„Geerbtes Glück“ kombiniert zwei Komödienmuster, die in den Freitags- und Sonntagsfilmen von ARD und ZDF regelmäßig zum Einsatz kommen: „Plötzlich Papa“ und „Gelegenheit macht Liebe“. Das eine erzählt davon, wie Menschen – meistens Männer – über Nacht zu einem Kind kommen, weil irgendjemand stirbt und ihnen seinen Nachwuchs hinterlässt. Bei dem anderen müssen sich ein Mann und eine Frau notgedrungen zusammenraufen (beliebtes Subgenre: „Scheinehe mit Hindernissen“) und entwickeln widerwillig Gefühle füreinander. Das Autorenduo Martin Wilke und Jochen S. Franken hat die beiden Schemata zusammengerührt und um einen Nebenbuhler ergänzt; aber darin erschöpft sich die Originalität ihrer Arbeit auch schon. Wie ebenfalls nicht unüblich beginnt die Geschichte mit der herzlichen Abneigung des späteren Liebespaars: Das erste Aufeinandertreffen von Nelly (Maxi Warwel) und Leo (Florian Odendahl) findet am Strand statt. Er macht mit seiner Drohnenkamera Aufnahmen von Surfern, sie liegt im Bikini in der Sonne, und weil er gerade dabei ist, filmt er sie auch, was sie verständlicherweise erzürnt. Kurz drauf heiratet ihre hochschwangere Schwester Eve (Kim-Sarah Brandts), und wer sind die Trauzeugen? Genau.
Bis zu diesem Zeitpunkt ist „Geerbtes Glück“ eine typische romantische Komödie, aber dann kippt der Tonfall radikal: Ein paar Monate nach der Hochzeit haben Eve und ihr Mann einen Autounfall. Er stirbt, sie liegt im Koma; der kleine Jamie ist wie durch ein Wunder unverletzt geblieben. Weil Nelly und Leo die Taufpaten sind, müssen sie sich nun wohl oder übel gemeinsam um das Baby kümmern, selbst wenn sie keine Ahnung von kleinen Kindern haben. Die Mitarbeiterin vom Jugendamt rät ihnen, vorübergehend ins Cottage von Jamies Eltern zu ziehen, damit der Kleine in seiner gewohnten Umgebung bleibt. Nelly hält Leo immer noch für selbstverliebt, doch mitten in einem Streit bricht die Liebe aus, und die beiden fallen maßvoll übereinander her. Aber nun kommt der Nebenbuhler ins Spiel: Nelly ist eine begnadete Fechterin, hat ihre Karriere jedoch beendet. Sportmanager Cameron (Knižka), ebenfalls Fechter, hält sie für eine Medaillenkandidatin bei den Olympischen Spielen, übernimmt ihr Training und verliebt sich in sie. Nelly hat nun die Qual der Wahl: hier der mittellose unstete Leo, ein freiberuflicher Reporter, der davon träumt, die World Tour der Surfer zu begleiten, dort der ältere, zuverlässigere, wohlhabendere Cameron. Anders gesagt: Geld oder Liebe. Als Eve schließlich stirbt und die Eltern auf Probe sich entscheiden müssen, ob sie aus dem Provisorium einen Dauerzustand machen wollen, verstößt Nelly gegen eine eherne „Herzkino“-Regel und wählt das Geld; aber natürlich ist dies nicht das Ende der Geschichte.
Das einzige Überraschungselement des Films sind die verschiedenen Brüche, die zudem gänzlich unerwartet kommen: Gerade noch freute sich Nelly darüber, dass ihre Schwester aus dem Koma erwacht ist, im nächsten Augenblick ist Eve tot. Ansonsten ist „Geerbtes Glück“ ein allenfalls durchschnittlicher Sonntagsfilm, zumal es Maxi Warwel und Florian Odendahl, in diversen TV-Produktionen überwiegend in Nebenrollen aktiv, nicht gelingt, die offenkundigen Schwächen der Romanze zu überspielen. Schon das erste längere Gespräch, ein Telefonat zwischen Nelly und Eve, ist ein typischer Informationsdialog, in dessen Verlauf sich Eve dem Publikum vorstellt („Als deine Schwester …“). Man erfährt, dass Nelly studiert und vor einem Jahr mit ihrem Freund Schluss gemacht hat. Warwel ist zwar schon Mitte dreißig, geht aber locker als Studentin durch. Dass sie sich im Gegensatz zu manchen anderen jungen „Herzkino“-Darstellerinnen nicht mit dem Prädikat „Entdeckung“ schmücken kann, hat allerdings nicht nur mit ihrem Alter zu tun. Dennoch liegt es nicht an ihr, dass der Film – von den Brüchen abgesehen – arm an Höhepunkten ist. Stefan Bartmann, der bei gut und gern drei Dutzend „Pilcher“-, „Traumschiff“- und „Kreuzfahrt ins Glück“-Produktionen Regie geführt hat, ist es nicht gelungen, echte Anteilnahme für die Figuren entstehen zu lassen.
Das gilt trotz der ungleich erfahreneren Schauspieler auch für die zweite Ebene der Geschichte: Nellys südamerikanische Mutter Sofia (Carin C. Tietze) hat die Familie einst verlassen, als die beiden Töchter noch klein waren; sie hatte Heimweh. Götz Schubert spielt den Gatten als sympathische Klischeeverkörperung des zerstreuten Professors, der seiner Frau auch zwei Jahrzehnte nach der Trennung noch nachtrauert. Es ist allerdings die permanent Lebensweisheiten wie „Gefühle nicht auszusprechen, lässt sie nicht verschwinden“ von sich gebende Sofia, die das Thema des Films vorgibt: Ständig ist vom Schicksal die Rede. Autor Martin Wilke war ähnlich oft für die einschlägigen ZDF-Reihen tätig wie der Regisseur, allein in den letzten zehn Jahren hat er 14 Drehbücher für Bartmann-Filme verfasst, viele davon gemeinsam mit Jochen S. Franken. Irgendwann schreibt man dann automatisch nur noch Dialogsätze wie „Man muss sich seinem Schicksal stellen“, „So ist das Leben nun mal“ oder „Man kann nicht alles haben.“ (Text-Stand: 4.12.2017)