Aus Zuschauersicht spielt es naturgemäß keine Rolle, wie ein Verleih den Inhalt eines Films wiedergibt. Bei „Romeos“ aber wird ein entscheidendes Detail der Handlung unterschlagen. Da ist zwar die Rede vom jungen Lukas aus der Provinz, der als Zivildienstleistender nach Köln kommt, dort im Schwesternwohnheim landet, gemeinsam mit seiner lesbischen Freundin die Kölner Halbwelt erkundet und sich in einen jungen Mann verliebt. Aber das allein wäre bloß ein ganz normaler Schwulenfilm, für den sich außer Cineasten und Homosexuellen kaum jemand interessieren dürfte. Dabei hat „Romeos“ ein echtes Alleinstellungsmerkmal zu bieten: Bis vor kurzem hieß Lukas noch Miriam; er ist ein „Transmann“. Deshalb auch der vermeintliche Fauxpas mit dem Schwesternwohnheim: Weil der Wandlungsprozess noch nicht abgeschlossen ist, gilt der transsexuelle Lukas aus bürokratischer Sicht nach wie vor als Frau.
Gewöhnlich werden solche Geschichten als Selbstfindungsdrama erzählt. Es wird furchtbar viel geredet, Tränen fließen, Beziehungen zu Eltern und Freunden gehen in die Brüche. Sabine Bernardi, die das Thema auch schon dokumentarisch bearbeitet hat („Transfamiliy“), hat für ihr Spielfilmdebüt dankenswerterweise einen ganz anderen Ansatz gewählt: Sie inszeniert Lukas’ Geschichte als lichtdurchflutete Sommerromanze mit attraktiven Menschen, denen man auch als „Hetero“ gern zuschaut. Der Film spielt natürlich in Köln, wo man getreu der Devise „Jeder Jeck is’ anders“ angeblich ein besonders großes Herz für Schwule hat. Bei aller Heiterkeit verliert Bernardi aber nie den ernsten Subtext aus den Augen. In Videotagebüchern dokumentieren andere Transsexuelle, wie schmerzhaft der Transformationsprozess ist. Und da Lukas bei aller Freude über jedes Barthaar körperlich nach wie vor mehr Frau als Mann ist, kann und will er auch dem Drängen des schmucken Fabio nicht nachgeben.
„Fast alle Figuren des Films eint diese gesellschaftliche Herausforderung – und doch verhalten sie selbst sich untereinander oft nicht weniger intolerant als ihr Umfeld. Entsprechend wild also wirbelt Sabine Bernardi die Geschlechterbilder durcheinander, und dies, ohne daß etwa die anfangs beschriebene Figurenkonstellation als aufgesetzt und bemüht erscheint. Das erstaunt umso mehr, stellt man fest, dass ‚Romeos‘ letztlich auch nur die Variation eines absolut universellen Themas ist, der Selbstakzeptanz.“ (schnitt.de)
Bernardi inszeniert den Film mit eindrucksvoller Souveränität. Noch bemerkenswerter sind allerdings die Leistungen der drei Hauptdarsteller, die für ihr junges Alter (alle sind um die zwanzig) bereits erstaunlich viel Erfahrung haben. Liv Lisa Fries (als Lukas’ Freundin Ine) war schon in Filmen wie „Sie hat es verdient“ oder „Und morgen Mittag bin ich tot“ herausragend, Maximilian Befort ist eine ausgezeichnete Besetzung als durchtrainierter Macho Fabio, und Rick Okon als Lukas ist schlicht großartig. (Text-Stand: 11.2.2011)