Passionsspiele in einem Tiroler Bergdorf. Überaus glaubwürdig spielt der Jesus-Darsteller seinen Part. “Nur noch eine kleine Weile werde ich bei euch sein”, sagt er auf der Bühne. Auch im richtigen Leben soll er Recht behalten. Einige Stunden später hängt er am Theater-Kreuz. Diese Szene des Ösi-“Tatorts: Passion” sorgte bereits im Vorfeld für einige Aufregung. “Geschmacklos”, wetterte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz. “Mit dem Opfertod Christi treibt man keine Scherze”, äußerte sich der evangelische Medienexperte Wolfgang Baake. “Anscheinend ist im deutschen Kulturbetrieb nichts mehr heilig.”
Bei der ARD-Tochter Degeto, die von deutscher Seite für diese Koproduktion verantwortlich ist, kann man die Reaktion der Kirchenvertreter nur schwer verstehen. “Unsere Redakteure konnten keinerlei antiklerikale Tendenzen in dem Film erkennen”, sagt Degeto-Sprecher Jürgen Knoop. Die hauseigenen Dramaturgen stellten vielmehr fest, “dass es in dem Film nicht um spekulativen Tabubruch und billige Effekte gehe, sondern dass die monierten Passagen durchaus in einem dramaturgisch motivierten Zusammenhang stehen”. In Österreich lief der Film bereits im letzten Herbst. Es gab keine Proteste, dafür gute Quoten: 38% Marktanteil und fast eine Million Zuschauer. Für die Degeto ein Grund mehr, in dem “Passions”-Vorspiel in den Medien eine typische Sommerloch-Inszenierung zu erkennen.
Auch ein Autor wie Felix Mitterer (“Piefke-Saga”) sollte über jeden Zweifel erhaben sein. Er hält zwar seinen Landsleuten und der Kirche gern den Spiegel vor, aber ein Provokateur ohne Grund war er noch nie. Der seit einigen Jahren in Irland lebende Mitterer hat mit “Passion” einen modernen Heimatkrimi geschrieben, in dem es mehrere Opfer und mehrere Täter gibt. Gerade weil er hier keine am Alltagsrealismus orientierte Krimi-Handlung abspult, sondern bei der Darstellung jenes hinterwäldlerischen Mikrokosmos’ immer wieder ins Sinnbildliche vordringt, bekommt die Kreuzigung etwas Metaphorisches. Unablässig werden die Verhältnisse im Dorf an den Situationen der Passionsgeschichte gespiegelt und gebrochen.
Jesus wird vom ältesten Sohn des reichsten Mannes im Ort dargestellt, der Außenseiter des Ortes spielt den Judas und die vermeintliche “Dorfhure” die Maria Magdalena. Und in die Gewänder der Apostel schlüpfen ausschließlich die Honoratioren des Dorfes. Der reichste Mann hat das Sagen, der Pfarrer ist selbst beim Passionsspiel nur noch Statist. Ein Rollenspiel, aus dem es kein Entrinnen gibt. Nur Roxane, die zuletzt, vor acht Jahren, die Maria Magdalena gab, ist ausgebrochen aus dieser Enge, arbeitet in Innsbruck, bei der Mordkommission. Ausgerechnet der Tod ihres früheren Geliebten führt sie erstmals wieder in ihr Heimatdorf. Gefunden wird der Tote von Moritz Eisner, dem Chefinspektor aus Wien. Eigentlich wollte er nur Urlaub machen. Doch jetzt muss er der unerfahrenen Kommissarin zur Seite stehen, die als Frau einen schweren Stand hat gegen die Mannsbilder im Ort.
Harald Krassnitzer ist für diesen Alpen-“Tatort” in die Gegend zurückgekehrt, in der er drei Jahre lang für den “Bergdoktor” vor der Kamera stand. Ihn haben die Menschenbilder an der Geschichte interessiert: “Es ist eine humorvolle und zugleich ernsthafte Betrachtung des Tiroler Menschen”, sagt er, “differenziert und durchaus liebevoll”. Eine Stärke sieht er auch in den typischen Animositäten zwischen Wien und Tirol, die Felix Mitterer in sein Drehbuch eingesponnen habe. Neben Krassnitzer hat Regisseurin Ilse Hofmann (“Die Zauberfrau”) mit Sophie Rois, Dietmar Schönherr und Simon Schwarz ein für Österreich wie Deutschland gleichermaßen attraktives Ensemble zusammengestellt. (Text-Stand: 30.7.2000)