Ulrike Folkerts wird froh gewesen sein, endlich mal wieder aus der Lena-Odenthal-Schublade raus zu dürfen; offenbar bekommt die Schauspielerin nur alle Jubeljahre Angebote jenseits des „Tatort“ aus Ludwigshafen. Ihre Mitwirkung ist aber auch das einzig Besondere an dieser 150. Episode der „Rosamunde Pilcher“-Reihe. Der Film heißt zwar „Schwiegertöchter“, aber die Figur, bei der die Fäden zusammenlaufen, ist natürlich die Schwiegermutter: Lynette Dawson (Folkerts) ist die verwitwete Besitzerin eines Unternehmens, das Naturheilmittel produziert. Der letzte Wunsch ihres verstorbenen Gatten war eine Stiftung, die seinen Namen trägt. Lynette will die Leitung der Firma daher ihrem Sohn Patrick (Max Hemmersdorfer) überlassen und sich fortan um die Stiftung kümmern. Die Begeisterung von Schwiegertochter Kim (Paula Schramm) hält sich allerdings in Grenzen. Die junge Frau hat keine Lust, London zu verlassen und nach Cornwall zu ziehen. Sie soll zwar eine Stelle im Labor bekommen, glaubt als Biologin aber nicht an die Wirkung von Naturheilmitteln. Kurz nach Patricks Einstieg wird die hervorragende Bilanz von Dawson Remedies von einem Skandal überschattet: Bei straffällig gewordenen Jugendlichen aus einer Einrichtung in der Nachbarschaft, die im Rahmen ihrer Rehabilitation in Lynettes Firma arbeiten, sind schwere Vergiftungssymptome aufgetreten; als das publik wird, bricht prompt der Umsatz ein.
Auf einem anderen Sendeplatz hätte aus dem Stoff ein Wirtschaftskrimi werden können, aber im „Herzkino“ müssen selbstredend die Emotionen im Vordergrund stehen. Daher auch der Titel: Lynettes deutlich jüngerer Sohn Robin (Patrick Mölleken) macht seiner Freundin im Kreis der Familie einen Antrag, aber Marisa (Maja-Celiné Probst) weist ihn zurück. Die freie Journalistin hat andere Pläne: Sie will die Welt bereisen und für den Iron-Man in Hawaii trainieren. Außerdem sieht sie überhaupt nicht ein, ihre Unabhängigkeit aufzugeben, um für Dawson Remedies die Öffentlichkeitsarbeit zu übernehmen. Stattdessen greift sie den Skandal auf und schreibt in der Lokalzeitung böse Artikel über ihre Lynette.
Foto: ZDF / Jon Ailes
Bis zum Beginn der Dreharbeiten machen Drehbücher oft die seltsamsten Metamorphosen durch. Als Uschi Müller ihre Geschichte entworfen hat, war womöglich noch Kim die Hauptfigur. Zumindest ist die junge Biologin die deutlich reizvollere Rolle, zumal Paula Schramm sie mit viel Temperament und Lebensfreude versieht; dank ihr war schon die Pilcher-Liebesgeschichte „Fast noch verheiratet“ (2017, ebenfalls nach Müller) ein angenehmer Zeitvertreib. Während Lynette in den Konventionen erstarrt ist und den Schein wahren will, sucht Kim nach den Ursachen des Skandals. Unterstützt wird sie dabei von Sozialarbeiter Dylan (Max Urlacher), der sich um die Jugendlichen kümmert und gern Nutznießer einer Ehekrise wäre: Kim hat Patrick verheimlicht, dass sie keine Kinder bekommen kann. Seiner Assistentin und sehr blonden alten Liebe Valerie (Viktoria Reich) ist die Eiszeit zwischen dem Paar ebenfalls ganz recht. Schramm ragt auch deshalb aus dem Ensemble heraus, weil Max Hemmersdorfer als Mann an ihrer Seite etwas steif ist, selbst wenn er ungleich mehr Format hat als Patrick Mölleken in der Rolle des kleinen Bruders. Das jüngere Paar fällt ohnehin deutlich aus dem handwerklich ansonsten akzeptablen Rahmen. Maja-Celiné Probst ist als Extremsportlerin völlig unglaubwürdig und hat zudem Probleme, ihre Dialoge natürlich klingen zu lassen. Seltsamerweise berauben sich Buch und Regie ohne ersichtlichen Grund eines möglicherweise spannenden Zwischenspiels. Marisa bietet Robin einen Deal an: Wenn er sie in allen Triathlondisziplinen schlägt, überlegt sie sich ihre Absage noch mal. Leider vergisst der Film die Wette wieder, was damit zu tun haben könnte, dass die beiden Darsteller schwimmend & laufend vielleicht keine allzu gute Figur gemacht hätten.
Alte Schule repräsentiert dagegen Dirk Martens, für dessen Filmografie ein Film wie „Schwiegertöchter“ eher ungewöhnlich ist. Er spielt den eigentlichen Antagonisten Lynettes: Der Arzt Raymond Murphy hält die Produkte von Dawson Remedies für Quacksalberei und lässt auch sonst nichts unversucht, um die Witwe zu provozieren; natürlich ist völlig klar, worauf das hinausläuft. Um die Anhänger alternativer Heilmethoden nicht zu verstören, beschränken sich die Angriffe des Doktors weitgehend auf sarkastische Anmerkungen („Kräuter am besten nur bei Vollmond ernten“). Da Murphy im Grunde seines Herzens unglücklich ist, weil ihn vor Jahren seine Frau verlassen hat, genießt er zudem mildernde Umstände. Auch sonst ist „Schwiegertöchter“ ein Film ohne Ecken und Kanten. Regisseurin Heidi Kranz kennt sich in dem Genre dank diverser Beiträge zu Reihen wie „Rosamunde Pilcher“, „Utta Danella“ und „Lilly Schönauer“ recht gut aus; ihr Pilcher-Film „Nanny verzweifelt gesucht“ (2018) zum Beispiel war eine hübsche, aber bis ins Detail vorhersehbare Liebesgeschichte mit Ruby O. Fee als „Kindermädchen“ eines autistischen jungen Mannes.
Kranz verzichtet zwar auf die üblichen ausufernden Luftaufnahmen, aber Kameramann Ralph Netzer hat viele Bilder gemacht, die jeden Cornwall-Kalender schmücken würden. Andreas Weidinger sorgt für die übliche stets leicht schmalzige musikalische Untermalung, die Frauen fahren selbstredend Cabrio, und das Herrenhaus der Dawsons wirkt so unpersönlich wie ein Hotel. Immerhin wird „Schwiegertöchter“ dank Kims Suche nach den Ursachen der Vergiftung ein bisschen zum Krimi, ohne deshalb auch entsprechende Spannung zu verbreiten; schließlich sollen die „Herzkino“-Filme im ZDF das perfekte Komplementärprogramm zum Sonntagskrimi im „Ersten“ sein. Deshalb werden auch nur die „digital natives“ in der Zielgruppe über die Einfädelung des Happy Ends stolpern: Lynette schickt Patrick und Kim jeweils eine E-Mail, damit sie sich an ihrem Lieblingsplatz treffen; und angeblich fällt beiden nicht auf, dass die Mail keineswegs vom anderen ist. (Text-Stand: 25.4.2019)