So ist das, wenn eine Jugendliebe erwachsen wird und sich der gemeinsame Lebensweg gabelt: Er übernimmt die Tischlerei seines Vaters in Cornwall, sie will die Londoner Filmakademie besuchen und Kostümbildnerin werden. Dass Grace (Jördis Richter) ihr Glück in der Ferne sucht, hat auch mit einer Wahrsagerin zu tun: Die rothaarige Nachfahrin einer vermeintlichen Hexe prophezeit ihr, dass sie dort der Liebe ihres Lebens begegnen werde. Ruby (Petra Berndt) weiß sogar den Namen des Mannes: Robert Hayford. Eine zweite Ebene erzählt nur scheinbar eine ganz andere Geschichte: Grace’ Vater betreibt das einzige Kino des Ortes. Die Geschäfte laufen nicht besonders gut, zumal Clive (Helmut Zierl) offenbar nur einen Gast hat: Olivia Marlow (Marion Mitterhammer) schaut sich immer und immer wieder „Kiss or Goodbye“ an, den bekanntesten Film ihrer Schwester Tamara Larsson. Die Schauspielerin ist vor 15 Jahren bei einem Unfall gestorben; anschließend hat sich Olivia aus der Welt zurückgezogen. Weil eigens betont wird, dass damals ein leerer Sarg bestattet worden ist, ahnen „Herzkino“-Freundinnen früh: Das könnte ein Comeback geben. Gleiches gilt für Grace, selbst wenn sie in einem Londoner Restaurant tatsächlich einen Arzt namens Robert Hayford (Oliver Franck) getroffen hat. Er wird einige Tage in Cornwall verbringen, also tut sie das auch, und selbstredend kommt es dort zu einer wundersamen Verknüpfung der verschiedenen Handlungsstränge, weil alle Beteiligten miteinander zu tun haben.
Vermutlich würden selbst die Verantwortlichen der Pilcher-Verfilmungen angesichts der biederen Inszenierungen nicht von Filmkunst sprechen, aber die Drehbücher sind oft weitaus besser als der Ruf der Reihe. Gerade Uschi Müller denkt sich regelmäßig ansprechende Handlungen aus. Sehenswerte Filme nach ihren Vorlagen waren zum Beispiel „Meine Cousine, die Liebe und ich“ (2019), eine kurzweilige Rollentauschgeschichte, oder „Fast noch verheiratet“ (2017), eine amüsante Romanze über eine Anwältin, die ihrem Verlobten beichten muss, dass sie bereits einen Ehemann hat. Im Unterschied zu den vieln anderen ZDF-Sonntagsfilmen sorgt „Wie verhext“ außerdem für einige Überraschungen. Es ist zwar klar, dass Grace und Jugendfreund Sebastian (Stefan König) füreinander bestimmt sind, aber der Weg zum Happy End nimmt einige unerwartete Umwege, die jedoch glaubwürdig eingefädelt sind. Eine besondere Rolle spielt dabei Clives Liebe zum Film. Wie Müller seine Verehrung für Tamara Larsson mit der unvollendeten Romanze zwischen Grace und Sebastian verknüpft, verdient tatsächlich das Prädikat „kunstvoll“. Sehr hübsch ist auch die Idee, das Melodram „Kiss or Goodbye“ als Spiegel für die Beziehung zu nutzen: Der Schluss des Films im Film ist eine typische herzzerreißende Bahnsteigsabschiedsszene. Die weibliche Hauptfigur würde ihren Geliebten gern mitnehmen, aber der schafft es nicht, über seinen Schatten zu springen.
Foto: ZDF / Jon Ailes
Soundtrack: Noisettes („Never Forget You”), Amy Winehouse („Back To Black”), Daft Punk feat. Pharrell Williams („Lose Yourself To Dance”), Lauv („Paris In The Rain”), Freya Ridings („Lost Without You”), Florence + The Machine („You’ve Got The Love”), Prince („Sometimes It Snows in April”), London Grammar („Strong”), 4 Non Blondes („What’s Up?”)
Die Umsetzung bedient dagegen die üblichen Klischees des Sendeplatzes. Regisseurin Käthe Niemeyer hat fürs ZDF Beiträge für die Reihen „Team Alpin“ und „Lena Lorenz“ sowie Episoden für Serien wie „Blutige Anfänger“ und „Letzte Spur Berlin“ gedreht. Ihr Pilcher-Debüt wirkt mitunter, als habe sie eine Checkliste abarbeiten müssen, Cabriotrip die Küste entlang inklusive. Immerhin sind die Bilder schön anzuschauen, aber das ist auch das Mindeste, was man von einem renommierten Kameramann wie Clemens Messow („Die Spiegel-Affäre“) erwarten kann. Dass Grace wie so viele andere „Rosamunde Pilcher“-Heldinnen einen Mini fährt, ist hingegen mittlerweile fast eine Art „Driving Gag“ der Reihe; dabei gibt es offenbar nicht mal eine entsprechende Produktionshilfe von BMW. Die Inszenierung ist derart standardisiert, dass zwei ohnehin überflüssige Zeitlupenszenen prompt völlig übertrieben wirken. Die stereotype Anmutung des Films wird zusätzlich durch die übliche Anhäufung von Popsongs unterstrichen.
Niemeyers Arbeit mit den Schauspielerinnen und Schauspielern ist allerdings gut. Jördis Richter war in den letzten Jahren Stammkraft bei „Kommissarin Lucas“ (ZDF). Helmut Zierl verkörpert den gleichermaßen verwitweten wie verschuldeten Kinobetreiber, der seine Altersvorsorge in alle möglichen Tamara-Larsson-Devotionalien investiert hat, auf sehr berührende Weise, und Marion Mitterhammer versieht Olivia mit genau der richtigen Mischung aus Divenhaftigkeit und Einsamkeit. Eine Entdeckung nicht nur für den Sonntagabend ist Stefan König in seiner ersten großen Fernsehfilmrolle; die Zielgruppe wird sich nicht zuletzt über seinen perfekt trainierten Oberkörper freuen. Und während die Chancenlosigkeit der Nebenbuhler im „Herzkino“ sonst meist außer Frage steht, weil sie weder so attraktiv noch so sympathisch sind wie der Auserwählte, wirkt Robert-Darsteller Oliver Franck wie eine jüngere Version von Walter Sittler. (Text-Stand: 8.4.2021)