„Kalkulierten Konformismus“ nannte einst der Soziologe Dieter Prokop die Handlungsmuster von Filmen wie „Sommer mit Hausfreund“: Geltende Werte werden scheinbar infrage gestellt oder sogar gebrochen, aber einen wirklichen Diskurs gibt es nicht. Am Ende wird der Status quo wiederhergestellt, sodass die Normen sogar noch gestärkt aus dem Vorgang hervorgehen. Mit gutem Willen könnte man das Drehbuch von Verena Mahlow immerhin als Appell verstehen: Wenn eine Beziehung in die Jahre gekommen ist, müssen die Beteiligten umso achtsamer miteinander umgehen. Ansonsten aber entspricht die Geschichte einem typischen Erzählmuster der „alten“ Degeto-Filme: Elisa (Thekla Carola Wied) ist die vernachlässigte Frau eines angesehenen Archäologen (Friedrich von Thun), der allerdings ausschließlich seine Arbeit im Kopf hat und ohne zu Zögern den geplanten Urlaub zur Silberhochzeit verschiebt, als ein Institut einen Forschungswettbewerb ausschreibt. Ludwig ist Experte für die Varus-Schlacht und hätte nun endlich die Gelegenheit, im Teutoburger Wald auf Spurensuche zu gehen. Einziger Konkurrent um den Auftrag ist ein Kollege aus Italien, den Ludwig großzügig bei sich wohnen lässt. Das allerdings ist ein Fehler, denn der charmante Carlo Dalcura (Jürg Löw) verliebt sich umgehend in Elisa und lässt am Ende gar den Wettbewerb für sie sausen.
Eine Frau zwischen zwei Männern war in den Nullerjahren eine fast schon klassische Konstellation, die es auch in vielen anspruchsvollen Produktionen gab (von „Dresden“ bis „Sturmflut“). Einzige Überraschung, wenn überhaupt, ist hier die Nachgiebigkeit der weiblichen Hauptfigur: Den ersten Annäherungsversuchen des Italieners kann Elisa noch widerstehen, aber exakt zur Mitte des Films gibt sie nach und folgt ihm sogar nach Florenz, wo sie allerdings umgehend all das vermisst, worüber sie sich bei Ludwig immer geärgert hat; selbst sein Schnarchen. Damit die Handlung etwas komplexer wird, dichtet das Drehbuch auch dem Gatten eine Romanze an, die jedoch typisch ist für das verquere Rollenbild dieser Art von Filmen: Die Besitzerin (Andrea L’Arronge) des Instituts hat schon als Kind von der Archäologie geträumt, sah und sieht sich aber nicht eigenhändig bei Ausgrabungen, sondern als Frau an der Seite von Männern wie Heinrich Schliemann oder Indiana Jones. Prompt traut sie sich gegen Ende, als die Grabungsstätte vor einem Unwetter geschützt werden muss, nicht aus dem Auto, so dass die zupackende Elisa ihren Ludwig endgültig zurückgewinnt.
Allen Klischees zum Trotz wäre „Sommer mit Hausfreund“ vielleicht dennoch empfehlenswert, wenn es nicht vergleichbare Degeto-Filme gäbe, die ungleich besser sind, zum Beispiel „Den Tagen mehr Leben!“ (2010) von Jan Růžička, ebenfalls mit Wied. Der Kern der Geschichte ist fast identisch. Offenkundiger Qualitätsunterschied zwischen den beiden romantischen Dramen ist die Führung der Hauptdarstellerin: In „Sommer mit Hausfreund“ (Regie: Dennis Satin) spielt Wied viel zu undifferenziert und begegnet sämtlichen emotionalen Lebenslagen mit stets der gleichen Allzweckmimik, einem leicht gequält wirkenden Gesichtsausdruck, der sowohl Verwirrung wie auch Trauer und Zorn vermitteln soll. Löw wiederum wirkt wie die akademische Version eines schleimigen Strandpapagallos. Völlig überflüssig sind auch Elisas aus dem Off gesprochenen Kommentare, die zudem an einen alten Waschmittelwerbespot erinnern, wenn sie angesichts ihrer Gefühle für Carlo das schlechte Gewissen plagt. Interessant ist immerhin der historische Hintergrund, auch wenn es geografisch etwas gewagt ist, dass die handelnden Personen dauernd mal eben von Hamburg aus in den Teutoburger Wald fahren. Davon abgesehen fehlen dem Film die jungen Gesichter, weshalb Florentine Lahme als Ludwigs mitunter leicht boshafte Grabungsgehilfin als Lichtblick und Blickfang gleich doppelt willkommen ist. (Text-Stand: 8.8.2015)