Die vierteilige Serie „Prost Mortem“ würde vermutlich auch als Bühnenstück funktionieren, denn abgesehen von den Rückblenden trägt sich der größte Teil der Handlung an einem Abend in einer Kneipe zu. Kurz zuvor hat sich der lungenkranke Wirt Werner (Werner Prinz) nach einer Feier mit Freunden auf dem Klo mit dem Schlauch seiner Sauerstoffversorgung stranguliert; glaubt jedenfalls die Polizei. Witwe Gitti (Doris Kunstmann) ist jedoch überzeugt, der Gatte sei ermordet worden, und lädt die Verdächtigen zur Trauerfeier in den „Bier-Kavalier“. Es erscheinen: Werners bester Freund Bernie (Simon Schwarz), tragische Figur und Trinker vor dem Herrn, aber irgendwie auch liebenswert; Zoe (Janina Fautz), die stets düster geschminkte Kellnerin, die sich mit dem Death-Metal-Sound aus ihren Kopfhörern gegen die Kneipenschlager wehrt und sich ansonsten die Welt mittels Sarkasmus vom Leibe hält; und schließlich Eva (Elke Winkens), Werners jüngere Schwester, eine ehrgeizige Abgeordnete, die stets attraktive junge Assistenten im Schlepptau hat, weshalb als unvorhergesehener Gast auch ihr Begleiter Steven (Timur Bartels) auftaucht. Ausgerechnet er sorgt dafür, dass der Abend eine unvorhergesehene Wendung nimmt: Werner ist erpresst worden, jemand weiß von einer „Leiche im Keller“, wie es im Erpresserbrief heißt, und der von Gitti im Keller eingesperrte Steven stellt fest, dass das keineswegs metaphorisch gemeint ist.
Foto: 13th Street / Sky
Die Inszenierung durch Michael Podogil, der die Drehbücher gemeinsam mit Matthias Writze geschrieben hat, ist eher zurückhaltend, die Kamera (Valentin Lilgenau) beschränkt sich weitgehend darauf, den Figuren zuzuschauen, und genau darin liegt die Stärke dieser Serie, die im Grunde ein in vier Akte à jeweils gut zwanzig Minuten aufgeteilter Film ist. Der Österreicher hat bislang Werbespots und Kurzfilme gedreht; „Fucking Drama“ zum Beispiel lief 2017 und 2018 auf einigen Dutzend Festivals, war für eine ganze Reihe von Preisen nominiert und hat einige auch gewonnen. Er hat sein Handwerk an der Wiener Filmakademie unter anderem bei Michael Haneke und Wolfgang Murnberger gelernt und sich von den beiden Koryphäen offenbar zur sorgfältigen Arbeit mit den Schauspielern inspirieren lassen. Sehenswert ist „Prost Mortem“ vor allem wegen Doris Kunstmann als verbitterte Witwe. Dabei geht es Gitti gar nicht mal in erster Linie um Rache; sie will beweisen, dass sich ihr Werner keineswegs selbst das Leben genommen hat. Also sorgt sie dafür, dass ihre Gäste nach der „letzten Runde“ (so der Titelzusatz) fürs Erste entschlummern, um sie sodann getrennt zu verhören. Recht bald zeigt sich, dass mit Ausnahme von Kollateralopfer Steven alle ein Motiv gehabt hätten, und natürlich spielt die Leiche im Keller dabei eine spezielle Rolle. Den größten Spaß bereitet Simon Schwarz mit Perücke samt Pferdeschwanz; unnachahmlich ist beispielsweise Bernies leidender Blick, als Gitti noch mal mit dem kredenzten Sekt auf Werner anstoßen will, sein Glas aber bereits geleert ist.
Foto: 13th Street / Sky
Ansonsten lebt die Miniserie neben den Dialogen – gerade Zoes Zynismen machen großen Spaß – nicht zuletzt von den Details. Das beginnt schon mit dem Vorspann: Die Mitwirkenden sind in der Speisekarte oder auf liebevoll gestalteten Brettspielschachteln, Bierdeckel und Flaschenetikette vermerkt; der Name von Podogil ziert das Schild für den Notausgang. Mehr als nur eine nette Idee sind auch die durchgehenden Elemente: Gitti hat ein Ölgemälde von Werner anfertigen lassen, von dem der Gatte streng auf die Runde runterblickt; vielleicht gerät es deshalb hartnäckig immer wieder in Schieflage. In jeder Folge erklingt aus der Musikbox oder dem Küchenradio „Erst wenn du mich nicht mehr liebst“ von Nino de Angelo, das gemeinsame Lied des Paars. Dramaturgisch ähnlich gezielt eingesetzt ist die „Ode an die Freude“ aus Ludwig van Beethovens neunter Sinfonie. Sie ist nicht nur Evas Klingelton („kommt im Parlament immer gut an“), sondern sorgt auch für einen Kontrapunkt zu Gittis finsteren Taten: Die Wirtin schreckt allem Anschein nach nicht mal vor Folter zurück. In Wirklichkeit ist sie natürlich längst nicht so abgebrüht, wie sie sich gibt, aber dennoch droht der Abend schließlich in ein Massaker zu eskalieren.
Mitunter sorgt Podogil zwar dafür, dass die Handlung mittels eines lakonischen Schnitts weitererzählt wird, aber ansonsten ist das Tempo durchaus überschaubar. Das passt jedoch ins Bild, schließlich sind die meisten Mitwirkenden nicht mehr die Jüngsten; auch das Lokal macht einen eher gestrigen Eindruck. Manch’ eine Szene will auch gar nicht bissig sein, sondern vor allem anrührend, zum Beispiel bei einem innigen Tanz zu dritt: Gitti, Werner und sein Wägelchen mit der Sauerstoffflasche. Vordergründig heiter, an sich aber eher tragisch sind auch die Auftritte von Bernie. Der zerknitterte Trinker steht bei Werner mit 2.000 Euro in der Kreide; das würde seine zerknirschte Miene erklären und genügt Gitti als Mordmotiv. Am Festabend – Bernie trägt Tennissocken in Adiletten – hat er eine zwar leidenschaftliche, aber wegen seiner Trunkenheit völlig unverständliche Rede gehalten und später vor die Theke gekotzt. Wunderbar ausgedacht und gespielt ist auch der Moment, als Bernie Eva auf die Pelle rückt; und dann fällt ihm doch nicht mehr ein als „Ich hab’ sie letztens in der Zeitung gesehen.“ Selbst wenn „Prost Mortem“ ansonsten nur halb so unterhaltsam wäre: Die Serie ist schon allein wegen Simon Schwarz sehenswert. (Text-Stand: 30.9.2019)