Sommer 1980. Beatles-Fan Tobias hört von einer unglaublichen Geschichte. Paul McCartney soll 1966 unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen und von einem Double ersetzt worden sein. Überall auf den Plattencovern gebe es Indizien. Der barfüßige Paul auf “Abbey Road” oder der VW-Käfer mit dem Kennzeichen LMW 28IF, der in Tobias’ Heimatstadt auftaucht, alles geheime Zeichen aus dem Reich des Toten. Oder John Lennons “Ich habe Paul beerdigt”, das man hört, wenn man “Strawberry Fields forever” rückwarts laufen lässt.
Der Pop-Mythos, mit dem der Held in Hendrik Handloegtens mehrfach preisgekröntem Fernsehfilm “Paul is dead” konfrontiert wird, setzte ein amerikanischer DiscJockey bereits 1969 in die Welt. Und zahlreiche Beatles-Apologeten nahmen diese Legende dankbar auf. Dem Abgänger der Berliner Filmhochschule (dffb) ging es bei seinem Debütfilm aus der Reihe “Kleines Fernsehspiel” aber weniger um jene Beatle-Mania und die damit verbundenen (Ab-)Arten der Legenden-Bildung als vielmehr um die Phantasien, die ein Pubertierender in der Provinz entwickeln kann, wo jugendlicher Erfahrungshunger schnell an Grenzen stößt.
Der Film sei “hochgradig biographisch”, betont Handloegten, der seine Kindheit in Finnland, Brasilien, Frankreich und in der Schweiz verbrachte. “Persönlich und aufrichtig, ohne dabei langweilig privat zu werden”, das hatte der 32-Jährige im Sinn. “Der Film sollte auch für Leute funktionieren, die die Beatles gar nicht leiden können.” Kinder, die noch nie etwas von den Fab Four gehört haben, hätten den Film als Detektivgeschichte gesehen. So in Frankfurt, wo er beim internationalen Kinder- und Jugendfilm-Festival den Hauptpreis gewann. Das zentrale Thema sei für ihn: “wie nimmt man die Welt wahr, wenn man so jung ist, wenn alles neu ist, wenn Dinge rätselhaft sind, Kleinigkeiten, die für Erwachsene längst entzaubert sind.”
“Paul is dead” ist für nur 850.000 Mark entstanden. Die Folge: vor allem die Musik und kleine Bildausschnitte bestimmen den Grundton des Films. Das passt zur provinziellen Enge, aber auch zur Perspektive des 13-jährigen Helden. “Es ist wirklich seine kleine Welt”, so Handloegten. Ansonsten mussten Signale der Zeit genügen: Plakate der Bundestagswahl 1980, das Bonanza-Fahrrad oder mal ein Aktion-Sorgenkind-Glas. Die Ausstattung sollte nie in den Vordergrund rücken. Handloegten: “Der Zuschauer soll die Dinge von damals so erleben, wie es die Figuren in ihrer Zeit getan haben.” Auch die Musik beließ er in der Zeit. Die gespielten Beatles-Songs, für die es bei einem Fernsehfilm keine Rechteprobleme gibt, wollte der Jungregisseur nur in den Szenen (im On) ertönen lassen. “Ich wollte die Stücke von damals auf keinen Fall als Kommentar über die Bilder drüberpacken.” (Text-Stand: 8.12.2000)