Schimanski – Loverboy

Götz George, Loos, Wimmer, Burlakov, Heidelbach. Schimanskis Moral bleibt Gesetz

Foto: WDR / Uwe Stratmann
Foto Rainer Tittelbach

Was hat der Tod eines Zuhälters mit Schimanskis Privatauftrag zu tun, die 14-jährige Tochter eines einsitzenden ehemaligen Kiez-Königs zu finden & nach Hause zu bringen? Der Ex-Bulle bekommt es mit einem sogenannten „Loverboy“ zu tun, einem jungen Mann, der blutjungen Mädchen schöne Augen macht, um sie auf den Strich zu schicken oder zu verkaufen. Der Rolling Stone unter den TV-Ermittlern rockt noch immer: eigenwillig und ironisch!

Schimanski muss eine seiner heiß geliebten (gar nicht mal mehr so schmuddeligen) Parka-Jacken aus dem Altkleiderkarton holen. Denn er hat einen „Auftrag“. Der ehemalige „König vom Pott“, derzeit im Knast, hat ihn überredet, seine 14-jährige Tochter zu suchen. Sie hat sich mit ihrer Mutter und ihrem Ziehvater überworfen und ist mit Freund Nils, ihrer ersten großen Liebe, durchgebrannt. Das Mädchen will nicht sehen, was ihr Freund im Schilde führt. Er redet von Liebe und gibt ihr das Gefühl, etwas wert zu sein, er beschenkt und entjungfert sie, er entführt sie, setzt sie unter Drogen – und sie ist auch noch dankbar dafür… Schimanski kommt ihnen auf die Spur, wird abgehängt und muss sich bis nach Rotterdam begeben, wo Nils seine „Liebe“ offenbar verkaufen will. Begleitet wird er von einer Frau und Mutter, die nur zu gut weiß, wie das verführerische Prinzip „Loverboy“ funktioniert.

Mit einem Mord bekommt es Horst Schimanski in „Loverboy“ nur am Rande zu tun. Ein anderer Zuhälter, der blutjungen Mädchen schöne Augen macht, ist mit zwei aufgesetzten Schüssen getötet worden. Dieser Fall gehört Hänschen und Hunger; Schimanski hat da keinerlei Ambitionen. Ähnlich wie Bella Block, die Ermittlerin ohne Dienstmarke, darf er seine eigene Moral walten lassen – und das passt gut zu dieser Geschichte und zu einem TV-Mythos, dessen Protagonist nach über 30 Jahren über den Dingen schwebt und sich weniger denn je an die Gesetze der Realität halten muss. Das Thema selbst aber ist alles andere als aus der Luft gegriffen. Drehbuchautor Jürgen Werner erzählt nicht so drastisch wie beispielsweise Furtwänglers Doppel-„Tatort – Wegwerfmädchen / Das goldene Band“; das passt recht gut zu der etwas beiläufigen Erzählweise dieser „Schimanski“-Episode.

Schimanski – LoverboyFoto: WDR / Uwe Stratmann
Verhängnisvolle erste Liebe (zu einem Loverboy). Muriel Wimmer, Vladimir Burlakov

Trotz einiger Action-Szenen (die Türen treten zwar andere ein, aber der alte Haudegen weiß noch sehr genau, zu was Bretter, Stühle und Metalltüren alles gut sein können) ist „Loverboy“ kein Hochgeschwindigkeitskrimi. Mit Schimanski und Hänschen an vorderster Ermittlerfront wäre das auch albern. Der unprätentiös, im schmuddelig-gräulichen Schimmi-Look (oder ist das die Farbpalette des WDR-Vorführraums?!) inszenierte Film vom „Tatort“-erfahrenen Kaspar Heidelbach wirkt bisweilen eher ein bisschen rumpelig – was die Montage innerhalb einiger Szenen angeht. Insbesondere wenn Schimanski mit Hänschen und Hunger zusammenkommt und sie nicht gerade den in den Ritterstand erhobenen Holländer feiern, kriegt die Handlung etwas arg Holprig-Polterndes und das Spiel etwas Laientheaterhaftes. Ganz anders die Szenen mit Anna Loos. Wenn Götz Georges Schimanski einen ernsthaften Mit- oder Gegenspieler hat, ist er nach seiner Reanimierung im Jahre 1997 immer am besten gewesen. Überzeugend ist auch das junge Pärchen: Muriel Wimmer, die mehr emotional zeigen als (aus)sprechen muss und der ideal besetzte Vladimir Burlakov, der Sanfte mit dem eiskalten Blick. „Es sind miese Typen mit einem charmanten Lächeln – aber der Teufel lächelt auch“, sagt Anna Loos‘ Protagonistin, die sich um Opfer von „Loverboys“ kümmert.

Der Rolling Stone unter den TV-Ermittlern rockt noch immer ganz passabel, dafür dass der Pott jetzt i-Pod heißt, wie Schimanski kurz einwirft. Der Ex-Rüpelbulle hat sich für diesen Fall sogar ein Smartphone-Handy zugelegt hat (auch wenn er es nicht richtig zu bedienen weiß). Wie alt und jung, wie Vergangenheit und Gegenwart zusammen finden können, das zeigt „Loverboy“ gleich auf mehreren Ebenen. Schimanski ist also noch lernfähig – nur in Sachen Moral, da lässt er sich noch immer nichts vorschreiben. Da ist dieser Held der Achtziger, der ideologisch ein Kind der (sozialkritischen) 70er Jahre ist, mehr denn je seiner eigenen Lebenserfahrung verpflichtet – der lex Schimanski! (Text-Stand: 14.10.2013)

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Reihe

WDR

Mit Götz George, Anna Loos, Muriel Wimmer, Vladimir Burlakov, Chiem van Houweninge, Denise Virieux, Nina Kronjäger, Julian Weigend, Marek Wlodarczyk, Thomas Lawinky

Kamera: Daniel Koppelkamm

Schnitt: Hedy Altschiller

Musik: Arno Steffen

Produktionsfirma: Colonia Media

Drehbuch: Jürgen Werner

Regie: Kaspar Heidelbach

Quote: 8,23 Mio. Zuschauer (22,1% MA)

EA: 10.11.2013 20:15 Uhr | ARD

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