Während Eisner und Fellner mit ihrem Chef dessen 60. Geburtstag feiern, wird zeitgleich ausgerechnet das Patenkind jenes Ernst Rauter bei einem Zwischenfall im Chemiewerk des Wendler-Konzerns mit Flusssäure schwer verätzt. Die schwangere Frau stirbt wenig später – und hinterlässt einen verstörten Ehemann und einen fassungslosen Patenonkel. Obwohl ein Fall fürs Arbeitsinspektorat – bittet Rauter sein Kripo-Duo, in der Sache aktiv zu werden. Hat die Firma, die die Schutzkleidung herstellt, geschlampt? Ist es ein tödlicher Arbeitsunfall aus Profitgier? Oder steckt mehr dahinter? Das Wiener Zweigestirn ist anfangs wenig begeistert und entsprechend nur mäßig engagiert in dem Fall, in den der neue Geschäftsführer des Chemiewerks, Viktor Perschawa, Sabrina Wendler, Chefin der Schutzkleidungsfirma, und ihr Gatte, der für unzurechnungsfähig erklärte Psychiatrie-Insasse und Konzerneigentümer Peter Wendler, verwickelt sind. Und dann bekommen die Inspektoren doch noch ihren Mord…
Auf die gewohnte Betriebstemperatur hoch fahren die Wiener „Tatort“-Ermittler und deren Grimme-Preis-gekrönten Darsteller aber in keiner Minute ihres neuen Falls. „Gier“ ist der bislang mit Abstand schlechteste Krimi des österreichischen Premium(krimi)duos. Der Allerwelts-Whodunit beginnt gleich mit einer uninspirierten Parallelmontage – und dann hat ein nach alter Väterchen Sitte überkonstruierter Krimiplot das Wort. Die Dramaturgie mit stereotypen Verdächtigen, die allein dazu da sind, Zeit zu schinden, und mit bedeutungsschweren Momenten, die dem Film die Aura des Geheimnisvollen geben sollen, reicht allenfalls aus für ein 45-Minuten-Format. Das Mehrwissen des Zuschauers läuft ins Leere, Suspense ist für Autorin Verena Kurth, die immerhin einige Folgen von „Schnell ermittelt“ geschrieben hat, ein Fremdwort. Stattdessen erklären sich Figuren wie die Wendler-Gattin und der neue Geschäftsführer dialogreich die eigene Vorgeschichte, um den Zuschauer mit den nötigen Informationen zu versorgen. Das Beste an dem Drehbuch ist noch das Umkehrprinzip als Fundament des Handlungsverlaufs inklusive des augenzwinkernden Endes.
Foto: ORF / Petro Domenigg
Informationsvermittlung der besonders ungelenken Art:
Sabrina Wendler: „Er ist ein geistig abnormer Rechtsbrecher.“
Viktor Perschawa: „Weil wir mit einem Gutachten und meiner Zeugenaussage nachgeholfen haben.“
S.W.: „Er hat mich geschlagen, er hat mich die Treppe hinuntergeworfen.“
V.P.: „Du musst mich nicht überzeugen – ich weiß, was er getan hat.“
Krassnitzer und Neuhauser haben ungewohnt undankbare Rollen. Ihre ahnungslosen Ermittler müssen den kriminellen Ereignissen hinterher hecheln und ihr sonst so köstlich ätzender Beziehungstalk passt sich dem ungelenken Spiel ihrer Schauspielerkollegen an und war noch nie so fad wie in diesem, dem zwölften gemeinsamen Fall. Wiener Schmäh – Fehlanzeige. Und schlimmer noch: Krassnitzers Eisner wirkt fast wieder so bräsig wie zu Vor-Bibi-Zeiten. Dass dann auch noch der in internationalen Prestigeprodukten erfahrene Regisseur Robert Dornhelm („Krieg und Frieden“) diesen „Tatort“ steif inszeniert als sei ein Krimi ein verkapptes Melodram und dieser vorgestrige Whodunit große Oper, das macht „Gier“ zu einem – nicht im guten Sinne – sehr sonderbaren „Tatort“ aus Wien: Da werden simple Situationen filmästhetisch unverhältnismäßig dramatisiert, werden falsche Verdachtsmomente künstlich aufgebauscht, da wirkt die vermeintlich coole Variante der Splitscreen-Technik nur noch lächerlich. Das Ganze dann auch noch „Gier“ zu nennen, also einen schlecht gemachten Film mit einem Titel zu belegen und zu „bewerben“, der nahelegt, ein sozialtypisches Zeitphänomen thematisch zu beleuchten, ist ein klarer Fall von Etiketten-Schwindel und entspricht der Tendenz dieses Films, Banales prätentiös aufzudonnern. Von der unseligen materiellen Gier vermittelt der Film so gut wie nichts. (Text-Stand: 15.5.2015)