Zu den diversen immer wiederkehrenden Handlungskernen der Rosamunde-Pilcher-Filme im ZDF zählt unter anderem die Kategorie „Ein Kindermädchen zum Verlieben“. Das Erzählmuster erklärt sich quasi von selbst. Die schlichteste Variante: Der Vater ist Witwer; nun muss sich die patente Heldin nur noch gegen eine Nebenbuhlerin durchsetzen („Wie von einem anderen Stern“, 2017). Sind die Kinder schon erwachsen, ist die Frau, die frischen Wind in den verstaubten Landsitz bringt, kein Kindermädchen, sondern die neue Haushälterin („Argentinischer Tango“, 2016); die Nebenbuhlerin bleibt natürlich. Ist der Hausherr zu alt für die Titelfigur – das „Herzkino“ folgt in dieser Hinsicht klaren Regeln –, hat er eben einen schmucken Sohn, der aber bereits verlobt ist. „Nanny verzweifelt gesucht“ ist die Verschmelzung dieser zwei Ansätze: alter Vater, erwachsener Sohn, trotzdem Kindermädchen. Wie das zusammenpasst? Ganz einfach: Es gibt einen weiteren jungen Mann, aber der hat eine autistische Störung. Trotzdem braucht er eigentlich keine Aufpasserin, doch sein Vater erholt sich von den Folgen eines Schlaganfalls, sein Bruder studiert in Südafrika, und außerdem sabotiert er regelmäßig die Fuchsjagden und somit die einzige Einnahmequelle der Familie.
Aus Sicht des „Herzkino“-Freundeskreises ist dieser erzählerische Ansatz vermutlich originell genug, aber das ZDF war bei seinen Sonntagsfilmen in diesem Jahr schon viel weiter; mit „Ella Schön“ hat die Redaktion bewiesen, dass sich auch auf diesem Sendeplatz Qualität und Popularität nicht ausschließen müssen. Gemessen daran ist „Nanny verzweifelt gesucht“ (Buch: Astrid Ruppert, Uschi Müller, Nikola Bock, Regie: Heidi Kranz) in der auch dank Musik und Bildgestaltung schematischen Umsetzung bestenfalls harmlos, aber im Grunde altbacken. Wie so oft in den Pilcher-Filmen gibt es zwei romantische Ebenen. Die erste erschließt sich auf Anhieb: Ryan Rushton (Marc Schöttner) sucht in der Nanny-Schule von Lisa Browning (Anja Nejarri) nach einem Kindermädchen für seinen Bruder Noah (Jonathan Beck) und staunt nicht schlecht, als Amy (Ruby O. Fee), Nanny im Probejahr, auf dem Landsitz eintrifft: Er hätte die junge Frau kurz zuvor beinahe angefahren. Unerfreuliche Begegnungen im Straßenverkehr sind ein beliebter Romanzenauftakt im „Herzkino“. Prompt funkt es zum zweiten Mal, aber Ryan ist mit der Südafrikanerin Kristin (Vijessna Ferkic) verlobt. Die junge Frau hat konkrete Zukunftspläne für das Paar, und darin kommen weder Cornwall noch Ryans Familie vor. Die zweite Liebesebene ist nicht ganz so offensichtlich, aber früh erahnbar, auch in Bezug auf die spezielle Rolle Noahs: Amys mütterliche Freundin Lisa war in jungen Jahren ebenfalls Nanny bei den Rushtons; an ihren Gefühlen für den mittlerweile verwitweten Vater Andrew (Rufus Beck) hat sich nichts geändert.
Mit viel Wohlwollen ließe sich einräumen, dass der altmodische Charakter des Films zur Handlung passt, schließlich ist es durchaus plausibel, dass es auf ehrwürdigen Landsitzen etwas steif und eher gediegen zugeht; trotzdem mutet es zunächst seltsam an, dass sich die jungen Leute siezen. Dazu passt auch die geschmackvolle damenhafte Kleidung, die gerade Kristin sehr viel älter wirken lässt. Amy muss zumindest in der Öffentlichkeit eine Mary-Poppins-Uniform tragen, die sie wie eine Flugbegleiterin aussehen lässt. Für Ruby O. Fee, in Filmen wie „Als wir träumten“, „Die Ketzerbraut“ oder zuletzt einem „Tatort“ aus Weimar („Der kalte Fritte“) als Objekt männlicher Begierden inszeniert, war diese Rolle sicher reizvoll. Allerdings fehlt ihr eine gewisse britische Steifheit, die garantiert ebenso Teil der Nanny-Ausbildung ist wie eine korrekte Aussprache; Amy betrachtet Konsonanten am Wortende offenbar als überflüssig. Mitunter klingen Fees Dialoge zudem aufgesagt, aber das gilt für ihren Filmpartner Marc Schöttner ebenfalls. Dass sich der Besuch einer Schauspielschule durchaus lohnen kann, zeigt sich spätestens bei einem vertrauten Gespräch zwischen Noah und Amy. Der Junge erzählt von seiner verstorbenen Mutter. Amys Frage, ob er sie vermisse, ist völlig überflüssig, aber Fee spricht sie aus, als habe Noah über einen Ausflug geplaudert und Amy erkundige sich, ob’s schön gewesen sei. Vijessna Ferkic hat auch so einen Moment, bei dem die Regisseurin offenbar nicht zugehört hat: Kristin serviert ein frugales Mahl und versichert, es sei glutenfrei – mit Betonung auf der ersten Silbe. Immerhin verzichtet der Film darauf, die Südafrikanerin zur Hexe zu machen. Gerade in den Pilcher-Filmen sind die Nebenbuhler, Männer wie Frauen, stets von vornherein als Antagonisten gebrandmarkt. Kristin ist jedoch ganz sympathisch; jedenfalls, bis sie anfängt, eine Intrige gegen Andrew einzufädeln. Ferkic wäre eine gute Kandidatin für eine „Herzkino“-Hauptrolle.
Wie die meisten selbst der unterdurchschnittlichen Pilcher-Filme erfreut auch „Nanny verzweifelt gesucht“ mit einigen netten Drehbuchideen. So wird Amy beispielsweise als Nanny von Prominentenkindern eingeführt, die sie vor aufdringlichen Paparazzi beschützt, indem sie die Fotografen mit Pommes frites bewirft; die entsprechenden Fotos sind dem Ruf ihrer Schule nicht eben förderlich. Auf die Soll-Seite gehört dagegen die Bezeichnung des Schuhwerks, das Ryan für Amy besorgt, nachdem er ihre weißen Schuhe bei der unsanften Begegnung zu Beginn ramponiert hat: Niemand in diesem Alter nennt die unverwechselbaren Basketballschuhe von Converse „Turnschuhe“; so ältlich ist die Zielgruppe der Sonntagsfilme nun auch wieder nicht, dass sie nicht weiß, was „Chucks“ sind. Fortan erfreut sich die Kamera des Öfteren an den roten Tretern in Nahaufnahme; ein unübersehbares Indiz dafür, dass Amy ähnlich wie einst Schulleiterin Lisa den Leitsatz der Lehranstalt, bei den Männern im Haus professionelle Distanz zu wahren (erst recht, wenn sie gebunden sind), nicht lange beherzigen wird. Damit hat sich die Originalität der Handlung allerdings auch schon erschöpft: Wenn Andrew in seinem Bücherzimmer eine Leiter erklimmt, wird er selbstverständlich herunterfallen; das ist der Vorwand, den die Geschichte braucht, um Lisa wieder ins Beziehungsspiel zu bringen. Der Film ist fast schon zu Ende, als Andrew endlich das „Herzkino“-Credo ausspricht: „Das Wichtigste ist doch nur, was dein Herz dir sagt.“ (Text-Stand: 15.4.2018)