Sternzeichen

Deutschmann & Metschurat: ein geistig Behinderter in einer kranken Gesellschaft

Foto: MDR / Antaeus
Foto Rainer Tittelbach

„Sternzeichen“ erzählt von zwei Brüdern: der eine geht stets als erster durchs Ziel, der andere ist nicht für den Konkurrenzkampf geboren. Die Krankheit ist Metapher fürs Anderssein und Provokation für die „Gesunden“. Sensibles Läuterungsdrama von Stefan Kolditz (Buch) und Peter Patzak (Regie).

Peter Patzak („Kottan“) liebt klare Bilder und deutliche Positionen. „Wir leben in einer Marathongesellschaft. Wir sollen alle mitlaufen, funktionieren“, sagt der österreichische Filmemacher. In seinem neuen Film geht es um zwei ungleiche Brüder: einen, der stets als erster durchs Ziel geht, und einen, der nicht zum Marathonläufer geboren ist. „Sternzeichen“ erzählt die Geschichte eines Staranwalts, der durch seinen geistig behinderten Bruder Zweifel bekommt an der absoluten Richtigkeit seines Lebenswegs. Seine Läuterung vom „Apparat“ zum Menschen vollzieht sich filmgerecht in langsamen Schritten. Er muss die Phase der Angst durchlaufen. Die projiziert er auf den schwachen Bruder. Patzak: „Er steht ihm im Weg und erinnert ihn an die eigene Angst, von der Gesellschaft ausgespuckt zu werden“

Heikko Deutschmann und Barnaby Metschurat („Solino“) tragen den Film und verleihen ihm eine besondere Spannung, die nicht auf billigen Kontrast zielt. Beide Schauspieler lassen bei aller Gegensätzlichkeit auch die Verbundenheit der Bruder spüren, die an einem gemeinsamen Schicksal schwer tragen: dem frühen Tod der Mutter. Die Tragik ihres Todes legt Patzak in leicht manieriert geratenen Rückblenden nach und nach offen. Der Film spielt sich durch die unterschiedlichsten Tonlagen. Immer wieder sorgt das Anderssein des behinderten Bruders für stille, poetische Momente. Wenn Metschurat weltvergessen auf dem Hausdach oder im Schwimmbad auf dem 10-Meter-Brett sitzt, dann fühlt man sich an Tom Hanks als Forrest Gump erinnert. Mitunter wird es auch komisch – wenn er beispielsweise mit dem Rasenmäher-Trecker durch den Gartenzaun bricht oder wenn sein Schäferstündchen mit einem aufreizend selbstbewussten Callgirl die feine Abendgesellschaft durcheinanderbringt.

SternzeichenFoto: MDR / Antaeus
Annäherung und Läuterung, Krankheit als Metapher fürs Anderssein. „Sternzeichen“ mit Heikko Deutschmann und Barnaby Metschurat

Der Behinderte gibt den Ton an. Dabei geht es Patzak nicht um die authentische Darstellung eines klinischen Falls. Deshalb wollte der Regisseur auch bewusst nicht mit einem behinderten Hauptdarsteller drehen. „Nur so wird ein Mensch erarbeitet, anstatt dass man ihn in die Auslage stellt“, glaubt Patzak. Die Krankheit erscheint als Metapher fürs Anderssein und ist zugleich Provokation für die „Gesunden“. Dass sie die eigentlich Kranken sind – dieses gesellschaftskritische Klischee wird hier ein wenig zu platt eingesetzt. Der Karriere-Bruder als der Anwalt der Reichen hätte zur Positionierung durchaus genügt. Warum da auch noch einen durchgeknallten Millionär als Klienten das Klischee bestätigen lassen?!

Ein anderes Klischee wird in „Sternzeichen“ nicht bedient. Die langsame Abnabelung der Frau des Anwalts und ihre zunehmend kritische Position ihrem Mann gegenüber werden gezeigt mit all ihren emotionalen Begleiterscheinungen. „Kenn ich diesen Mann überhaupt, der mir die Existenz seines Bruders vorenthalten hat?“ Das Motiv des Fremden im eigenen Haus entwickelte Autor Kolditz sehr nuancenreich. Die Frau reagiert nicht hysterisch, sondern will ihren Mann verstehen und hält zu ihm, obwohl sie ihn aus dem Haus schmeißt. Am Ende dient der kranke Bruder als Katalysator, um die Ehe ins Lot zu bringen. (Text-Stand: 25.5.2005)

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Kinofilm

MDR

Mit Heikko Deutschmann, Barnaby Metschurat, Karin Giegerich, Vadim Glowna, Nicole Heesters, Jürgen Hentsch

Kamera: Andreas Köfer

Produktionsfirma: Antaeus Film

Drehbuch: Stefan Kolditz

Regie: Peter Patzak

EA: 25.05.2005 20:15 Uhr | ARD

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