Der „Polizeiruf 110“ aus Schwerin ist immer für Überraschungen gut. Nachdem sich Uwe Steimle mit seinem vierten Partner Felix Eitner immer mehr in Richtung grundsolide Krimi-Unterhaltung mit nur noch leichtem Hang zum Schnurrigen entwickelt hat, ist der fünfte gemeinsame Fall der lang ersehnte Ausreißer aus der Ermittler-Routine. Einem Leitersturz von Hinrichs, der ihm einen Klinikaufenthalt beschert, folgt ein Amtshilfegesuch in Polen und ein länderübergreifender Fall, der Kollege Tellheim ins Rotlichtmilieu führt und die deutsch-polnische Freundschaft augenzwinkernd ins Visier nimmt.
„Eine Maria aus Stettin“ beginnt mit einem Opfer, das sich nicht als solches begreift und untertaucht: die Prostituierte Maria ist mit drei Messerstichen in den Rücken verletzt worden. Doch anstatt mit der Polizei zusammenzuarbeiten, flüchtet sie aus dem Krankenhaus und entführt ihr Kind, das sie unlängst entbunden hat. Der Anschlag auf die junge Polin weist Parallelen zu zwei Morden an Prostituierten in Stettin auf. Bald sind Tellheim und sein polnisches Pendant einem brutalen Zuhälter, der zugleich Kopf eines illegalen Adoptionsringes ist, und dessen hündischem Lakaien auf der Spur. Maria will die Gefahr, in der sie schwebt, nicht sehen. Sie träumt von Liebe und einem trauten Familienleben.
Eigentlich sollte es nur ein Film um illegale Adoption werden. Doch Autor Eckhard Theophil, der für Detlev Buck „Männerpension“ und „Liebe deine Nächste!“ schrieb und der mit der Schwulen-Gauner-Komödie „Der Boxer und die Friseuse“ für einen stofflich gewagten Fernsehfilm sorgte, wollte seine Rotlichtmilieu-Erfahrungen in die Geschichte einbauen. „Wenn Prostituierte schwanger werden, ist das immer mit einem Verdienstausfall verbunden“, so Theophil. Dieser Gedanke war sein Ausgangspunkt, der ihn auf die Idee brachte vom Zuhälter, der die „Geschäftsschädigung“ auf seine Art ausgleicht. „Die sogenannten Antagonisten sind mir genauso vertraut wie die bürgerlichen Menschen – ich weiß, wie sie ticken und was sie treibt“, sagt der 64-Jährige. Theophils Biographie spricht Bände: aufgewachsen ohne Eltern, auf die schiefe Bahn geraten, Jugendgefängnis, Studium, Arbeit als Sozialarbeiter, Kriminologe und Autor. Gute Voraussetzungen für authentische Storys.
Stephan Wagner („Der Stich des Skorpion“), der ein Faible für schräge, unkonventionelle Stoffe hat, ist der ideale Regisseur für diesen Krimi mit außergewöhnlichen Charakteren. Frank Giering gibt den sadistisch veranlagten Zuhälter, Dirk Borchardt darf seinen nicht minder gewalttätigen Handlanger spielen und Agata Buzek („Valerie“) glänzt als zierliche Emotionsbombe, die die Beglückung der Freier gegen eigene Mutterfreuden eintauscht.
„Obwohl alles in einem sehr bedrückenden Milieu spielt, hat das Drehbuch eine sehr lebensnahe, aufs Maul geschaute aber doch überhöhte Leichtfüßigkeit“, befindet Stephan Wagner. Ihm gefiel, dass Theophil dem Ganzen nicht zu viel „Irma-La-Douce“-Romantik verpasste, sondern mit viel Ironie aufwartet, die in Sarkasmus umschlägt. Der Zuschauer hat nach einem launigen deutsch-polnischen One-Night-Stand zwischen Tellheim und Kollegin Ewa zunehmend weniger Grund zum Schmunzeln. „Wir starten relativ konven-tionell und nähern uns dann den Themen Mord, Menschenraub, Zwangsadoption und Prostitution“, beschreibt Wagner die Dramaturgie. „Dem Zuschauer wird erst später bewusst, dass er das Leid der Figuren in einer ironischen Art und Weise belächelt hat.“ (Text-Stand: 21.9.2008)