„Wir haben uns immer über das Ende unterhalten – nie über das, was davor kommt.“ Anita und Fred sind über 70, sie sind ein Leben lang zusammen. Jetzt kommt wieder Bewegung in ihr Dasein. Ungewollt. Der einst erfolgreiche Geschäftsmann hat Prostatakrebs. Er will sich nicht behandeln lassen, sondern kauft sich stattdessen eine Wohnung zum Nachdenken und Alleinsein. Die Kinder geben (medizinische) Ratschläge. Die Ehefrau ist geschockt, sie fühlt sich hintergangen, packt ihre sieben Sachen und quartiert sich in einer Seniorenresidenz ein. Doch sie spürt: Das kann nicht ihr Leben sein für die nächsten Jahre. „Willst du noch mit mir zusammenbleiben?“, fragt Fred. Die zärtlich sich berührenden Hände geben die Antwort. Für Augenblicke scheinen sich beide noch einmal ineinander zu verlieben. Sie tanzen, schmiegen sich aneinander, sind sich nah. Bleibt die Frage: wie sich dem Unausweichlichen stellen?
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„Satte Farben vor Schwarz“ ist weder Depri-Drama noch cineastische Anleitung für die letzten, weniger guten Jahre, das Langfilmdebüt von Sophie Heldmann ist vielmehr ein Film über die Liebe – über die finale Phase einer altmodischen Ehe, die durch nichts geschieden wurde, nicht einmal die Seitensprünge des Ehegatten. In dieser Ehe, einer traditionellen Ehe mit klassischer Verteilung der Geschlechterrollen, steckt viel Gewohnheit, das eine oder andere nervt den Partner gehörig (zum Beispiel die Art und Weise, wie Fred allmorgendlich den Toast bestreicht), aber noch mehr ist es die lieb gewonnene Vertrautheit, die emotionale Sicherheit, die beide ihre alterssenile Trotzphase überwinden lässt. Sie wissen, dass sie ihren letzten Weg gemeinsam gehen wollen. Und auch über das Wie sind sie sich einig.
Ungewöhnlich, dass ein Hochschulabsolvent einen Film über den Spätherbst des Lebens macht. Sophie Heldmann verarbeitet in ihrem konsequent und schnörkellos (aus)erzählten Film eine wahre Geschichte aus ihrem familiären Umfeld. „Zu einem glücklichen Leben gehört der Wunsch nach einem würdevollen Ende. Die Freiheit, über den Tod selbst zu entscheiden, und die Unendlichkeit einer gelebten Liebe sind für mich die Themen des Films“, sagt Heldmann. Die Regisseurin, die auch am Drehbuch mitgearbeitet hat, bleibt nah am Alltag ihrer Protagonisten. Die lebensphilosophischen Fragen über die Liebe, die der Film stellt, gehen nicht in (der) Handlung unter, sondern sie stellen sich von Situation zu Situation, von Bild zu Bild, von Geste zu Geste. Für diese Art von realistischer Erzählung fand sie in Senta Berger und Bruno Ganz die idealen Darsteller. Da lohnt sich das Hinschauen, das Hinhören, das Zwischentöne aufspüren… Rezeptionsästhetisch bringt das Schlussbild den Film großartig auf den Punkt: Das Angebot der Schauspieler, die Inszenierung ist zurückhaltend. Die Szenen, die Bilder leben größtenteils davon, was der Zuschauer bereit ist, in ihnen zu sehen. So ergibt sich für jeden die Möglichkeit, selbst hautnah in das Thema „einzusteigen“.