Schwarzach 23 und das mörderische Ich

Brückner, Morreis, Jeltsch, Tiefenbacher. Der Kommissar und sein Doppelgänger

Foto: ZDF / Jürgen Olczyk
Foto Rainer Tittelbach

Der in der dritten Episode der ZDF-Reihe eingeschlagene Weg, das Schwarzhumorige und Schräge zu minimieren und das anarchische Element vor allem auch in der Konstruktion der Geschichte zurückzunehmen, wird in „Schwarzach 23 und das mörderische Ich“ (TV60 Filmproduktion) fortgesetzt. Das allerdings gibt auch ein Stück weit Christian Jeltschs Geschichte vor, in der die ernsthafte Bedrohung des Helden auf Leben und Tod den Kern der Handlung bildet. Mit Hilfe eines Mannes, der genauso aussieht wie der Chef-Ermittler der Mordkommission, will die ukrainische Drogen-Mafia offenbar die Münchner Kripo unterwandern. Lustvolles Beziehungsgeplänkel bringt der Rest des Germinger-Clans ins Spiel. Regisseur Matthias Tiefenbacher versteht, die unterschiedlichen filmischen Tonlagen und die ganze Bandbreite menschlicher Stimmungen zu einem ausgewogenen Ganzen zu verbinden. Dieser vierte Film beendet leider die etwas andere, 2015 gestartete Krimi-Reihe.

Ein Mann sitzt tot in einem Linienbus – auf dem Schoß keine Bombe, wie die Fahrgäste in ihrer Panik vermutet haben, sondern nur eine Benzinpumpe. Ein Einstich am Kopf weist darauf hin, dass der Mann, ein Autohausbesitzer, nicht eines natürlichen Todes gestorben ist. Es war also doch nicht verkehrt, den Chef der Mordkommission Franz Germinger (Maximilian Brückner) auf diesen Fall anzusetzen und ihn von seiner privaten Spritztour in die Berge abzuhalten. Der ist entsprechend übel gelaunt – auch, weil er sich nun doch einer unangenehmen Situation stellen muss: Seine Mutter Erika (Gundi Ellert) hat einen Mann totgefahren; auch wenn dieser ein Mörder war, geht es gegen das Gerechtigkeitsempfinden von Franz, dass sie nun schon wieder aus der Haft entlassen wird. Zu verdanken hat sie das ihrem Göttergatten, dem Franz Senior (Friedrich von Thun), Hauptkommissar a.D. und nach Jahren der Trennung nun wieder ihr Herzblatt. Bei ihrer Entlassung aus der JVA kommt der Junior dann allerdings doch zu spät. Ein anderer hat seine Rolle bereits übernommen, hat die Mutter kurz begrüßt und sich dann wieder aus dem Staub gemacht – so wie es wohl auch Franz getan hätte. Der Mann heißt Maxim Adamov, sieht genauso aus wie Franz Germinger und hat sich eineinhalb Jahre auf diesen gewinnbringenden Rollentausch vorbereitet.

Schwarzach 23 und das mörderische IchFoto: ZDF / Jürgen Olczyk
Sie wollte rosé, doch rosa war noch da. Bei aller Ernsthaftigkeit ihrer Beziehungs-Probleme: Franz Germinger Senior (Friedrich von Thun) und Ehefrau Erika (Gundi Ellert) sind zuständig für die helle Farbe im vierten „Schwarzach“-Krimi. Sie kommen sich wieder näher, kiffen, flippen aus und tanzen zu einem Funk-Klassiker.

Der tote Autoverkäufer ist nur ein Kollateralschaden, zu dem es kommt, weil bei einem millionenschweren Drogendeal Probleme auftreten und die daran Beteiligten, Franzens Doppelgänger Adamov (in er Doppelrolle: Maximilian Brückner), die Strippenzieherin Liliana Janukova (Genija Rykova) und der Kompagnon des Ermordeten (Arnd Klawitter), nicht immer mit offenen Karten spielen. Es gibt in „Schwarzach 23 und das mörderische Ich“ hinter diesem großen Coup, der wie ein Hitchcockscher McGuffin durch den Plot geistert, aber noch ein weiteres ungeheuerliches Verbrechen – und das ist von einer enormen Tragweite: Mithilfe des Doppelgängers, der sich akribisch auf seine neue Rolle vorbereitet hat, will die ukrainische Drogenmafia die Münchner Kripo unterwandern. Dafür allerdings muss der echte Franz Germinger aus dem Weg geräumt werden. Das ist die eigentliche Geschichte hinter dem Fall, von der die Ermittler bis zum Ende so gut wie nichts mitbekommen. Der Zuschauer muss sich das alles selbst erschließen. Die Kommissare sind ihm keine große Hilfe. Wer rechnet schon mit solchen internationalen Verwicklungen James-Bondschen Ausmaßes. Und so bleibt dem Zuschauer nichts anderes übrig als um den Helden zu bangen – und zu hoffen, dass die Eröffnungsszene mit dem vermeintlich toten Franz noch ein Hintertürchen offenlässt.

Schwarzach 23 und das mörderische IchFoto: ZDF / Jürgen Olczyk
Allmachts-Pose und coole Haltung. Maximilian Brückner glänzt in der Doppelrolle als Franz Germinger Junior und als sein ukrainischer Doppelgänger Maxim Adamov.

Die Reihe „Schwarzach 23“ (2015 gestartet) setzte sich immer schon über die Grenzen der Glaubwürdigkeit hinweg und führte das Coen-Brothers-verdächtige schroffe Schräge in den ZDF-Samstagskrimi ein. Autor Christian Jeltsch („Die verlorene Tochter“ / „Kreutzer kommt“) überhöhte die Realität mit einem launigen, bisweilen grotesken Genre-Mix aus Krimi, Komödie und Familienfilm, dabei ließ er schon mal einen Toten vom Himmel fallen oder einen Menschenkopf auf eine Vogelscheuche aufspießen. Bei der dritten Episode, „Schwarzach 23 und der Schädel des Saatans“ (2018), wurde das anarchische Element in der Konstruktion der Geschichte zurückgenommen. Das setzt sich nun in „Schwarzach 23 und das mörderische Ich“ fort. Dass es zugleich der Abschluss der Reihe ist, bestärkt die Vermutung, dass es wohl vor allem der Sender war, der dem ZDF-Zuschauer nicht zu viel Genre-Raffinesse und systemische Ironie (im Gegensatz zur Charakter-Ironie eines Schallers in „München Mord“ oder den Ehe-Neckereien in „Herr und Frau Bulle“) „zumuten“ möchte. Dass man die Reihe auf den Montag geschoben hat, mag mit dem Grenzgängerischen zu tun haben und ist durchaus nachvollziehbar: Samstag ist nun mal der Familienfernsehtag.

Die unterschiedlichen filmischen Tonlagen zwischen kühlem Krimi-Ambiente & hellen Familienalltagsszenen sowie die volle Bandbreite menschlicher Stimmungen versteht Regisseur Matthias Tiefenbacher („Gestern waren wir Fremde“ / „Polizeiruf 110 – Einer für alle, alle für Rostock“) zu einem ausgewogenen Ganzen zu verbinden. Durch Franzens Alleingänge gibt es auch vom Drehbuch her in der zweiten Filmhälfte weniger Schnittstellen zwischen dem ernsthaften Hauptplot und dem lustvollen Beziehungsgeplänkel. So nimmt die Spannung beständig zu, ohne dass dem Zuschauer augenzwinkernde, entlastende Momente vorenthalten bleiben. Die Spannung gipfelt in einem ersten Showdown, bevor es zu einem Finale im Kugelhagel kommt. Das aber ist noch nicht das Ende. Und nach dem Abspann ist ja vielleicht auch noch nicht Schluss. Manch ein Zuschauer wird dann sicher noch weitergrübeln über diesen (gewollt?) doppelbödigen Doppelgänger-Krimi. (Text-Stand: 30.7.2020)

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Reihe

ZDF

Mit Maximilian Brückner, Marlene Morreis, Friedrich von Thun, Gundi Ellert, Jockel Tschiersch, Serkan Kaya, Genija Rykova, Arnd Klawitter, Stella Föringer, Leonard Kunz, Konstantin Frolov, Wolfgang Fierek

Kamera: Hanno Lentz

Szenenbild: Patrick Steve Müller

Kostüm: Mika Braun

Schnitt: Horst Reiter

Musik: Biber Gullatz, Andreas Schäfer

Redaktion: Petra Tilger

Produktionsfirma: TV60 Filmproduktion

Produktion: Andreas Schneppe, Sven Burgemeister

Drehbuch: Christian Jeltsch

Regie: Matthias Tiefenbacher

Quote: 5,04 Mio. Zuschauer (16,7% MA)

EA: 31.08.2020 20:15 Uhr | ZDF

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