Alles beginnt mit einem herzerweichenden Erpresser-Video. „Wir wollen Heim“, flehen da zwei kleine Kinder, die entführt worden sind und für die die Kidnapper vier Millionen Euro fordern. Ein Fall, der Sperling mehr noch als gewohnt an Nieren und Nerven geht. In „Sperling und die Angst vor dem Schmerz“ muss sich der dickleibige Kommissar mit der sanften Art immer wieder die Frage gefallen lassen: „Was nun, Sperling?“ Und um den seltsamen Fall aufzuklären lässt ihn Autor Ehry auf ungewohnten Psychopfaden wandeln.
Schnell erkennt der Kommissar Parallelen zu einer anderen Entführung vor ein paar Jahren: damals wurde ein ähnlicher Lösegeldbetrag gefordert und – was selten ist bei Erpressungen – während der „Verhandlungen“ erhöht. Sperling bindet das Entführungsopfer von damals in seine Ermittlungen ein. Nach dessen Angaben wird der Raum nachgebaut, in dem er damals 14 Tage gefangen gehalten wurde, bevor man ihn frei ließ, ohne dass angeblich ein Lösegeld gezahlt worden war. In diesem Raum stellt sich der hochintelligente und zugleich hochgradig traumatisierte junge Mann einer Art Selbstversuch. Er lässt sich die Augen verbinden, sich anketten – und so durchlebt er noch einmal die Höllenqualen von damals. „Ich hatte Angst, wenn sie weggingen und mich allein ließen, und ich hatte Angst, wenn sie wiederkamen.“
Foto: ZDF / Gordon Timpen
Auch die Familie der Entführungsopfer, die auf den ersten Blick ähnliche Höllenqualen leidet, lässt Sperling allerlei Spekulationen anstellen. Der Vater versteht sich offenbar mit seiner Schwägerin sehr viel besser als mit seiner Ehefrau. Dem reichlich großspurigen, mit hemdsärmeligen Methoden zu Reichtum gekommenen Unternehmer geht es offenbar finanziell gar nicht so gut. Hat er die Erpressung vielleicht selbst angezettelt, um sich als mittelloser Unternehmer endlich problemlos scheiden lassen zu können?
„Sperling und die Angst vor dem Schmerz“ ist ein psychologisch interessanter und zu jeder Zeit hoch spannender Krimi. Bereits nach 20 Minuten des Films erfolgt die Lösegeldübergabe. Immer wieder wird die Geschichte in eine andere Richtung getrieben, immer wieder wird der Fall mit einem anderen Täter gedanklich durchgespielt. Selten bot einem ein „Sperling“ so wenig Zeit zum Durchatmen. Dennoch: Marcus O. Rosenmüllers distanzierte Inszenierung, die nachdenkliche Tonlage, ohne in stilisierte Düsternis abzugleiten, und die hohe Sensibilität im Hinblick auf die Opfer von Verbrechen, das entspricht ganz dieser Reihe, die seit Jahren zum Besten gehört, was das Fernsehen in Sachen Krimi anzubieten hat. (Text-Stand: 2003)