Dominik Graf zählt heute zu den angesehensten deutschen Regisseuren; seine Krimis haben ihm alle wichtigen Fernseh- und Kinopreise eingebracht, darunter diverse Grimme-Preise (unter anderem für „Im Angesicht des Verbrechens“) sowie den Deutschen Filmpreis für den Thriller „Die Katze“ (1988), einer der besten Kinokrimis der letzten dreißig Jahre. Das war Dominik Grafs zweite Zusammenarbeit mit Götz George. Zuvor hatten sie die 1986 ausgestrahlte „Tatort“-Episode „Schwarzes Wochenende“ gedreht. Entstanden ist der Film aber bereits 1984. Graf hatte zwar in Fachkreisen bereits erste Aufmerksamkeit mit seinem Jugenddrama „Treffer“ erregt, war aber noch praktisch unbekannt. „Schwarzes Wochenende“ war sein erster Krimi, und das macht diesen Film zu einem besonderen „Tatort“: weil der Regisseur schon damals versucht hat, mit den Konventionen des Genres zu spielen; und weil sich bereits einige Eigenarten erkennen lassen, die später zu seinem Markenzeichen wurden. Das gilt vor allem für die Funksprüche, mit denen er bis heute arbeitet. Was anderswo allenfalls im Hintergrund stattfindet und somit zur Geräuschkulisse wird, ist bei Graf lautstarker Teil der Handlung, der zum Teil sogar die Dialoge überlagert: weil die Figuren (und somit auch die Zuschauer) auf diese Weise immer wieder über den Stand der Ermittlungen informiert werden. Außerdem füllt er Leerstellen, die andere in kauf nehmen: Wenn Schimanski mit dem Dienstwagen davonbraust und den Kollegen Thanner (Eberhard Feik) ahnungslos zurücklässt, gibt er per Funk der Zentrale Bescheid. Für die Geschichte ist das nicht wichtig, zu hören ist es ohnehin nur aus dem Off, aber das Detail trägt dazu bei, dass Grafs Polizeifilme stets authentischer wirken als der Standardkrimi.
Auch der Auftakt verdeutlicht das enorme Talent des Regisseurs: Zu Beginn liegt Schimanski angezogen auf einem Bett. Vor seinem geistigen Auge laufen noch einmal die Bilder des vergangenen Tages ab: ein junger Mann, ein Dach, eine Handgranate; dann eine Detonation, ein zuckender Fuß und ein Kommissar, dessen Jacke mit Blut bespritzt ist. Kein Wunder, dass er versucht hat, das traumatische Erlebnis im Alkohol zu ertränken. Dann sind Schüsse zu hören, und während man noch rätselt, ob sie ebenfalls Teil des Traums sind, wird langsam klar, dass vor dem Hotel, in dem Schimanski nächtigte, ein Mord geschehen ist. Das Opfer ist ein ostwestfälischer Möbelfabrikant namens Hencken. Am nächsten Morgen taucht ein Mann im Revier auf und erläutert die Hintergründe, die sich im Verlauf der Ermittlungen als überraschend kompliziert entpuppen. Letztlich geht es um eine uralte Rivalität zwischen zwei Unternehmern, die einst in dieselbe Frau verliebt waren und seit Jahrzehnten versuchen, sich gegenseitig das Wasser abzugraben. Bei dem Mann, der Schimanski und Thanner die doppelte Familiengeschichte erzählt, handelt es sich um Hubert Möhlmann, den Sohn des zweiten Fabrikanten; Dieter Pfaff, der 1982 in einem anderen „Tatort“ aus Duisburg („Kuscheltiere“) eine winzige Rolle hatte und auch zu Grafs „Treffer“-Ensemble gehörte, bekam nun endlich Gelegenheit zu zeigen, was für ein großartiger Schauspieler schon damals in ihm steckte.
Dieser Möhlmann erschießt kurz drauf vor Schimanskis Augen Hencken junior und nimmt auch den Mord am Senior auf sich, aber die Kommissare sind überzeugt, damit wolle er nur seinen Vater schützen; und jetzt wird die Geschichte richtig kompliziert. Es geht um einen geplanten betrügerischen Bankrott des alten Möhlmann (Siegfreid Wischnewski) und eine damit verbundene Erpressung, aber natürlich auch um die Familienfeindschaft. Weil viel erklärt werden muss, wird entsprechend viel geredet. Es tauchen noch einige Figuren auf, die immer wieder neue Informationen besteuern, etwa ein Journalist (Michael Wittenborn), der den Betrug von Familie Möhlmann öffentlich machen will, oder seine Frau (Marita Breuer), die auf verblüffende Weise mit beiden Familien verbandelt ist. In einer kleinen Rolle ist zudem die nicht mal 20 Jahre alte Mariele Millowitsch (damals noch Marie-Luise) zu sehen; sie hat nicht viel zu sagen, weil die Frau, die sie spielt, alsbald die Liste der Mordopfer verlängert.
Graf hat die stellenweise ausufernden Dialogszenen so kurzweilig wie möglich inszeniert. Maßgeblichen Anteil an der filmisch reizvollen Präsentation hat der Schnittmeister, der fortan zu einem treuen Wegbegleiter Grafs werden sollte, aber nicht mehr im Schneideraum: Bei den meisten preisgekrönten Projekten von Dominik Graf hat Rolf Basedow das Drehbuch geschrieben. Auch die Bildgestaltung des damals ebenfalls noch am Beginn seiner Karriere stehenden Klaus Eichhammer setzt reizvolle Akzente. Die Kommissare lassen bei den Befragungen extra die Jalousien runter, damit sie das Licht einschalten können und Eichhammer größeren Spielraum hat, kleine Beleuchtungsinseln zu schaffen. Trotzdem liegt der Reiz des Films nicht so sehr in der Optik, sondern in der Studie eines Polizisten, den der Selbstmord gleich zu Beginn und die nächtlichen Befragungen an die Grenze seiner psychischen Belastbarkeit bringen; entsprechend rau und zuweilen lautstark ist der Umgangston zwischen den Ermittlern. Zurück bleibt eine trotz des positiven Schlussbildes eher gedämpfte Stimmung; dazu passt, dass zum Abspann ausnahmsweise nicht Klaus Doldingers berühmtes „Tatort“-Motiv, sondern weiterhin Andreas Köbners markante, aber nie überpräsente Filmmusik erklingt. Der Abspann enthält übrigens einen weiteren bekannten Namen: Grafs Regieassistentin war Sherry Hormann. (Text-Stand: 24.9.2016)