Tatort – Gebrochene Blüten

Götz George, Feik, Krößner, Martin & Hajo Gies. Die Coole & der Superbulle

Foto: WDR
Foto Tilmann P. Gangloff

„Gebrochene Blüten“, ein „Tatort“ aus dem Jahr 1988, fügt der Rubrik „Schimanski und die Frauen“ ein weiteres sehenswertes Kapitel hinzu: Ein scheinbarer Zufallsmord entpuppt sich als Racheakt an einem Mann, der in großem Stil Mädchen aus Thailand „importiert“ hat. Der Reiz des Films liegt im Mit- und Gegeneinander von Kommissar und Witwe; Renate Krößner spielte hier ihre erste große Rolle nach ihrer Ausreise aus der DDR. Dank der immer wieder überraschenden Geschichte und der vorzüglichen Bildgestaltung gehört der 16. Fall für das Duo Schimanski und Thanner zu den überdurchschnittlichen Krimis aus Duisburg.

Die Atmosphäre des Films erinnert an Ilse Hofmanns Krimi „Der Tausch“ (1986), eine sehr gute Schimanski-Episode. Bei „Gebrochene Blüten“ führte zwar Hajo Gies Regie, doch es gibt drei wichtige Parallelen. Kameramann Karl Kases sorgte hier wie dort für eine ungewöhnliche Bildgestaltung; die Lichtinseln für Götz George sind echtes Star-Kino. Die markante Musik von Dieter Bohlen, ein treibender Elektrorock, verleiht den Bildern zusätzliche Dynamik. Zentrales Musikmotiv ist ein Song von Chris Norman, „Broken Heroes“. Bohlen und der Ex- Smokie-Sänger hatten schon in „Der Tausch“ mit dem Lied „Mignight Lady“ für Emotionen gesorgt; in „Gebrochene Blüten“ gibt es diesen ikonischen Moment gleich zu Beginn.

Gies eröffnet den Film mit einer Aufnahme des Abendhimmels über Duisburg; Qualmfetzen treiben vor einer riesigen orange-roten Sonne. Dann ist es Nacht. In einem Bus ist ein Fahrgast scheinbar willkürlich von einem Ausländer erstochen worden. Und nun folgt eine jener Szenen, die enormen Anteil am Mythos der Schimanski-Filme haben: Manuela Prinz (Renate Krößner), die schockierte Witwe, steht einsam im nächtlichen Licht; sie trägt ein Tanzkleid und darüber eine Jacke. Schimanski lehnt derweil lässig am Bus; dazu erklingt „Broken Heroes“. Die Überhöhung dieses Moment durch Bildgestaltung und Musik lässt keinen Zweifel daran, worum es in den folgenden knapp neunzig Minuten gehen wird. Natürlich suchen Schimanski und Thanner (Eberhard Feik) den Mörder des Fahrgastes; aber im Grunde erzählen Gies und sein Bruder Martin (Buch) eine Liebesgeschichte. Die Ermittler gehen zwar von einer Zufallstat aus, doch Schimanski kommen bald erste Zweifel, zumal die Tat Manuela völlig kalt zu lassen scheint; am nächsten Tag geht sie ungerührt ihrer Arbeit in dem Tanzstudio nach, das sie gemeinsam mit ihrem Mann gegründet hat.

Tatort – Gebrochene BlütenFoto: WDR
Eberhard Feik, Götz George und Renate Krößner: Sie wurde durch den Kinofilm „Solo Sunny“ (1980) bekannt und war kurz vor dem „Tatort – Gebrochene Blüten“ aus der DDR in die Bundesrepublik übergesiedelt. Und sie wurde sofort zum Gewinn für ARD („Nordkurve“, 1993), ZDF („Angst“, 1994) und RTL (Bruder Esel“, 1996).

Der Film ist bereits 1986 entstanden; Renate Krößner, 1980 für die Titelrolle in Konrad Wolfs Drama „Solo Sunny“ bei der Berlinale mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet, war kurz zuvor aus der DDR ausgereist. Sie versieht die Tanzlehrerin mit einer maskenhaften Starre, die keinerlei Emotionen erkennen lässt. Dennoch oder gerade deshalb ist Schimanski umso faszinierter von dieser rätselhaften Frau, die erfolgreich an seine Beschützerinstinkte appelliert und im Verlauf der Geschichte gleich reihenweise für Überraschungen sorgt. Der Titel des Songs, der sich leitmotivisch durch Bohlens Filmmusik zieht und auch die übliche Abspannmusik ersetzt, sagt bloß die halbe Wahrheit: Norman singt nicht nur von „Broken Heroes“, sondern auch von „Fallen Angels“.

Zunächst jedoch scheint sich der Fall von selbst zu erledigen, denn der Mörder hat sich offenbar selbst gerichtet. Später stellt sich heraus, dass er Rache genommen hat: Der tote Prinz hat den Nachtclubbetreiber und Zuhälter Blatzer (Miroslav Nemec) regelmäßig mit „Nachschub“ aus Fernost versorgt; viele der Frauen waren noch minderjährig. Sein Mörder ist aus Bangkok; Prinz hatte Freundin und Schwester des Mannes nach Deutschland gelockt. Der Filmtitel bezieht sich auf die jungen Asiatinnen; der Tanzlehrer, dem niemand eine Träne nachweint, pflegte die zarten Blüten persönlich zu brechen. Ein Rätsel ist allerdings die Waffe, mit der sich der Thailänder erschossen hat: Sie ist vor vielen Jahren in einem Bundeswehrdepot gestohlen und kurz drauf bei einem Banküberfall mit Todesfolge benutzt worden; ein Detail, dem erst mal nicht viel Bedeutung beigemessen wird, das aber eine maßgebliche Rolle bei der verblüffenden Auflösung spielt.

Tatort – Gebrochene BlütenFoto: WDR
Tatort Duisburg – 40 Jahre Schimanski – Gesamtedition. Und hier geht’s zum TRAILER für dieses Fernsehjuwel für Nostalgiker!

Als Manuela einen Drohanruf erhält, überredet Schimanski sie, sich mit dem Anrufer zu treffen; offenbar erwartete Prinz eine neue „Lieferung“. Schimanski, Thanner und Hänschen (Chiem van Houweninge) überwachen die Ankunft der Thailänderinnen am Düsseldorfer Flughafen. Schimanski verfolgt Blatzer, die Kollegen den Transporter mit den Frauen; alle drei werden an der Nase herumgeführt. Die beiden Verfolgungsjagden sind angemessen inszeniert, allerdings wirbelt Thanner im Wortsinne viel zu viel Staub auf. Es gibt noch weitere Szenen, in denen Gies und George dem Affen Zucker geben. Eher überflüssig sind beispielsweise die Missgeschicke, die Schimanski des Öfteren unterlaufen. Sie passen schlicht nicht zu dem Bild, das Kases mit seiner Kameraarbeit entwirft, auch wenn sich die Gies-Brüder natürlich etwas dabei gedacht haben: Gerade noch hat Schimanski die Tanzlehrerin, die bis zum bitteren und effektvoll inszenierten Ende ein böses Spiel mit ihm treibt, beschimpft und bedroht, im nächsten Moment fällt er beim Rückwärtsgehen über ein Sofa.

Vielleicht soll die Tollpatschigkeit verdeutlichen, dass der vermeintliche Superbulle dieser Frau nicht gewachsen ist; jedenfalls nicht, solange er unter ihrem Bann steht. Andererseits macht Gies seine Hauptfigur auch mal zum dummen August, als Schimanski auf seine Armbanduhr schaut und mit derselben Handbewegung seine gerade erst dem Kollegen abgeschwatzte Pommesschale auskippt. Nicht unbedingt niveauvoller, aber lakonischer inszeniert ist eine Revierszene, in der die Kommissare diverse Frauen vernehmen, die in Sexclubs und Peepshows eingesammelt worden sind, und Thanner große Augen macht, als sich die exotische Jasmin Aphrodite als Theo Schmitz aus Erkenschwick entpuppt. Gegen Ende gibt es eine weitere übertriebene Schimanski-Szene, aber diesmal ist sie kein Fremdkörper: Als Blatzer endlich überführt ist, hechtet Schimanski über ein Geländer in das Schwimmbecken, in dem der Gangster seine Runden dreht, und packt den Kerl dort, wo’s besonders wehtut; dieser Moment ist Teil jeder George-Dokumentation. Davon abgesehen hat Gies seinen Star unverhohlen als Sexsymbol inszeniert: In einer Joggingszene rennt Schimanski mit offenem Jackenpulli am Rhein entlang, seine Turnhose ist ein besserer Slip. Apropos Body: In seiner ersten Rolle, sofern man den Miniauftritt so nennen kann, ist Ralf Moeller zu sehen (hier noch mit „ö“), wie er als Blatzers Handlanger Schimanskis Verfolgungsjagd beendet.

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Reihe

WDR

Mit Götz George, Eberhard Feik, Renate Krößner, Chiem van Houweninge, Ulrich Matschoss, Miroslav Nemec, Ralf Möller

Kamera: Karl Kases

Szenenbild: Götz Weidner

Schnitt: Claudia Minzloff

Musik: Dieter Bohlen

Soundtrack: Chris Norman („Broken Heroes“)

Produktionsfirma: Bavaria Fernsehproduktion

Drehbuch: Martin Gies

Regie: Hajo Gies

EA: 01.05.1988 20:15 Uhr | ARD

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