Renn, wenn du kannst

Robert Gwisdek, Jacob Matschenz, Anna & Dietrich Brüggemann. Bezaubernde Suche

Foto: SWR / Tom Trambow
Foto Rainer Tittelbach

Ein querschnittsgelähmter Zyniker und sein Zivi haben ein gemeinsames Objekt des Begehrens: die Cellistin Annika. Drei junge Menschen begegnen sich, suchen Freiheit – und holen sich etwas Romantik in den gleichförmigen Alltag. „Renn, wenn du kannst“ von Dietrich Brüggemann, der das dialogstarke Drehbuch mit seiner Schwester und Hauptdarstellerin Anna Brüggemann geschrieben hat, ist kein Sozialdrama alter Schule. Dieser kleine Kinofilm ist frisches, junges Kino, physisch realistisch, irreal und poetisch zugleich, auf den Spuren von Truffauts „Jules und Jim“ und dann doch wieder ganz anders!

Benjamin, ein querschnittsgelähmter junger Mann, und sein Zivi Christian haben dasselbe Objekt des Begehrens: die Cellistin Annika. Der Zufall führt die drei zusammen. Ben, der sich sein Leben zynisch erträglich redet, hat mal wieder einen Zivi verschlissen. Christian, der neue, lässt sich nicht tyrannisieren. Das imponiert dem Rollifahrer. Die beiden freunden sich an. Dann bringt der Zivi Annika mit, die leicht verhuschte Radfahrerin mit Cello auf dem Rücken, auf die Ben schon lange ein Auge geworfen hat. Mit seinem Fernrohr hat er nicht nur die Hochhaussiedlung im Blick. Zu dritt verbringen sie entspannte Stunden. Sie sitzen in einer Hollywoodschaukel auf dem Balkon und träumen sich fort aus der Betonstadt Duisburg, sie kurven mit einem Straßenkreuzer durch die Gegend, sie gehen auf Entdeckungsfahrt, sie schlafen nebeneinander – und verlieben sich. Schmerzlich für Rollifahrer Ben. „Ich bin nicht auf der Welt, um Frauen zu mögen, ich bin auf der Welt, um Frauen auf den Hintern zu gucken“, sagt er. Doch dann legt sich auf einmal die schöne Cellistin zu ihm ins Bett.

Renn, wenn du kannstFoto: SWR / Tom Trambow
Die Freunde Benjamin (Robert Gwisdek), Annika (Anna Brüggemann) und Christian (Jacob Matschenz) erschaffen sich eine Welt der Fantasie und der Träume. Doch was für die Drei wie ein Spiel beginnt, wird zu einer Reise in Ängste und Abgründe.

Dietrich Brüggemann über seinen Film:
„Der Rollstuhl ist ein wahnsinnig uncooles Requisit – im Film wie im Leben. Man kommt keine Treppe hoch, er macht Falten im Teppich und man wird mitleidig angeguckt. Und Rollstuhlfahrer im Film gelten ohnehin als Kassengift.“

Zu Beginn von „Renn, wenn du kannst“ fliegen die Blätter von Bens Magisterarbeit durch die offene Balkontür und werden in alle Winde zerstreut. Auch dorthin, wo sich die beiden anderen Hauptfiguren gerade befinden. Diese ersten Bilder machen deutlich: dieser Film von Dietrich Brüggemann, der das Drehbuch mit seiner Schwester und Hauptdarstellerin Anna Brüggemann gemeinsam geschrieben hat, ist kein Sozialdrama alter Schule. Drei Figuren, ein Rollstuhl, ein Cello, eine Plattenbauwohnung, ein Ami-Schlitten, eine menschenlose Stadt, lange Autofahrten durch die Nacht, ein atmosphärischer Soundtrack – das ist frisches, junges Kino, physisch realistisch, irreal und imaginär zugleich, auf den Spuren von Truffauts „Jules und Jim“ und dann doch wieder ganz anders. Ein Behinderter als Ekelpaket, eine junge Frau als Realität gewordene Wunschprojektion: zu schön um wahr zu sein, sagt sich der boshaft eloquente Rollstuhlfahrer – und stößt das moderne Märchenwesen vor den Kopf. Poesie legt sich über Geschichte, durchzieht die Bilder. Drei Menschen versuchen kurze Zeit, „besonders“ zu leben – intensiv, feinfühlig, schonungslos ehrlich. Sie suchen Freiheit – und holen sich etwas Romantik in den gleichförmigen Alltag. Eine bezaubernde Utopie.

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Kinofilm

Arte, SWR, WDR

Mit Robert Gwisdek, Anna Brüggemann, Jacob Matschenz, Franziska Weisz, Leslie Malton, Michael Sens

Kamera: Alexander Sass

Schnitt: Vincent Assmann

Musik: Milena Fessmann

Soundtrack: The Cooper Temple Clause (u.a. „New Toys“)

Produktionsfirma: Wüste Film

Drehbuch: Dietrich Brüggemann, Anna Brüggemann

Regie: Dietrich Brüggemann

EA: 08.02.2012 20:15 Uhr | Arte

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