Tatort – Schwarzer Afghane

Wuttke, Thomalla, Groth, Thomas Jahn. Keppler, Saalfeld & die nationale Sicherheit

Foto: MDR / Junghans
Foto Tilmann P. Gangloff

Ein Wettlauf mit der Zeit in Leipzig: Saalfeld & Keppler müssen einen Terroranschlag verhindern. Was schwarzhumorig bis makaber beginnt, nimmt bald Fahrt auf. Die Spannung in diesem handwerklich gut gemachten Krimi steigert sich bis zum hochdramatischen Finale. Zwar bedarf dieser politische Fall mancher Erklärungen, aber Holger Jancke und Thomas Jahn gelingt es, das Hintergrundwissen nicht als Proseminar der Talkring Heads zu servieren. Außerdem hat bei diesem „Männerfilm“ endlich mal Keppler/Wuttke die Hosen an!

Zum dritten Mal innerhalb weniger Wochen geht es im „Tatort“ um die nationale Sicherheit. In dem Sonntagskrimi „Schwarzer Afghane“ muss das Leipziger Duo Saalfeld und Keppler im Wettlauf mit der Zeit eine Geisel retten und einen Terroranschlag auf Leipzig verhindern. Fast zu spät stellen sie fest, dass sie die ganze Zeit ein Phantom gejagt haben. „Schwarzer Afghane“, so der Titel des Films, ist makaber. Er mag sich auf eine große Ladung Marihuana gleichen Namens beziehen, das in einer Flugplatzhalle verbrannt ist. Aber in unmittelbarer Nähe des Flughafens wird auch die bis zur völligen Unkenntlichkeit verkohlte Leiche eines afghanischen Studenten gefunden. Dass sich Regisseur und Kameramann Thomas Jahn („Knockin’ on Heaven’s Door“) dieser Doppeldeutigkeit bewusst war, steht außer Frage.

Der Einstieg in den Film ist ausgesprochen schwarzhumorig: Als zwei kiffende Jungs einen Mann über die Wiese rennen sehen, hält der eine den Joint so vor seine Augen, dass er den Läufer scheinbar aus der Luft attackiert; und plötzlich steht der Mann in Flammen. Die kriminalpolizeilichen Untersuchung ergibt, dass er mit weißen Phosphor bedeckt gewesen sein muss, der sich an der Luft spontan selbst entzündet. Schluss mit lustig: Der Phosphor stammt aus einer gestohlenen US-Signalrakete. Saalfeld und Keppler vermuten, der Brandanschlag auf die Halle habe den dort gelagerten Hilfsgütern für Afghanistan gegolten; oder dem Haschisch, dessen Überreste später entdeckt werden. Aber dann dämmert dem Duo, dass sie es mit Terrorismus zu tun haben, zumal nicht bloß eine, sondern vier Raketen verschwunden sind.

Tatort – Schwarzer AfghaneFoto: MDR / Junghans
Ein afghanischer Student nimmt eine Videobotschaft auf. Kostja Ullmanns als Terrorist: Eine ganz ähnliche Figur hat er bereits in dem Drama „Der verlorene Sohn“ (ARD, ausgestrahlt 2/2011) verkörpert

Das Drehbuch von Holger Jancke bettet die Geschichte in eine Handlung von eindrucksvoller Komplexität. Zu den diversen interessanten Nebenfiguren gehört beispielsweise der Spediteur Müller (Sylvester Groth), dem die Halle gehört und der regelmäßig Ware nach Afghanistan liefert. Seine Kooperation mit der Bundeswehr wird beim Finale des Films eine ebenso entscheidende Rolle spielen wie seine halbafghanische Tochter (Haley Louise Jones), die um ihre große Liebe trauert. Müllers Vorarbeiter (Ramin Yazdani) hält zwischendurch einen leidenschaftlichen Vortrag über Afghanistan, der für das nötige Hintergrundwissen sorgt, aber im Unterschied zu manch’ anderem „Tatort“ trotzdem nicht wie das bei Filmen mit Botschaft obligate Proseminar wirkt. Und weil es ja um Fragen der nationalen Sicherheit geht, entpuppt sich ein zwielichtiger Typ (Anatole Taubman), der den Kriminalisten stets einen Schritt voraus ist, als Mitarbeiter des Militärischen Abschirmdienstes. Hübsch ist auch die Idee, dass Keppler frisch aus dem Urlaub heimkehrt und keine Zeit findet, die Kleidung zu wechseln; der Beamte, der am Flughafen seinen Koffer kontrollieren will, heißt sinnigerweise Zöllner.

Die vielschichtige Geschichte birgt zwangsläufig großen Erklärungsbedarf. Trotz der entsprechend vielen Großaufnahmen ist „Schwarzer Afghane“ kein Fernsehen mit redenden Köpfen, zumal es Jahn dank Schnitt (Bernd Schriever) und Musik (Susan DiBona) gelingt, ein durchgängig hohes Spannungsniveau herzustellen. Gerade das Finale ist von großer Dramatik. Jahn hat auch die Nebendarsteller (eine Erwähnung wert ist Margrit Sartorius als Dozentin) ausgezeichnet geführt. Und dass Martin Wuttke seine Kollegin nicht wie sonst nur qualitativ, sondern diesmal auch quantitativ überflügelt, tut dem Film ebenfalls gut. Hauptkommissarin Saalfeld sollte zudem dringend ihren Erste-Hilfe-Kurs wiederholen: In einer Szene überprüft sie den Pulsschlag eines Toten an dessen Kiefer. Nur bedingt originell ist auch die Besetzung Kostja Ullmanns als Terrorist: Eine ganz ähnliche Figur hat er bereits in dem Drama „Der verlorene Sohn“ (ARD, ausgestrahlt 2/2011) verkörpert. Aber das Spiel mit der gewechselten Identität des Bombenlegers ist ausgesprochen reizvoll. Und dass die Gefahr am Schluss keineswegs gebannt ist, schürt die Neugier auf den nächsten „Tatort“ aus Leipzig.

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Reihe

MDR

Mit Martin Wuttke, Simone Thomalla, Sylvester Groth, Haley Louise Jones, Anatole Taubman, Kostja Ullmann, Margrit Sartorius, Ramin Yazdani, Maxim Mehmet

Kamera: Thomas Jahn

Schnitt: Bernd Schriever

Musik: Susan DiBona

Produktionsfirma: Saxonia Media

Produktion: Jan Kruse

Drehbuch: Holger Jancke

Regie: Thomas Jahn

EA: 17.03.2013 20:15 Uhr | ARD

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