Der neue HR-„Tatort“ beginnt wie ein launiger Sketch zum Thema Globalisierung. Ein Chinese und ein Russe treffen sich im Frankfurter Airport-Hotel. Es ist spät. Sie trinken und torkeln, lachen und lallen. Die Bar ist leer. Im Fitness-Raum wollen die Geschäftsmänner ihren Alkohol ausschwitzen. Wenig später ist der Chinese tot, sein Kehlkopf zertrümmert, eine Hantelstange auf der Brust. Ein anderer Chinese findet ihn. Kein Business-Profi wie der Tote, sondern ein Namenloser aus den Reihen einer Putzkolonne, der dem Opfer aufs Haar gleicht.
Für Charlotte Sänger und Fritz Dellwo ist es ein extrem schwieriger Fall: ein halbnackter Mann ohne Pass, ohne Flugticket und dann noch ein Chinese! 600 Landsleute bevölkern das Flughafenhotel, in dem ein Handelskongress stattfindet. Der Kongress- und der Hotelmanager halten sich vornehm zurück, es mangelt an Dolmetschern, die Kommissare sind überfordert. Außerdem kriselt es zwischen den beiden. Dellwo zieht bei Sänger aus, während sie am fünften Jahrestag der Ermordung ihrer Eltern an nichts anderes als die Bluttat denken kann.
„Der tote Chinese“ spiegelt die schöne, neue Businesswelt. Der Flughafen als der ultimative Ort der weltumspannenden Postmoderne. Großspurigkeit, wohin das Auge reicht. Doch so schön wie Design und Styling ist das, worauf Sänger und Dellwo bei ihrem 14. Fall stoßen, nicht. Irgendwo im kalten Frankfurt steht ein Container mit chinesischen Flüchtlingen. Für die Kommissare wird die Ermittlung zum Wettlauf mit der Zeit. Je mehr sich herauskristallisiert, dass internationale Menschenhändler ihre Hand im Spiel haben, umso mehr verliert der Look der großen weiten Welt an Glanz. Auch Regisseur Hendrik Handloegten fährt die grandiose Ästhetisierung der ersten Hälfte des Films zunehmend zurück. Das ist konsequent – und zugleich schade. Eine so erlesene Optik wie in den Flughafen-Szenen, so extravagante Bild-Ausschnitte und ungewöhnliches Licht, bekommt man selten zu sehen in einem Fernsehfilm.
Foto: HR / Bettina Müller
Da bedarf es starker Schauspieler, um zu bestehen. Auch die hatte der Grimme-Preisträger zur Verfügung: klar und kühl agieren neben Andrea Sawatzki und Jörg Schüttauf auch Matthias Brandt und Johanna Wokalek. Eindrucksvoll auch die beiden kleinen Gangster, deren Handeln die ganze Tragik ihres jämmerlichen Daseins zeigt: Andreas Schmidt und Thorsten Merten bringen Verzweiflung und Brutalität gleichermaßen zum Ausdruck. Auch wenn die Krimispannung wegen allzu vieler Fragezeichen zwischenzeitlich zum Erliegen kommt – es sind die tieferen Wahrheiten der Geschichte, die Details, die stimmungsvollen Bilder, die diesen „Tatort“ außergewöhnlich machen. (Text-Stand: 28.12.2008)