Die attraktive Mittvierzigerin Julia Marschner (Oana Solomon) wird morgens erwürgt neben einem Parkplatz in Leipzig-Mockau aufgefunden. Am Abend vorher hatte sie noch mit ihren Freundinnen Karmen Slowinski (Inga Busch) und Silvie Stein (Ursina Lardi) auf einer Ü40-Party gefeiert. Die Kommissare Eva Saalfeld und Andreas Keppler erinnert das Verbrechen an einen Jahre zurückliegenden Fall. Hat der „Würger von Mockau Ost“ wieder zugeschlagen? Sie begeben sich bei der Suche nach Julias Mörder in die Welt enttäuschter Großstadtsingles, die Angst haben, niemanden mehr abzubekommen. Ins Visier der Cops geraten neben dem schmierigen Flirtcoach Tom Römer (Marc Hosemann), der Julia helfen wollte, einen Partner zu finden, auch Schönheitschirurg Peter Hauptmann (Filip Peeters) und dessen Frau Annika (Victoria Trauttmansdorff). Auch Mike Satorius (Franz Dinda), Julias Schwiegersohn in spe, ist verdächtig, denn Julia wollte die Hochzeit ihrer Tochter Caro mit allen Mitteln verhindern. Warum? Saalfeld und Keppler geraten in ein Gestrüpp aus Lügen, Sehnsüchten und Ängsten. Julias größter Wunsch war es, einen Mann zu finden, der nicht nur für eine Nacht, sondern zum „Frühstück für immer“ bleiben sollte.
Katrin Bühlig, nicht nur versierte Krimi-Autorin („Bella Block“ und einige „Tatort“-Folgen), sondern auch ambitionierte und erfolgreiche Dokumentarfilmerin (2014 Grimme-Preis-Nominierung für „Restrisko“), hat mit „Frühstück für immer“ einen fährten- und wendungsreichen „Tatort“ geschrieben, ein Drehbuch voller lebenskluger und stimmiger Dialoge. Da wirken Sätze wie Pfeile, sind pointiert und treffsicher: „Frauen in dem Alter, wo sie kippen“, „Ihr stand die Not auf die Stirn geschrieben“, „er hat die richtige Hardware, er ist Schönheitschirurg, da gehen die Frauen freiwillig mit“. Nach neunzig, kurzweiligen Minuten endet dann alles poetisch in einem Zitat von Maxim Gorki: „Alles, was schön ist, bleibt schön, auch wenn es welkt. Und unsere Liebe bleibt Liebe, auch wenn wir sterben“.
Bühligs Figuren sind fein gezeichnet, vielschichtig. Die Frauen sind Getriebene, die Angst vor dem Älterwerden und Alleinsein hält sie im Griff. Die Männer in diesem Krimidrama sind ihre Begleiter, jeder auf seine Art: körperbewusst und sich seiner Jugend sicher, der eine (Franz Dinda als Mike); dominant, pervers und sich – weil als Schönheitschirurg auch „Heilsbringer“ – überlegen fühlend, der andere (gewohnt imposant: Filip Peeters als Peter). Dazu der schmierig-smarte Flirt-Trainer und Abschlepper Tom (Marc Hosemann), die vielleicht schwächste der Männerrollen. Die Frauen sind allesamt Verliererinnen: die verbitterte, betrogene Gattin; die von Eifersucht getriebene Geschäftsfrau (die wunderbare Ursina Lardi); das angstgeplagte und sich den Männern anbietende Opfer („sie wollte nicht einfach so verschwinden als Frau“); die Alleingelassene, die keine Kinder kriegen kann (stark gespielt von Inga Busch). Regisseurin Claudia Garde (ihr neunter „Tatort“) lässt ihnen allen viel Raum zum Spielen, verknüpft die Handlungsstränge geschickt, baut die Rückblenden weich und fließend in den Krimi ein. Und die Dritte im Bunde, Kamerafrau Birgit Gudjonsdottir, liefert dazu Bilder aus sämtlichen Perspektiven, bei ihr wirken selbst Diskoszenen lebensecht.
Dem Trio Bühlig/Garde/Gudjonsdottir ist ein trauriger Film gelungen. Eine beeindruckende Geschichte über vergängliche Schönheit, die Angst von Frauen jenseits der 40 vor dem Älterwerden und Alleinsein – in einer Gesellschaft, in der Schönheit und Jugend den Takt vorgeben. Beinahe ein wenig aus der Reihe fallen in dieser intensiven Verliererballade die Kommissare. Man könnte beinahe sagen: sie stören. Denn Thomalla kann bei all den starken Frauen kaum mithalten, und Wuttke wirkt zunehmend lustloser im Leipziger „Tatort“. Nun, das Ende des Duos ist ja für 2015 beschlossen, das war eigentlich längst überfällig. Zu wenig geben die Figuren der Eva Saalfeld und des Andreas Keppler noch her. Da hilft auch die vorsichtige Wiederannäherung des Ex-Paares nicht, die Bühlig in „Frühstück für immer“ andeutet. Und der Versuch, die Kommissarin in das Thema dieses „Tatort“ einzubinden, wird eher augenzwinkernd gelöst: „Ü40-Party, da darf ich noch nicht rein“, sagt Eva Saalfeld.