So viel Glück gibt’s nur in Kino und Fernsehen: Die Kugel, die den Filialleiter genau ins Herz treffen sollte, prallte an seinem Feuerzeug ab. Seltsamerweise fragen sich die Kommissare viel zu spät, warum überhaupt auf den Mann geschossen wurde. Der Banküberfall lief schließlich wie am Schnürchen, die Täter entkommen mit drei Millionen Euro Beute… In Wirklichkeit geht es Thomas Stiller in seinem „Tatort – Schattenlos“ nur in zweiter Linie um einen Krimi; im Vordergrund steht für ihn eine Liebesgeschichte. Herausgekommen indes ist ein richtiger Thriller, eindrucksvoll fotografiert, sehr spannend, wenn auch nicht immer durchschaubar.
Der Krimi beginnt mit besagtem Banküberfall, der von einer Geisel durchgeführt wird: Der Geschäftsmann Stefan Kühn (Michael Mendl) wird von Gangstern, die seine Frau als Geisel halten, mit einer Bombe am Bauch in die Filiale geschickt. Unter den erschrockenen Kunden ist auch Freddy Schenk (Dietmar Bär). „Alter Hut“, denkt man sich noch, da kommt alles anders: Schenk kann zwar den Kollegen Ballauf (Klaus J. Behrendt) alarmieren, doch der wird erkannt. Prompt jagen die Verbrecher einen Kiosk in die Luft; die Besitzerin wird getötet, ein kleines Mädchen, mit dem Ballauf gerade noch ein paar Worte gewechselt hatte, schwer verletzt. Die Gangster entkommen, indem sie die beiden Kommissare mit einer fingierten Polizeikontrolle narren; sie haben keinerlei verwertbare Spuren hinterlassen.
Einziger Ansatzpunkt, das offenbar perfekte Verbrechen aufzuklären, ist der kühle Kühn, ein Mann ohne Vergangenheit: Sämtliche Nachforschungen führen ins Nichts; die Kommissare sind ratlos, die Atmosphäre wird immer feindseliger. Eher durch Zufall entdeckt Ballauf schließlich, dass es beim BND eine Akte über Kühn gibt. Und dann stellt sich heraus, dass Frau Kühn gleichfalls eine nicht unerhebliche Rolle in dem undurchsichtigen Spiel einnimmt.
Stiller erzählt seinen Krimithriller äußerst distanziert. Gerade dem Ehepaar gönnt er kaum Emotionen: Keine einzige Großaufnahme unterbricht den ehelich entfremdeten Alltag. Ohnehin schneidet Stiller äußerst selten. Verhöre zum Beispiel zeigt er in langen Einstellungen. Andererseits sorgen unerwartete Exkurse, etwa die fernöstlichen Vorlieben von Stefan Kühn, immer wieder für reizvolle Abwechslung, so dass auch dieser stark inszenierte „Tatort“ aus Köln mal wieder alles andere als ein Krimi von der Stange ist. (Text-Stand: 27.4.2003)