Tatort – Der Fall Schimanski

Götz George, Feik, Maranow, Rohde, Hajo Gies. Ein Fernsehmythos meldet sich ab

05.04.2025 21:45 WDR
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„Der Fall Schimanski“ ist der legendäre (Vorerst-)Abgang des legendären „Tatort“-Ermittlers. Der integre Großstadt-Cowboy gegen den Rest der Welt. Keine andere deutsche Krimifigur regte so sehr zur Mythen-Bildung an wie Horst Schimanski, der „Ruhrpott-Rambo“ mit Schmuddeljacke und „Scheiße“ auf den Lippen. Am Ende zieht er die Reißleine, schwingt sich mit einem Flugdrachen auf – und lässt die kaputte Wirklichkeit hinter sich. Er will sich nicht länger aufreiben lassen von den starren Institutionen & bürokratischen Kleingeistern.

Schimanski geht unter die Camper. Nicht weit von Duisburg macht er es sich auf einem Campingplatz gemütlich – zusammen mit der liebeslustigen Corinna, von der er so gut wie nichts weiß, außer dass sie verheiratet ist. Nachdem sie von einem Rüpel namens Pfeifer bedroht wurde und sie nach Schimanskis Einschreiten plötzlich verschwunden ist, steckt der Kommissar bereits tiefer im Schlamassel, als er ahnt. Für ihn ist nur seine Jacke zerrissen; er fordert Schadenersatz und seine Corinna wird schon wieder auftauchen… Doch offenbar war das Ganze ein abgekartetes Spiel höheren Orts. Schimanski nimmt Geld von Pfeifer für den entstandenen Schaden an – und wird wenig später der Bestechlichkeit beschuldigt und vom Dienst suspendiert. Als ihm sogar ein Mord untergeschoben wird, bleibt ihm nichts anderes übrig, als auf eigene Faust zu ermitteln. Dabei muss er sich Angriffen an zwei Fronten erwehren: zum einen ist da die Behörde, sind die Kollegen, die an Schimanskis Integrität zweifeln; zum anderen ist da das Syndikat, das den Ex-Bullen zum Abschuss frei gibt.

„Der Fall Schimanski“ ist der legendäre (Vorerst-)Abgang des legendären „Tatort“-Ermittlers. Keine andere deutsche Krimifigur regte so sehr zur Mythen-Bildung an wie jener Horst Schimanski, der „Ruhrpott-Rambo“ mit Schmuddeljacke und „Scheiße“ auf den Lippen. Weil die Drehbücher immer schlechter wurden, machte Götz George 1991 Schluss mit Schimanski, bevor sein Kult-Bulle 1997 als Privatier ohne feste Dienstmarke wieder auf Verbrecherjagd gehen sollte. Der WDR gönnte sich und seinem Star einen außergewöhnlichen Krimi zum Abschluss, einen spielerischen Abgesang auf einen Fernsehmythos, an dem sich die Autoren lustvoll abarbeiten durften. Schauspieler/Figuren aus den Ausnahme-Filmen „Duisburg-Ruhrort“ oder dem Grimme-Preis-gekrönten „Moltke“ wurden in die eher launige als spannende Intrigen- und Verschwörungsstory eingebaut und sogar ein „Tatort“-Kollege, Max Palu alias Jochen Senf, tauchte in der selbstreferentiellen Episode auf. Götz George durfte noch einmal alle Eigenheiten seiner Figur, die er 29 Mal unter dem „Tatort“-Dach verkörperte, mit leichter Ironie und ohne Realismus-Anspruch zum Besten geben. Mit Frittenschale tapst er ins Gourmet-Restaurant, sein Markenzeichen, seine Jacke, wird ihm zum Verhängnis – und natürlich auch seine Männlichkeit. Der elende Spießer Thanner, der ihm in dieser letzten Folge auch mehr oder weniger in den Rücken fällt, hat es ja immer schon gewusst: „Horst, eines Tages wirst du über deinen eigenen Schwanz stolpern.“ Aber dieser Corinna (jung, schön, sexy: Maja Maranow) kann er nun wirklich nicht widerstehen.

Am Ende zieht er selbst die Reißleine, schwingt sich zur scheußlichen Musik von Dieter Bohlen mit einem Flugdrachen auf – und lässt das kaputte Duisburg, die korrupten Institutionen und die verdammte Bürokratie (unter sich) zurück. „Ich hab’ einfach keinen Bock mehr, ich hab’ die Schnauze voll“, sagt er & quittiert den Dienst. Nach Frankfurt/Oder in den Innendienst wollte man ihn abschieben und Kollege Jahnke setzte noch einen drauf: „Im Osten können Sie vielleicht mit ihrer komischen Jacke noch Eindruck machen.“ Den deutschen Zuschauern, die sich anfangs heftig an der rüden Sprache des Kumpel-Kommissars gerieben haben, ruft er ein dreifaches „Scheiße!“ entgegen. Ein Abgang nach Maß, ein bisschen schräg (für die frühen 90er Jahre) und zugleich offen für eine mögliche Fortsetzung. Für den heutigen Zuschauer mag das alles – wie die meisten der 80er-Jahre-Schimanskis – ziemlich brav bebildert und unbedarft, allzu szenisch inszeniert aussehen, dramaturgisch und genretechnisch ist „Der Fall Schimanski“ dennoch ein Stück Fernsehgeschichte.

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Reihe

WDR

Mit Götz George, Eberhard Feik, Chiem van Houweninge, Maja Maranow, Armin Rohde, Peter Fitz, Lola Müthel, Alexander Radszun, Ulrich Matschoss, Gerd Silberbauer, Brigitte Janner, Jochen Senf

Kamera: Michael Faust, Hans Zinner

Schnitt: Rolf Basedow, Felicitas Lainer

Musik: Dieter Bohlen

Soundtrack: Bonnie Tyler („Against the Wind“)

Produktionsfirma: Bavaria Fernsehproduktion

Drehbuch: Axel Götz, Thomas Wesskamp

Regie: Hajo Gies

EA: 29.12.1991 20:15 Uhr | ARD

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