Mittlerweile duzen sich die beiden Kommissare aus Stuttgart. Letztes Jahr wurden sie noch als klassisches Gegensatzpaar in die „Tatort“-Galerie eingeführt. Weshalb Richy Müllers Instinktbulle auf einsamer Wolf macht – dieses Geheimnis wurde im März gelüftet: bei einem Undercover-Einsatz verlor Thorsten Lannert Frau und Kind. Seither hat sich das Verhältnis zwischen ihm und dem Familienmenschen Sebastian Bootz verändert: es ist mehr Sympathie im Spiel, es gibt keine Alleingänge mehr, die beiden sind bestens eingespielt. Gute Voraussetzungen also für den vierten Film – Titel: „Das Mädchen Galina“.
Gleich zu Beginn befinden sich Lannert und Bootz in einer brenzligen Situation, in der sie sich 100%ig aufeinander verlassen müssen. Ein nächtlicher Notruf führt sie in ein Appartement. Eine junge Prostituierte liegt tot auf dem Bett – erstochen. Sekunden später liegt auch Bootz im eigenen Blut. Ein Unbekannter hatte auf die Beamten gefeuert und Bootz angeschossen. Der Schütze kann flüchten, auch die Leiche verschwindet. Erste Ermittlungen ergeben zwei Verdächtige: den Zuhälter Wolf Zehender und den Politiker Bertram Högele. Der eine will in die Landespolitik, der andere träumt vom Edelbordell.
Das ungleiche Paar, der eine aus der begehrten Killesberger „Halbhöhenlage“, der andere aus dem Rotlichtmilieu, sind nicht die einzigen Verdächtigen in der Geschichte. Autor Stephan Brüggenthies hat viel hineingepackt in diesen typischen Whodunit-Krimi: ein Familiendrama zeichnet sich ab, die Verlogenheit der feinen Gesellschaft wird angedeutet, die wohl kalkulierte Tauschbeziehung in einer Politiker-Ehe wird ausgestellt und die sexuelle Ausbeutung junger Mädchen aus dem Osten, die sich aus den Reihen ihrer Freier den rettenden Ritter erhoffen, einmal mehr ins Zentrum eines Krimis gestellt. Grimme-Preisträger Thomas Freundner hat die eher durchschnittliche Vorlage mit der sichtbaren Lust an der Aktion, mit Humor und mit vielen kleinen emotionalen Zwischentönen angereichert. Dass bei den Schauspielern große Namen fehlen, ist kein Manko. Es erhöht sogar die Glaubwürdigkeit.
Richy Müller und Felix Klare spielen sich mit „Das Mädchen Galina“ auf der Sympathie-Skala der „Tatort“-Kommissare weiter nach oben. Einmal mehr überzeugt Margarita Breitkreuz als Edelprostituierte mit den vielen Gesichtern. Auch die Damen an Lannerts und Bootz Seite durften sich dieses Mal besonders auszeichnen. Die Staatsanwältin ist endlich mal eine, die nicht immer ihren Ermittlern in die Parade fährt. Carolina Vera spielt das mit so viel beiläufiger Erotik, dass man sich fragen muss, wann der Zwischen-den-Zeilen-Leser Lannert endlich drauf reagiert. Miranda Leonhardt als Kriminaltechnikerin, die sich als „Laufmädchen“ missbraucht fühlt, bekam sogar die intensivsten Szenen des Films. Zwischen ihrer Nika, einer in Deutschland geborenen Kroatin, und dem kroatischen Bruder der Ermordeten kommt es zum Gleichklang der Gefühle. Da wird in zwei Minuten einiges davon vermittelt, was es heißt, in einem „fremden“ Land zu leben und unter Menschen zu arbeiten mit anderer Mentalität, die nicht bereit sind zu sehen, wer man ist. (Text-Stand: 21.6.2009)