Die Weihnachtzeit ist die Hoch-Zeit für Bettler. Busweise werden sie angekarrt in die Großstadt mit Herz – unter ihnen auch zwei Schwestern aus Rumänien, die hochschwangere Tida (Mathilde Bundschuh) und Anuscha (Cosmina Stratan), beide um die zwanzig. Dann ist das Baby auf einmal da – und die jungen Frauen geraten in Panik, sie befürchten, dass Radu (Florin Piersic) und sein Bruder Calin (Alexandru Cirneala), die Sklaventreiber der Bettler-Mafia, ihnen das Kind wegnehmen werden: denn Betteln mit Babys ist in München verboten. Nachdem Tida auf dem Stachus einen Schwächeanfall erleidet, flüchtet Anuscha mit dem Kleinen, verfolgt von Calin. Wenig später ist das Neugeborene tot, abgelegt in einer Kirche. Den Kommissaren Batic und Leitmayr stockt der Atem. Gerade noch bei der Weihnachtsfeier im Präsidium witzelnd dem Polizeichor gelauscht, jetzt wieder mittendrin im Ernst der polizeilichen Ermittlungen. Und die erweisen sind als schwierig. Nur langsam – mithilfe eines Kollegen, der für die Bettler in der Stadt zuständig ist – beginnen sie, die mafiosen Strukturen zu verstehen, doch an den aalglatten Drahtziehern beißen sich die beiden die Zähne aus. Und die Bettler sagen nichts, die Mädchen sind verschwunden, einer der beiden Sklaventreiber auch – und Radu, sein Bruder, zieht immer brutalere Seiten auf. Die Angst geht um.
Foto: BR / Walter Wehner
Das Betteln gehört zur Vorweihnachtszeit wie der Christbaum zu Heiligabend. Sich für den Dezember-„Tatort“ den gesellschaftlichen Widersprüchen rund um das Fest der Nächstenliebe zu stellen, ist eine gute Idee. Thematisch ist „Klingelingeling“ interessant entwickelt. „Die haben vielleicht Probleme“, könnte man die Leitmayr-Batic-typischen Gags ums Wichteln und die Frage der Fragen für die beiden Singles, wie und mit wem verbringe ich Weihnachten, kommentieren, wenn man auf der anderen Seite sieht, wie das Leben für die aussieht, die nicht das Glück hatten in einem reichen Land in Westeuropa geboren zu werden. Dies wäre die wohlmeinende Haltung. Es gibt auch eine andere: So kommen beim Sehen gelegentlich Zweifel auf, ob dieser Mix aus ernsthaftem Themenfilm, Krimi und augenzwinkerndem Buddy-Movie immer den richtigen Ton trifft. Manchmal sieht es so aus, als ob die Running Gags um das vorweihnachtliche Gewese hier und da Verlegenheitslösungen sind, weil der Leerlauf bei den Ermittlungen der Kommissare irgendwie gefüllt werden muss. Ohnehin ist auch ihr kriminalistischer Beitrag eher unterdurchschnittlich. Der Zuschauer weiß viel mehr als sie und so hecheln die beiden der Handlung hinterher und auch in der Auseinandersetzung mit dem Bettlerclan bleiben sie stets nur die zweiten Sieger. Da muss dann beispielsweise Leitmayr sein Herz für Obdachlose entdecken und sich von ihnen auf Kaffee und Brötchen einladen lassen. In der Weihnachtszeit darf auch ein Krimi schon mal etwas gut meinender sein, aber in diesem Film von Markus Imboden („Mörder auf Amrum“) nach dem Drehbuch von Dinah Marte Golch („Tatort – Nie wieder frei sein“) entstehen solche Situationen nur, um das Ganze irgendwie zusammenzuhalten. Die Wirkung, die daraus entsteht, ist die einer extremen Kleinteiligkeit: Es passiert ungemein viel, aber so richtig geht nichts voran.
Foto: BR / Walter Wehner
Wie überflüssig die Kommissare für den Krimi und das Drama der beiden rumänischen Schwestern sind, macht bereits die Exposition mehr als deutlich. Um die Handlung der Rumänen zu erzählen, bedarf es etlicher Filmminuten. Da sich Golch und Imboden früh für eine Parallelschaltung der beiden Welten, deutsche Kommissare vs. rumänische Bettler-Realität, entschieden haben, wird nun der Zuschauer Zeuge ziemlich alberner Weihnachtsfeier-Gags: Da müssen Leitmayrs Mutter und ein Jimi-Hendrix-Gitarrenriff zur Belustigung herhalten und der Regisseur macht sogar auf Hitchcock (und zeigt sich gleich mehrmals im Bild). Solche Momente mit einer improvisierten Spontangeburt und der gewalttätigen Ausbeutung der Rumänen über den Filmschnitt kurzzuschließen, ist grenzwertig. Später sind die Kommissare vor allem dazu da, Fragen zu stellen, Fragen („Fragt sich, warum das Baby erstickt wurde“), die sich der Zuschauer in der Regel längst schon vor ihnen gestellt hat. Als Ermittlerkrimi überzeugt dieser „Tatort“ erst auf der Zielgeraden: so richtig klassisch spannend wird es in den letzten 20 Minuten. Als Themenfilm – auch wenn man manchmal den Eindruck hat, die Autorin wollte einige Rechercheergebnisse und Begriffe („Bayerisches Wegenutzungsrecht“) unbedingt im Film unterbringen – funktioniert dieser „Tatort“ schon sehr viel besser, und als Drama zweier junger Rumäninnen in einem fremden Land besitzt „Klingelingeling“ äußerst starke Momente. Die Angst, die Ohnmacht in den Augen der Frauen, ihre Blicke und der authentische Einsatz der Sprache (gebrochenes Deutsch, untertitelte Dialoge, unübersetzte Sätze, bei denen es allein auf die Emotionen ankommt) – das gibt dem Film Kraft, Intensität, Drive. „Authentizität“ ist eine Empfindung – Mathilde Bundschuh, Cosima Stratan und Florin Piersic als „Aufpasser“ gelingt es, dieses Gefühl beim Zuschauer immer wieder zu erzeugen. Und das ist eine umso größere Leistung, als dieser Wirkung doch so viel Banales im Weg steht. (Text-Stand: 28.11.2016)