„Uf Wiederluege“ sagt man in der Schweiz, wenn man Abschied nimmt. Das gilt für Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer). Die Luzerner Kommissare lösen ihren letzten Fall im „Tatort – Der Elefant im Raum“. Seit 2010 („Skalpell“) waren die beiden Eidgenossen zweimal pro Jahr am Sonntag im Einsatz. Sie hatten es nicht leicht: Bei den Zuschauern kamen sie nicht sonderlich gut an, die Einschaltquoten waren eher mau. Bei den Kritikern fielen sie – von Dany Levys gelungenen Experimenten „Die Musik stirbt zuletzt“ und „Schmutziger Donnerstag“ abgesehen – meist wegen der zähen Erzählweise durch. Und die miese Synchronisation (das Original lief in Schwyzerdütsch) war ein ständiger Aufreger.
Zum Finale hat man Liz Ritschard eine tropfende Nase verpasst, sie liegt mit einer Erkältung im Bett und verlässt nur dick vermummt und hustend das Haus. Kollege Reto Flückiger muss dorthin, wo er sich am unwohlsten fühlt: In die Welt der Reichen und des Geldes. Reto nimmt als Begleiter seiner Freundin Eveline („jetzt bist du mal in meiner Welt, das wird sicher lustig“) an einem feinen Dinner auf einem Raddampfer auf dem Vierwaldstättersee teil. Luzerns Elite aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft feiert. Als einer der Gäste für einen verbalen Eklat sorgt und hinausgeworfen wird, kommt Retos Spürnase zum Einsatz. Er geht dem Mann nach, wird kurz darauf von hinten niedergeschlagen. Als er erwacht, herrscht an Bord Panik. Jemand hat Leuchtmunition in den Speisesaal geschossen und die Türen von außen verriegelt. Lichtblitze, Rauch, zerbrochene Scheiben sind die Folge. Und es gibt einen Toten: der Kapitän bricht zusammen und stirbt. Ein Anschlag? Aber wem galt der? Von dem hinauskomplimentierten Passagier fehlt jede Spur. Es handelt sich um Bernhard Ineichen (Martin Hug), einen stadtbekannten Kantonsrat. Ist er der Täter oder wurde er selbst Opfer des Anschlags? Und warum wird Flückiger das Gefühl nicht los, ständig beobachtet zu werden? Dahinter steckt das aggressive Newsportal „Veritas News“, dessen zwielichtiger Chef Frédéric Roux (Fabian Krüger) wohl weit mehr von den Geschehnissen an Bord weiß, als er zugeben will. Er treibt Reto vor sich her, provoziert ihn, bis dieser zuschlagt und in die Schlagzeilen gerät. Anscheinend geht es um eine Verschwörung bei der Aufdeckung von Rüstungs-Geschäften, die das Luzerner Establishment und vor allem die beteiligte Firma um jeden Preis verheimlichen will? Dann wird es immer heikler: Eugen Mattmann (Jean-Pierre Cornu), Flückigers Chef, gerät in den Fokus. Und Reto gibt seine Dienstmarke samt Waffe ab.
Foto: Degeto / SRF / Daniel Winkler
Ein kaum zu durchdringendes Dickicht aus Mord, Fake News und Intrigen bis in die allerhöchsten Ebenen haben die Autoren Felix Benesch und Mats Frey den Ermittlern zu ihrem Abschied entworfen. Benesch hat bereits die Folgen „Hanglage mit Aussicht“ und „Zwei Leben“ (gemeinsam mit Frey) geschrieben, Es geht um Glaubwürdigkeit staatlicher Akteure, Verflechtungen zwischen Politik und Polizei und ein gehöriges Maß Medienschelte. Das alles hat man schon des öfteren ganz ähnlich erzählt bekommen. Ein besonderer narrativer Kniff fehlt, und die Milieu- und Typenzeichnung hat deutliche Schwächen. Die Waffenhändler agieren seltsam hölzern, der Newsportal-Boss ist eine krude Mischung aus Provokateur und Aufklärer, erfüllt so ziemlich jedes Klischee, das man von einem Reporter auf Sensationsjagd hat. Wenn diese beiden Ebenen nicht funktionieren, keine Glaubwürdigkeit haben, dann ist es schwer, den Krimi im Schwung zu halten. Regie führt Tom Gerber, der fürs Fernsehen bisher sechs Folgen der deutsch-Schweizer TV-Serie „Der Bestatter“ gedreht hat. Seine Inszenierung ist eine gewisse Dichte nicht abzusprechen, der Erzählfluss stimmt und am Ende gönnt man Reto auch noch ein Actionfinale. Und wenn danach die Schwarzblende kommt, dann lohnt es sich, noch nicht auszuschalten. Es kommt noch was… Und ganz am Ende dieses Krimis löst sich dann auf witzige Weise auch auf, warum Liz Ritschard im Krankenstand den Billy-Wilder-Klassiker „Manche mögen’s heiß“ guckte. Ein gelungener Schlussgag.
Die plakative Story und die Erklär- und Belehrdialoge im Stile von „Irgendwann kapieren die Leute, was ihr für Spielchen treibt, dann stürzen sie euch vom Thron“ führen dazu, dass der Abschied von Reto und Liz nicht sonderlich schwer fällt. „Uf Wiederluege“, Delia Mayer und Stefan Gubser. Vielleicht haben Eure Nachfolger Anna Pieri Zuercher (als Kommissarin Isabelle Grandjean) und Carol Schuler (als Fallanalytikerin Tessa Ott) mehr Glück mit den Drehbüchern, vielleicht bietet Zürich einen besseren Schauplatz und vielleicht löst man in der Schweiz 2020 auch das Problem mit der Synchronisation.