Ein „Tatort“ war’s nicht. Kommissar Brinkmann alias Karl-Heinz von Hassel hieß hier Klose, trug weder Fliege noch Stoppelhaar und hatte nur ein paar Kurz-Auftritte. Doch sei’s drum. Wer sich nicht allzu sehr davon irritieren ließ, dass ein noch nie vorher gesehener Kommissar a.D. und ein sechsjähriger Junge am HR-Tatort ermittelten, der konnte einen Krimi genießen, der von Autor/Regisseur Rainer Bär als lustvolle Kollision zweier Zeichenwelten angelegt wurde: kauziger Großvater contra Medien-Glamour; hier das weißgelackte Designer-Penthouse, dort der Mief des sozialen Wohnungsbaus. Ein sozialkritischer Film wurde nicht daraus, eher ein klassischer Kriminalthriller, der gut unterhalten sollte – und dies auch tat.
Die Krimi-Serie „Cooper“ ist ein Publikumsrenner. Ihr attraktiver Hauptdarsteller kann sich vor dem Ansturm weiblicher Fans kaum retten. Hauptkommissar a. D. Leo Felber lässt der Rummel um „Cooper“ kalt. Er ist vor 10 Jahren vorzeitig in Pension gegangen, weil er im Dienst in vermeintlicher Notwehr einen kleinen Kriminellen erschoss und dies nicht verkraftet hat. Momentan hat er seinen sechsjährigen Enkel bei sich. Der will eines Nachts gesehen haben, wie jener TV-Star in einer gegenüberliegenden Wohnung eine Frau umgebracht hat. Sein Großvater glaubt ihm kein Wort; doch dann wird eine junge Frau tot aufgefunden.
Fernsehstar leidet unter Superman-Image. Immer weniger vermag er, Film und Realität auseinanderzuhalten. Pikanterweise bekommt genau diese Diagnose der Junge, der Zeuge wird, wie sein Idol einen Mord begeht, von einem Polizeipsychologen verpasst. Ebenso beiläufig, wie hier Medienkritik in ein Trivial-Genre geschmuggelt wird, schwenkt die Kamera über die Auslagen der Cooper-Collection: Slips, Schuhe, Sakkos, Videos. Ein eindrucksvolles Bild dafür, was der Cooper-Darsteller psychologisch alles mit sich herumschleppen muss.
Überhaupt besticht der Film durch seine Genauigkeit in der Beobachtung und sein Spiel mit (Kamera-)Perspektiven. Opa und Enkel beim täglichen Versteckspiel-Ritual. Offene Türen & eine neugierige Kamera machen die Topografie des Hauptschauplatzes anschaulich; der Mörder kann kommen. Ein Thriller wie aus dem Lehrbuch, der aber nie kalt berechnend wirkte. Dafür sorgten schon allein der kindliche Held, skurrile Typen wie Heinz Schubert („Ein Herz und eine Seele“) oder Dominique Horwitz („Der kleine Vampir“) und das muntere Spiel um Zufälle, Spielzeugpistolen und andere Attrappen. (Text-Stand: 19.2.1995) Nachtrag: Der Zahn der Zeit hat etwas an diesem Krimi genagt. Zeit(geist)geschichtlich interessant!