Die Tanzfläche eines Disco-Tempels. Eine junge Frau bewegt sich ekstatisch im dröhnenden Techno-Sound. Um sie herum andere wild gewordene Bewegungssüchtige. Sie schiebt sich eine Ecstasy-Pille zwischen die Zähne. Bum, bum, bum, sie lacht, schwingt sexy Hüften und Haare – bis ihre Bewegungen plötzlich bizarrer werden, einen krampfhaften Ausdruck annehmen und sie mitten in der Menge zusammenbricht. Dieses Bild stand Autor Klaus Bädekerl, lange bevor er sich ans Drehbuch des BR-“Tatort” machte, vor Augen. Das einsame Sterben in der Menge, diese Szene steht nun tatsächlich zu Beginn von “Totentanz”.
Es ist nicht das Discofieber, das die junge Frau dahinrafft, es ist vielmehr eine vergiftete Ecstasy-Pille. Wer hat diese lebenshungrige Scene-Gängerin auf dem Gewissen? Die Hauptkommissare Batic und Leitmayr haben es besonders schwer, bei diesem Fall Boden unter den Füßen zu bekommen. Denn die Münchner Clubszene mit ihren Veranstaltern, Geldmachern und falschen Freunden ist ihnen alles andere als vertraut. Da muss Carlo, jetzt auch mit trendiger Kurzhaarfrisur, immer wieder aushelfen. Es sieht so aus, als ob sich hier zwei Disco-Betreiber bis aufs Messer behaken und selbst vor Mord nicht zurückschrecken. Aber auch die beiden engsten Freunde der Toten, eine angehende Ärztin (Denise Zich) und ein Videokünstler (Wanja Mues), verwickeln sich in Widersprüche. Und dann ist da noch ein Internet-Spinner, der sich DJ God nennt und auf seiner Homepage ungeniert Gewalt predigt: “Wenn Ihr die wahre Trance erreichen wollt, muss einer von euch sterben.”
Nicht nur die Tote taumelt zu Beginn. Auch die Kommissare geraten in den Einfluss seltsamer Schwingungen. Sie müssen mal wieder in eine fremde Welt eintauchen. Sie merken, dass sie hier nicht hingehören, spüren, was es heißt, „Gruftis“ zu sein. Die Folge: die graumelierten Herren werden nervös und geraten häufig aneinander. Streitpunkt ist immer wieder, wer die zahllosen Überwachungs- und Kunstvideos durchsehen muss. Ein bisschen zwanghaft werden von Autor Bädekerl und Regisseur Thomas Freundner die neuen Medien eingesetzt. Überall läuft eine Kamera oder ein Audio-Tape. Und Narziss tanzt, bumst oder tötet dazu.
Der Autor, der sich bisher vor allem mit Krimiserien wie “Der Fahnder” oder “Die Kommissarin” hervorgetan hat, bemüht auch ein wenig zu sehr die ausgereizten Mythen von Sex & Drugs & Rock’n Roll. Dass er ausgerechnet die Münchner Clubszene ausleuchtet in seinem “Tatort” und das Buch dann unter afrikanischer Sonne in seinen Laptop gehackt hat, verwundert schon ein wenig. “Wie München ausschaut oder riecht, weiß ich auswendig”, betont er, “die Bilder habe ich im Kopf.” Und für die Dancefloor-Motive machte er sich vor dem Schreiben auf Recherche-Tour. Im Kunstpark Ost, dem KPO, Münchens größter Partyzone, in der zu Spitzenzeiten bis zu 30.000 Nachtschwärmer unterwegs sind, ließ er sich tagsüber durch die Ateliers und Szenekneipen führen. Das musste sein. “Denn abends privat wäre ich wahrscheinlich schon am Türsteher gescheitert”, schmunzelt Bädekerl, “ähnlich wie ich’s den Kommissaren ins Drehbuch geschrieben habe.” (Text-Stand: 13.10.2012)