“Panzer auf der Deutzer Brücke”. Die Schlagzeile im Kölner “Express” ist fiktiv. Doch Panzer rollten tatsächlich über die Brücke der Domstadt. Zu Pfingsten 2000 wurde jene zentrale Verkehrsader Kölns 24 Stunden komplett gesperrt. Grund: RTL drehte die bis dahin teuerste Eigenproduktion seiner Geschichte – einen Katastrophenthriller im großen Stil. Martialisch aussehende 30-Tonnen-Ungetüme aus Stahl schepperten über den Asphalt. Jetzt sind die furchteinflößenden Bilder im Fernsehen zu sehen in dem Zweiteiler “Pest – Die Rückkehr”.
Dass es fast zwei Jahre gedauert hat, bis Niki Steins 8,5 Millionen Euro teure Produktion auf den Bildschirm kommt, hat offenbar nichts mit der Qualität zu tun. Zumindest der erste Teil ist ein solides Genrestück nach den Regeln der Spannungskunst. Man konnte zunächst keinen passenden Sendeplatz innerhalb des streng durchformatierten RTL-Programms freischaufeln. “Ein Zweiteiler bringt immer Unordnung in die gewohnte Programmierung”, so ein RTL-Sprecher. Als der Sender endlich einen Termin gefunden hatte, kamen die Ausläufer des 11. Septembers, die Attacken mit den Milzbrand-Erregern, dem Film in die Quere.
Alles fängt ganz harmlos an. Da ist eine Ehekrise, dort ein erster Rattenbiss. Dann ein Toter in einer Wohnung, umgeben von einem Dutzend quiekender Nager. Es folgt ein Obdachloser mit seltsamen Krankheitssymptomen. Danach mehren sich die Anzeichen, dass nicht die Müllberge, die wegen eines Streiks, die Kölner Straßen zieren, die Rattenplage verursacht haben, sondern ein Virus. Doch warum sterben die Ratten und verstopfen die Kanalisation? Ein Seuchen-Fachmann (Bergmann), eine Wissenschaftlerin (Schmidt) und ein Arzt der städtischen Poliklinik (Sarbacher) kennen bald den Erreger: die Bakterie Yersinia Pestis, die durch den Rattenfloh übertragen wird. Die Pest ist in Köln. Es gibt kein Gegenmittel, nur drei aufrechte Experten, die gegen die Seuche & die Ignoranz der Politik anzugehen versuchen.
Foto: RTL / Jürgen Thiele
“Seuchenexperten haben mir im Gespräch versichert, dass das Szenario realistisch ist”, betont Niki Stein, der als erfahrener WDR-”Tatort”-Regisseur Köln wie seine Westentasche kennt. Fast alles wurde an Originalschauplätzen gedreht: Domplatte, Schildergasse, Deutzer Brücke. Das Kölner Kolorit war auch dem Sender wichtig. Im Müngersdorfer Stadion wurde eine Quarantänestation errichtet, im leestehenden Kölner Fernsehturm ein Rundfunkstudio. Hier, 140 Meter über der Stadt, thront der zynische Moderator Boccacio, gespielt von Wahlkölner Dietmar Bär, der mit seinen Hardcore-Sprüchen die gewöhnungsbedürftigste Figur des Films ist. Den Rest an Authentizität sollen Wackelkamera und fiktive TV-Bilder ergeben. Doch Hannelore Hoger als Kölner OB zeigt einem, dass doch alles nur “gespielt” ist.
Niki Stein wollte “keinen reißerischen Katastrophenfilm” machen, “eher ein Melodram, ganz nah an den handelnden Personen”. Wolfgang Petersen hat das ja mit “Outbreak” klassisch vorgemacht. “Pest – Die Rückkehr” kann sich mit dem Kinofilm aus Hollywood nicht messen. Vor allem im “panischen” zweiten Teil bricht Stein das Identifikationsgefüge weg. Dennoch: der Film war ein wagemutiges Unterfangen für einen Sender, der normalerweise nur auf Nummer sicher geht. Und das nicht wegen der 850 Ratten, die im Einsatz waren, sondern wegen der Probleme mit selbstproduzierten Mehrteilern. (Text-Stand: 24.2.2002)