Tatort – Her mit der Marie!

Krassnitzer, Neuhauser, Stipsits, Barbara Eder. Alles, was wir am „Tatort“ Wien lieben

Foto: ORF / Hubert Mican
Foto Volker Bergmeister

Im neuen „Tatort“ aus Wien, „Her mit der Marie!“ (ARD, ORF / Dor Film), bekommen es Moritz Eisner und Bibi Fellner mit der Unterweltgröße namens „Dokta“, üblen Strizzis und Bibis speziellem Freund „Inkasso Heinzi“ zu tun. Starke Typen in einer gut gebauten Story, die Barbara Eder sehr abwechslungsreich und lebendig inszeniert hat. Es geht um Freundschaft sowie Vertrauen und Misstrauen. Und das gilt auch für Moritz und Bibi. Er handelt eigenmächtig, sie verschweigt ihm einen wichtigen Hinweis und auch das schon überwunden geglaubte Alkoholproblem der Kommissarin scheint zurückzukehren.

Ein toter Fuchs liegt auf der Straße, ein Auto fährt achtlos drüber. Im Wagen sitzen zwei Wiener Strizzis, im Radio läuft ein alter STS-Song. Der Beifahrer zündet sich eine E-Zigarette an, der Fahrer spottet: „Bist Veganer?“. Auf einem Feldweg werden die beiden von einem maskierten Räuber überfallen, es fällt ein Schuss, der Fahrer stirbt, der Gangster flieht mit einer Tasche, zurück bleibt Pico Bello (Christopher Schärf). Der ruft seinen Boss an, der schickt Hilfe. Das Auto wird angezündet, der Leiche die Zähne zertrümmert, damit man sie nicht identifizieren kann. Dieses Bild bietet sich den Ermittlern der BK-Sonderkommission. Mühsam arbeiten sich Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) Schritt für Schritt voran: Was ist passiert? Wer ist der Tote? War es ein gezielter Mord? Bald stellt sich heraus, dass es der Geldbote vom „Dokta“ (Erwin Steinhauer) war, einem Wiener Großkriminellen („ein Strizzi vom alten Schlag, oberes Management“ charakterisiert ihn Oberst Ernst Rauter). Doch wer ist so lebensmüde, ausgerechnet den „Dokta“ zu berauben? Auch der will den Mörder finden und vor allem sein Geld. Da entdeckt Bibi ein Foto ihres alten Freundes „Inkasso Heinzi“ (Simon Schwarz), der in der Nähe des Tatorts von einer Überwachungskamera gefilmt wurde. Hat er etwas mit dem Mord zu tun? Bibi behält die Sache für sich. Doch Moritz kommt dahinter und findet bei Heinzi die Tatwaffe.

Tatort – Her mit der Marie!Foto: ORF / Hubert Mican
Wiener Strizzis unter sich: Inkasso Heinzi (Simon Schwarz), Pico Bello (Christopher Schärf), Marko Jukic (Johannes Krisch). Startet irgendwann das ganz große Ding?!

Es geht um Freundschaft, es geht um Vertrauen und Misstrauen in dem typischen Wiener „Tatort“-Krimi „Her mit der Marie!“. Die beiden Ganoven arbeiteten seit Jahren eng zusammen, der „Dokta“ will seine Geschäfte peu á peu an den jungen Pico Bello übergeben, zweifelt aber zunehmend, ob er ihm trauen kann. Und auch das Vertrauensverhältnis zwischen Bibi und Moritz wird auf eine harte Probe gestellt. Als sie „Inkasso Heinzi“ schützt und sogar bei sich beherbergt, sagt sie zu Moritz: „Es geht um Vertrauen und Freundschaft, das verstehst du nicht.“ „Danke, das hat jetzt richtig weh getan“, antwortet der tief getroffen. Kurz zuvor hatte er ihr noch offenbart: „Ich bin froh, dass ich dich hab“. Und sie: „Vergiss es halt bis morgen nicht wieder.“ Er hat zudem den Verdacht, dass Bibi wieder zur Flasche greift. Nicht zu Unrecht, denn in einer herrlichen Parallel-Szene, als beide Kommissare mit Einkaufswagen in Supermärkten unterwegs sind und miteinander telefonieren, greift die Kommissarin zum Sixpack Bier. Und als sie mit Moritz skypt, stellt sie die Flasche vorher zur Seite.

Kein anderer „Tatort“ von Luzern bis Dresden, München bis Köln arbeitet so konsequent mit Dialekt. „Siegst ned des Auto, das uns schon seit Schwechat dranpickt“, „Mei Marie muas wieda her, host mit“, „die Tschickstummeln hebst ma auf“. Hier leben die Charaktere stark von der Sprachfärbung. Das ist gut so. Man nimmt sie ihnen nicht – wie im Schweizer „Tatort“ – weg. Stefan Hafner und Thomas Weingartner, die auch schon zusammen den ORF-Landkrimi „Wenn du wüsstest, wie schön es hier ist“ geschrieben haben, der auch sehr dialekthaltig war, setzen auf Figuren, die zwischen Realität und Karikatur hin- und herschwanken. Die Dialoge sind punktgenau und teils herrlich pointiert. Die Story erweist sich zu Beginn als undurchsichtig, zunehmend wird sie klarer, bis zum Finale bleibt sie spannend.

Tatort – Her mit der Marie!Foto: ORF / Hubert Mican
Wie so oft ziemlich angefressen: Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) mit Bibi Fellner (Neuhauser) beim Verhör des Wiener Großkriminellen „Dokta“ (Erwin Steinhauer).

Wunderbar ist die Kameraarbeit von Matthias Pötsch. Manche Einstellungen gleichen einem Gemälde. Etwa wenn Bibi mit ihrem blauen Ford bei „Inkasso Heinzi“ auftaucht und sich die beiden vor seiner Werkstatt auf eine Bank setzen und Leberkässemmeln essen („Du verstehst mein Leberkäs-Dilemma: Eine ist immer zu wenig, zwei sind zu viel, drei für zwei, so hat es der Herrgott wollen“). Stilleben in Austria: der Putz bröckelt, am Türrrahmen ist Rost, ein schmuckloses Werkstattschild und mittendrin diese beiden – sie das Gegenteil einer Vorzeige-Polizistin, er ein kleiner Ganove, der vom großen Coup träumt, sich aber (bisher) nicht traut. Und als musikalische Klammer des Films der so sehnsuchtsvolle STS-Song „Irgendwann bleib i dann dort …“ über ein Leben im Süden, in Griechenland. Am Anfang nur ein Lied, am Ende bekommt es eine Bedeutung. Dass auch der Wiener Liedermacher Voodoo Jürgens als er selbst bei einem Grillfest des „Dokta“ singen darf, ist aber nicht mehr als ein Gag.

Nach der Episode „Virus“ (2017) ist „Her mit der Marie!“ der zweite „Tatort,“ den Barbara Eder („Thank You For Bombing“) inszeniert hat. Die Regisseurin zieht alle Register. Die Eröffnungsszene in karger Landschaft, die Tristesse Wiener Spelunken, das schillernde Rotlichtmilieu – das kommt alles stimmig rüber. Die Szenen der Razzien in den Lokalen des „Dokta“ zeigt sie mit rasanten Bildfolgen, harten Schnitten & Splitscreen im Schnelldurchlauf. Und was wären Wiener Krimis ohne die richtigen Typen. Erwin Steinhauer spielt den „Dokta“ mit Langhaarfrisur famos, Christopher Schärf als Pico Bello ist der verschlagene Emporkömmling, Johannes Krisch als Jukic der perfekte böse Bube. Und dann ist da ja noch Simon Schwarz: Lange musste man warten bis sein „Inkasso Heinzi“ wieder einen tragenden Part im Wiener „Tatort“ spielen durfte. In „Her mit der Marie!“ ist es endlich soweit.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

ARD Degeto, ORF

Mit Harald Krassnitzer, Adele Neuhauser, Thomas Stipsits, Hubert Kramar, Simon Schwarz, Christopher Schärf, Erwin Steinhauer, Maria Hofstätter, Johannes Krisch

Kamera: Matthias Pötsch

Szenenbild: Katrin Huber, Gerhard Dohr

Kostüm: Christine Ludwig

Schnitt: Christian Pilsl

Musik: Stefan Bernheimer

Redaktion: Bernhard Natschläger, Andrea Zulehner (ORF)

Produktionsfirma: Dor Film

Produktion: Danny Krausz, Kurt Stocker

Drehbuch: Stefan Hafner, Thomas Weingartner.

Regie: Barbara Eder

Quote: 8,33 Mio. Zuschauer (24,8% MA)

EA: 14.10.2018 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach