Tatort – Der Wald steht schwarz und schweiget

Folkerts, Hoppe, Lau, Dorothee Schön, Ed Herzog. Geiselnahme in freier Wildbahn

Foto: SWR / Peter A. Schmidt
Foto Rainer Tittelbach

Lena Odenthal steht im Wald – in der Gewalt von fünf jugendlichen Straftätern, deren Resozialisierungsmaßnahme gescheitert ist. „Tatort – Der Wald steht schwarz und schweiget“ setzt auf eine gute Ausgangsidee, muss dann aber der political correctness Rechnung tragen. Der Plot schwankt zwischen Bedrohung und Aufklärung, zwischen Spannungsfilm und Resozialisierungsdrama. So musste Ed Herzog weitgehend auf die Mythologie des Waldes, auf filmische Atmosphäre, auf Gruppen- und dramaturgische Mikrodynamik setzen.

Ein lebloser Körper am Fuß eines Felsens im Pfälzer Wald. Kopper informiert Lena Odenthal, die in der Nähe unterwegs ist und schon mal vorausfährt. Doch eine Leiche kann sie nicht entdecken. Stattdessen wird sie niedergeschlagen und befindet sich alsbald in der Gewalt von fünf jungen Männern. Ein Erziehungscamp einer Resozialisierungsmaßnahme für jugendliche Straftäter ist offenbar aus dem Ruder gelaufen. Kopper spürt, dass bei Lena etwas nicht stimmt. War der vermeintliche Tote tatsächlich nur ein Betrunkener? Und was bedeutet „Gib Frau Lesieg Bescheid“? Lesieg?… Geisel! Kopper setzt den Polizeiapparat in Gang. Ein nahendes Unwetter bringt alles durcheinander – die Pläne der Jugendlichen, die nach Frankreich wollen, die Suchtrupps, die die Gegend durchkämmen. Die Spuren verwischen. Und die fünf jugendlichen Straftäter sind sich in ihrem Unterschlupf zunehmend uneins – was die Lage für Lena Odenthal nicht ungefährlicher macht. Besinnen sich die Jungs noch aufs Motto des Camps? „Azok“ – Alle zusammen oder keiner! Oder läuft einer Amok?

„Tatort“ ist die Krimi-Reihe mit der größten regionalen Verpflichtung – aber auch als Seismograph für heimische Befindlichkeiten und als ein Spiegel Deutschlands wird sie immer – vor allem von den Machern – gepriesen. Da darf der deutsche Wald als Location nicht fehlen. Dennoch bleibt er unterrepräsentiert. Die Bayern, Borowski und die Bodensee-Ermittler stehen öfters mal im Wald – der Odenthal-Kopper-„Tatort – Der Wald steht schwarz und schweiget“ spielt fast ausschließlich in einer dieser ganz eigenen Pflanzenformation, im Pfälzer Wald, dem größten Waldgebiet Deutschlands. Diese gute Ausgangsidee, Geiselnahme in freier Wildbahn, ergibt Ermittlerkrimi-unübliche Fragestellungen. Der Blick auf die Interaktionen in der Gruppe, auf die Ursache des vermeintlichen Verbrechens rückt stärker in den Mittelpunkt. Auch die Frage der Gefahr für Lena Odenthal stellt sich – aber nicht übermäßig: diese Jungs haben alle „reichlich Scheiß gebaut“, aber vorsätzliche Mörder sehen anders aus. Von daher schwankt der Film zwischen Bedrohung und Aufklärung, zwischen Spannungsfilm und Resozialisierungsdrama. Die Möglichkeiten des Genres werden nicht ausgeschöpft, weil sich Autorin Dorothee Schön die Sozialdrama-Schlusswendung offen hält. Hätte man ein, zwei extremere menschliche Zeitbomben in die Gruppe integriert, hätte der SWR wahrscheinlich Sorge um die political correctness der Geschichte gehabt und die Plausibilität des Ganzen (leider eines der Hauptqualitätskriterien des „Tatort“-Zuschauers) hätte wohl noch mehr gelitten. Spannender wäre der Film sicher gewesen.

Tatort – Der Wald steht schwarz und schweigetFoto: SWR / Peter A. Schmidt
Kopper (Andreas Hoppe) setzt alle Hebel in Bewegung, um die verschleppte Lena zu finden…

Ed Herzog über die visuelle Ästhetik des Films:
„Es sollte eine frostige Atmosphäre herrschen. Deshalb haben wir auf Kunstlichtmaterial gedreht, das eigentlich für wärmeres Licht gedacht ist und mit dem wir einen kühlen Ton erreichen konnten. Und wir haben die Farbpalette relativ schmal gehalten, darauf verzichtet, die Figuren über unterschiedliche Kostüme zu charakterisieren. Es ging um eine Gruppe, in der für Lena erst einmal alle gleich sind.“

So musste Ed Herzog weitgehend auf die Mythologie des Waldes (als Gegenspieler des Menschen), auf Atmosphäre, auf Gruppen- und dramaturgische Mikrodynamik setzen. Das mobile Drehen mit zwei Kameras macht sich gut, auch die „große Lust, die Physis stärker spürbar zu machen, als das sonst im ‚Tatort’ möglich ist, die Anstrengung zu zeigen, den Schmutz und den Schweiß“, so Herzog, ist deutlich spürbar. „Der Wald steht schwarz und schweiget“, den Filmtitel dem „Abendlied“ von Matthias Claudius zu entnehmen – auch das passt stimmig ins Bild dieses Waldkrimis, der nicht wirklich spannend ist (deshalb bekommt das Sounddesign besonders viel zu tun), der ohne die Zwänge der „Tatort“-Reihe wohl stärker wäre, der aber dennoch eine willkommene Abwechslung vom Whodunit-Einerlei ist.

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Reihe

SWR

Mit Ulrike Folkerts, Andreas Hoppe, Frederick Lau, Adrian Saidi, Edin Hasanovic, Thomas Lemarquis, Theo Trebs, Heidemarie Brüny

Kamera: Andreas Schäfauer

Schnitt: Isabelle Allgeier

Produktionsfirma: Maran Film

Drehbuch: Dorothee Schön

Regie: Ed Herzog

Quote: 8,37 Mio. Zuschauer (24,6% MA)

EA: 13.05.2012 20:15 Uhr | ARD

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