Der angesehene Bauunternehmer Alwin Breuke (Friedrich Schütter) steckt gleich mehrfach in der Bredouille. Seine Frau (Ruth-Maria Kubitschek), auf deren Namen die Firma läuft, hat offenbar herausgefunden, dass er seit längerem eine Affäre hat. Und sie weiß auch, dass er nach seiner Rückkehr vom übereilt abgebrochenen Liebeswochenende vorsätzlich mit seinem Auto die Einfahrt gerammt hat. Breuke hat in der Nacht einen Radfahrer überfahren. Mit dem selbst verursachten Blechschaden will er den Unfall, seine Fahrerflucht und unterlassene Hilfeleistung vertuschen. Dass statt seiner ein unschuldiger junger Mann (Volker Eckstein) der Tat verdächtigt wird, interessiert Breuke wenig. Als sich das Delikt zur fahrlässigen Tötung auswächst und der wohlhabende Breuke mehrfach von derselben Person erpresst wird, sitzt dem Bauunternehmer die Angst mehr und mehr im Nacken. Von der heimlichen Liaison seines Ingenieurs Seidel (Götz George) mit seiner Frau, weiß Breuke zunächst nichts. Für den aus Kiel zum Fall hinzugezogenen Kommissar Finke (Klaus Schwarzkopf) ist das schwer zu glauben, denn als Seidel ermordet aufgefunden wird, sprechen alle Indizien gegen Breuke.
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So schnell kann es gehen. Einmal kurz nicht aufmerksam gewesen – und schon steht man vor einem Abgrund. „Blechschaden“ (1971) ist der erste „Tatort“ der sechs legendären Krimis, mit denen sowohl Regisseur Wolfgang Petersen und Drehbuchautor Herbert Lichtenfeld als auch Klaus Schwarzkopf (der noch einen weiteren „Tatort“ drehte) als Kommissar Finke in den 1970er Jahren Fernsehgeschichte geschrieben haben. Der Film dauert 105 Minuten und die Kommissare tauchen erst in der 30. Minute auf. Das ist typisch nicht nur für die Finke-Fälle. Ganz häufig wurde im „Tatort“ der ersten zwei Jahrzehnte der Zuschauer mit dem „kriminellen“ Milieu vertraut gemacht, bevor es ans Ermitteln ging. Das war dem Drama-orientierten Fernsehspiel geschuldet und wirkte – aus heutiger Sicht – im Ergebnis oft etwas umständlich, insbesondere dann, wenn der Fall für den krimierprobten Zuschauer relativ schnell durchschaubar und der Täter ersichtlich war. Bei den Finke-Fällen aus Schleswig-Holstein war das anders. Schon zum Einstand gelang Autor Lichtenfeld eine komplexe Geschichte, die wie eine alltagsnahe Tragödie gebaut ist, die die Entstehung der ersten Tat akribisch zeigt und dadurch eine vortreffliche, antizipierend spannungsreiche Exposition schafft. Die ohnehin dichte Erzählung wird noch dadurch erhöht, dass der Zuschauer gegenüber den spät in die Handlung einsteigenden Kommissaren einen Informationsvorsprung besitzt – was auch dazu führt, dass man genug Zeit hat, das Wesen der Finke-Figur zu lesen: der fühlt sich sichtlich unwohl in der Pampa, der hat es nicht so mit der Spurensuche und noch weniger mit den norddeutschen Kleinstadthonoratioren, dafür mehr mit feiner Ironie. Schließlich gibt es noch ein klassisch durch Mord zu Tode gekommenes Opfer. Nach der Verkettung unglücklicher Zufälle und nach den mehr oder weniger ausgespielten Dramen um den Täter und einen zu Unrecht Verdächtigten macht Lichtenfeld aus „Blechschaden“ erst zur Halbzeit einen typisch (Ermittler-)Krimi und setzt den Whodunit quasi oben drauf.
Auch die Leistung von Wolfgang Petersen ist nicht nur für „Blechschaden“, sondern für den „Tatort“ und das Fernsehspiel der 70er Jahre nicht hoch genug einzuschätzen. Die suggestive Art, wie er die zahlreichen Handlungsstränge (besonders in der nächtlichen Exposition) miteinander kombiniert, wie kleinteilig er damals schon die Szenen aufgelöst hat und wie intelligent und wirkungsvoll er schneiden ließ, seine Politik der Blicke und ein Kamerakonzept, das vor allem um Bewegung und trotz weniger Schnitte um Dynamik bemüht ist – das lässt erahnen, weshalb er bald dem Ruf des Kinos („Das Boot“) und dann sogar Hollywoods („In the Line of Fire – Die zweite Chance“) folgen sollte. Das damals noch mit extrem biederer linearer Szenenabfolge arbeitende deutsche Fernsehspiel machte unter Petersen seine ersten Schritte in Richtung Fernsehfilm. Dass „Blechschaden“ auch heute noch vor dem gestrengen Auge der nachfolgenden Generation bestehen kann, liegt neben der guten Inszenierung und dem dichten, effektiven Plot auch an den für die damalige Zeit knappen, kaum papiernen Dialogen, die manchmal nicht zu Ende gesprochen werden und gerade so das Wesentliche sagen: „Ich bin da reingeschlittert, weil ich Angst hatte, dass meine Frau…“, gesteht am Ende der Bauunternehmer, den Synchronsprecherstar Friedrich Schütter als unmoralischen Menschen, aber nicht – wie in anderen vermeintlich sozialkritischen Zeitgeist-Krimis – als fiesen Kapitalisten geben musste. Dass die Geschichte heute noch so gut funktioniert, liegt schließlich auch an der Universalität des Erzählten: die Fassade der Ehe, das fehlende Vertrauen in Beziehungen, das Geld, das über die Liebe obsiegt. (Text-Stand: 25.7.2015)