konturen sind da zu sehen, sei es Julias Freund Leon, ihr Onkel Hamid oder der enttäuschte Verehrer Ersoy. Und mittendrin das Ermittler-Duo mit dem großartigen, aber hier mal wieder spürbar unterforderten Martin Wuttke und der überfordert wirkenden Simone Thomalla, die als Eva Saalfeld entweder wild mit der Pistole herumfuchtelt oder – ob der neuen Familiensituation – ihre typische leidende Mine aufsetzt.
Regisseurin Christine Hartmann gelingen einige atmosphärische Passagen – die Fahrt von Keppler und Eva Saalfeld im schicken Ami-Schlitten (zu türkischen Klängen) gehört dazu. Schön anzusehen wie sie mit Bildern der tanzenden Schwester Julia kontrastiert werden. Aber Vieles ist auch nur konventionell und erwartbar inszeniert: Verhörszenen, Ermittlungsarbeit – voll ermüdender, weil erklärender Dialoge. Nicht zwischen den Zeilen, sondern durch die Zeilen wird erzählt, und Action oft durch Brüllen und gezückte Pistolen erzeugt. Josefine Preuss, mit „Türkisch für Anfänger“ groß geworden und derzeit auf dem Weg zur „ernsten“ Schauspielerin, gerät mit dieser zerrissenen, geheimnisvollen Figur der Julia an ihre Grenzen. Sie spielt das Emotionale sehr stark nach außen gewandt, ein wenig zurückgenommener wäre mehr gewesen. Für die kleinen Gags am Rande ist wieder mal Kriminaltechniker Menzel (kleine, feine Rolle für Maxim Mehmet) zuständig. Türkischer Honig ist ein süßes Zeug – zu viel sollte man davon nicht genießen. Auch dieser „Tatort“ macht einen recht schnell satt.