Ein türkischer Imbissbetreiber wird von seinem eigenen Transporter überfahren. Kommt der Mörder tatsächlich aus dem Kreis der Familie? Die Spuren und Motive jedenfalls führen in den Clan der Celiks. Der Tote wurde mit der Tochter zwangsverheiratet und dem ältesten Sohn als Chef vor die Nase gesetzt. Als Lena Odenthal auf einen jungen Deutschen stößt, der mit der unglücklich verheirateten Türkin ein Verhältnis hat, bekommt der Fall eine brisante Wendung. Die Suche nach dem Mörder ist nun eng verbunden mit dem Schutz der vom Sittenkodex abgefallenen jungen Frau, die in Lebensgefahr schwebt.
Ein heißes Eisen holt da der Südwestrundfunk mit dem „Tatort: Schatten der Angst“ aus dem Feuer. Das Thema türkischer Mord im Namen der Ehre gerät sozialkritisch in den Fokus. Der lautstarke Protest der Alevitischen Gemeinde Deutschland nach dem letzten „Tatort“ mit Maria Furtwängler, der in einer Strafanzeige wegen Volksverhetzung gipfelte, klingt aber noch den ARD-Oberen unangenehm in den Ohren. Tritt die ARD mit diesem Fall abermals ins Minenfeld Migration? Autor und Regisseur Martin Eigler war sich des heiklen Themas bewusst. Er weiß um die anderen Wertvorstellungen vieler in Deutschland lebender Türken und er weiß um die Konflikte, die daraus entstehen können. „Andererseits kann es nicht sein, dass Verstöße gegen die Menschenrechte, wie zum Beispiel die Missachtung der Gleichberechtigung von Mann und Frau, mit einem besonderen familiären, kulturellen und religiösen Hintergrund gerechtfertigt werden“, betont der Filmemacher. „Das Grundgesetz ist die von allen akzeptierte Basis für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft.“ Mit dem Grundgesetz und der Freiheit der Kunst steht Eigler juristisch auf sicherem Boden.
Und auch ästhetisch gelingt dem Krimi-Experten für psychologische Zwischentöne eine sensible Annäherung an das brisante Thema. Indem Eigler einen türkischen LKA-Beamten einführt, erweitert er geschickt die Migranten-Palette um einen aufgeklärten Geist, der sich zudem mit einem Augenzwinkern vom mollgefärbten Familienbild der Celiks angenehm abhebt. Außerdem kommt ihm die Aufgabe zu, den kriminellen Energien türkischer Mitbewohner, die in „Schatten der Angst“ auch eine Rolle spielen, etwas entgegenzusetzen.
Die besondere Stärke des Films ist die Darstellung des Grundkonflikts. Er spielt sich im Herzen von Derya Celik ab und er spiegelt sich wider auf dem Gesicht von Sesede Terziyan. Sich zu seiner Liebe bekennen? Die Familie für immer verlassen? „Es ist leicht zu denken, wenn einen die Familie so einschränkt, muss man sich von ihr trennen, damit man eigene Wege gehen kann“, so Eigler. So einfach macht er es seiner Hauptfigur nicht. Geschickt auch, dass er keinen „Ehrenmord“ geschehen lässt, sondern die Bedrohungssituation zeigt. Eigler: „Da wir die Not der Frau erlebbar machen, ist man natürlich näher am Problem, als wenn ein solcher Mord bereits stattgefunden hat.“ (Text-Stand: 6.4.2008)