Thorsten Falke ist ein Straßenbulle. Er kennt das Milieu nur zu gut, denn er ist selbst in einem Hamburger Problemviertel aufgewachsen. Auch unter denen, die regelmäßig in der Stadt Autos abfackeln, hat er Informanten. Jetzt ist wieder ein Auto in Flammen aufgegangen. Doch dieses Mal kam eine Frau zu Tode. „Keine vorsätzliche Tat“, glaubt er. Die Ermittlungen gehen nur schleppend voran – auch weil Falke in keiner guten Verfassung ist. Sein Kollege und bester Freund seit Kindertagen wird Vater und hat sich in den Innendienst versetzen lassen. Falke fühlt sich verraten. Und dann muss er auch noch mit einer Praktikantin ermitteln. Katharina Lorenz ist Quereinsteigerin, eine Juristin, die im Branddezernat ihren ersten Job macht. Ein solcher Fall, bei dem man auf die Straße gehen muss, dauert. Aber Zeit haben die beiden nicht. Die Öffentlichkeit ist alarmiert, eine Bürgerwehr formiert sich, der Ruf der Polizei steht auf dem Spiel. Dann erarbeitet sich Falke einen wichtigen Hinweis.
Foto: NDR / Christine Schröder
Wotan Wilke Möhring spielt den zweiten neuen Hamburger „Tatort“-Kommissar in diesem Jahr. Sein Falke ist ein „guter Junge“, obwohl seine Herkunft auch unschwer einen Kriminellen aus ihm hätte machen können. Auf jeden Fall ist er einer, der nicht über Gebühr herumzickt. Also raufen sich Falke und seine junge Kollegin Katharina Lorenz recht schnell zusammen – und mehr noch: sie nähern sich durchaus menschlich und methodisch an. Denn Falke ist ein verträglicher Typ, kein Einzelgänger, kein einsamer Wolf, sondern einer (um im Bild des ersten Falles zu bleiben), der für Freunde durchs Feuer geht. „Feuerteufel“ ist ein Charakterkrimi, der seine beiden Ermittler sehr stimmig und stimmungsvoll einführt.
Atmosphäre und Authentizität werden groß geschrieben im Fernsehdebüt von Özgür Yildirim, der mit seinen wuchtigen Milieufilmen „Chico“ und „Blutzbrüdaz“ im Kino von sich reden machte. Wotan Wilke Möhring deutet bereits in vielen Szenen das Potenzial seiner Figur an. Bei ihm werden Vita und Backstory nicht aus dem Textbuch gespielt, vielmehr zeigt der Schauspieler in der Art, wie sich sein Falke verhält, wie er seine Gesichtsmuskeln zucken lässt und was für Situationen dieser in seiner Freizeit sucht, woher er kommt und wohin er im „Tatort“ gehen wird. Möhring stellt uns seinen Kommissar nicht vor, er lebt ihn. Petra Schmidt-Schaller als Katharina Lorenz bleibt wie ihrer Figur nichts anderes übrig als nur zu reagieren. Aber auch sie macht das nicht laut, sondern ebenfalls sehr fein nuanciert.
Foto: NDR / Christine Schröder
Wotan Wilke Möhring über Thorsten Falke:
„Er ist impulsiv, hält viel von Kameradschaft und ist sehr zuverlässig. Thorsten Falke ist in einem Prob-lem-Viertel von Hamburg aufgewachsen, in Billstedt, was man ihm in seinem ganzen Gestus auch noch anmerkt. Er ist jemand, der aus dem Bauch heraus agiert und entscheidet und sich auf seine Intuition verlässt.“
Dass bei so viel Charakterstärke der Fall etwas in den Hintergrund rückt, ja dass Story, Milieu und der geringe Ermittlungsspielraum auch dazu da sind, das Besondere von Thorsten Falke zu spiegeln, versteht sich von selbst. Diese dramaturgische Funktion eines Auftaktfalls wird nie sonderlich herausgestellt. Selbst wenn Falke zweimal auf seinen Sohn, der seinen Vater nicht kennt, angesprochen wird, besitzen diese Szenen sehr viel mehr als nur einen biographischen Informationswert. Auch wie er mit seiner Katze umgeht, dieser flauschigen Langhaarmieze, sagt einiges über den sensiblen Bauchbullen, mehr als viele Worte. Auch in solchen Momenten zeigt sich die Klasse von Markus Busch, bekannt durch seine zahlreichen Drehbücher für Dominik Graf. Aber auch die Dialoge sind nie bedeutungslastig, vor allem in den Szenen mit den jungen Darstellern habe er die Texte bewusst skizzenhaft angelegt. Busch: „Man muss in diesen Szenen sehr stark mit dem arbeiten, was die Schauspieler, die man besetzt, einem anbieten. Diese Szenen leben davon, dass die Jungs so sind, wie sie sind.“
Foto: NDR / Christine Schröder
Özgür Yildirim über den angestrebten Filmstil:
„Meine Vorstellung war es, den Film in Richtung Neo-Noir zu bringen und ihn wie diese Filme speziell aus den 70er- und 80er-Jahren zu erzählen, vor allem was den Umgang mit Schatten und Licht und Zooms angeht. Wir haben gesagt, es muss ein moderner Film Noir sein, ein Großstadtfilm – und es muss heiß sein. Aber es war leider nicht heiß, als wir gedreht haben, sodass wir das künstlich herstellen mussten mit Ventilatoren und Jalousien-Schatten und viel Licht von außen.“
„Feuerteufel“ ist anders spannend als ein konventioneller TV-Krimi. Der Zuschauer kennt den Schuldigen, sieht, wie dieser, ein junger Mann, der seiner Freundin imponieren möchte, von der tragischen Situation angetrieben wird zu weiteren unheilvollen Aktionen. Erst nach einer Stunde finden die beiden Erzählstränge der Kommissare und des jugendlichen Straftäters zusammen. Özgür Yildirim spricht denn auch von „Figuren, die wie in einem klassischen Ensemblefilmstil erzählt werden“. An diese fast episodische Dramaturgie hat der 33jährige Regisseur auch die Filmsprache angepasst. Die Kamera sucht stets das Extreme, den Gegensatz. Gleich zu Beginn lodern und flackern Flammen in Bild füllender Detailaufnahme; später leuchten die Lichter der Großstadt in kinohaften Totalen. Gespielt wird mit Licht und Schatten, mit rotstichigen Bildern, mit Sounddesign und Musik, die atmosphärisch flächig über den Szenen liegt. Dass die Bildebene aber nicht nur als Impulsgeber für den Zuschauer da ist, sondern dass sie auch sehr viel über die Protagonisten aussagt, zeigt vor allem die liebevolle Ausstattung. Fazit: ein ungewöhnlicher „Tatort“, realistisch, impulsiv, sinnlich – und ein Ermittler im Zentrum, an dem der Zuschauer noch viel Freude haben dürfte.