Tatort – Mutterliebe

Michelsen, Schmaus, Zapatka, Aladag: "Tatort" aus dem Eiskeller der Bourgeoisie

Foto: WDR / Uwe Stratmann
Foto Rainer Tittelbach

Eine Frau bringt in aller Stille ein Kind zur Welt. Sie hat ihre Schwangerschaft vor der Familie geheim gehalten. Wenige Stunden nach der Geburt legt sie das Kind in eine „Babyklappe“. Psychologisch starkes Kammerspiel-Familiendrama von geradezu antiker Größe.

Die Schauspieler treten vor – aus dem Schwarz des Hintergrunds. Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär, Erdal Yildiz, Cornelia Schmaus, Tonio Arango, Feo Aladag, Manfred Zapatka, Claudia Michelsen. Sie treten vor den schwarzen Vorhang. Ein ungewöhnlicher „Tatort“-Beginn. Ein Familiendrama von nahezu antiker Größe hat der türkische Filmemacher Züli Aladag mit “Mutterliebe” geschaffen. Es ist ein Film, der durch seine kammerspielartige Inszenierung und seine düstere Tonlage ebenso für Diskussionen sorgen wird wie durch sein Thema.

Es geht in dem neuen Krimi aus Köln um die sogenannte “Babyklappe”, eine Einrichtung von Krankenhäusern in deutschen Großstädten, die Müttern in extremer Notlage die Möglichkeit gibt, ihre Säuglinge anonym abzugeben. Regisseur Aladag und seine Koautorin und Ehefrau Feo Aladag enthalten sich weitgehend einer Wertung. “Grundsätzlich sagen wir, was Leben rettet ist gut”, so der 34-jährige Regisseur, der letztes Jahr für seinen Debütfilm “Elefan-tenherz” zwei Bayerische Filmpreise gewannn. Im Film diskutieren in einem beiläufigen Dialog die beiden Kommissare das Für und Wider des Themas. “Schenk, der Familienmensch, hat für die Babyklappe kein Verständnis; Ballauf der Einzelgänger schon eher”, so Züli Aladag.

Ein Krimi auf psychologischer Spurensuche. Erzählt wird von den Wagners, einem bourgeoisen Familienclan, der zahllose Leichen im Keller hat. Es beginnt mit dem 60. Geburtstag des Hausherren. Eine eisige Veranstaltung. Die Schwiegertochter verlässt vorzeitig die Feier, um in aller Stille und ohne Arzt und Hebamme ein Kind zur Welt zu bringen. Sie hat ihre Schwangerschaft vor der Familie geheim gehalten. Wenige Stunden nach der Geburt legt sie ihr Kind in eine Babyklappe. Für die Kommissare Ballauf und Schenk beginnt der Fall mit dem Tod einer Krankenschwester. Sie hat vermutlich das Neugeborene von Maria Wagner aus der Babyklappe genommen. Sie wurde ermordet, und das Baby ist spurlos verschwunden.

Tatort – MutterliebeFoto: WDR / Uwe Stratmann
Züli Aladags top besetztes Familiendrama von nahezu antiker Größe. Klaus J. Behrendt, Claudia Michelsen, Dietmar Bär

Die Aladags sind bei den Recherchen auf die Geschichte einer jungen Frau gestoßen, die versuchte hat, ihre Schwangerschaft vor ihrem sozialen Umfeld geheim zu halten. Eine unglaubliche Vorstellung. “Das war für uns ein sehr starkes Bild mit einer ungeheuerlichen Sogwirkung”, betont Feo Aladag, die im Film auch die Tochter im Hause Wagner spielt. Für den Zuschauer entsteht ein von Claudia Michelsen sehr intensiv gespieltes Sinnbild extremster Einsamkeit. Aber auch die anderen – zumeist theatererfahrene – Schauspieler stehen ihr in ihrem leisen Leiden in nichts nach. Zwangsläufig tritt die Frage nach dem Täter in den Hintergrund. “Im Fokus stehen die Charaktere, die auf einer psychologischen Ebene miteinander verbunden sind”, so Züli Aladag. Es geht ihm um das Verstehen einer tragischen Familiengeschichte, bei der es mehr als nur eine Leiche geben wird. (Text-Stand: 23.3.2003)

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Reihe

WDR

Mit Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär, Claudia Michelsen, Manfred Zapatka, Cornelia Schmaus, Erdal Yildiz, Tonio Arango, Feo Aladag, Sonja Baum

Kamera: Busso von Müller

Szenenbild: Frank Polosek

Schnitt: Andreas Wodraschke

Drehbuch: Feo Aladag, Züli Aladag

Regie: Züli Aladag

EA: 23.03.2003 20:15 Uhr | ARD

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