Papa auf Wolke 7

Mommsen, Minh-Khai Phan-Thi, Koethe, Herlinger. Ordnung ist das halbe Leben

Foto Tilmann P. Gangloff

In den Titeln der Freitagskomödien von Markus Herling wimmelt es nur so von Papas, Omas & Opas. Das klingt nicht gerade nach Anspruch, doch der Regisseur erzählt die Geschichten stets mit einer schönen Mischung aus Heiterkeit und Tiefgang. Das gilt auch für „Papa auf Wolke 7“ (Degeto / Real Film): Der verwitwete Meteorologe Klemens bekommt einen langfristigen Forschungsauftrag in Spitzbergen, aber seine Teenager-Kinder haben keine Lust auf Arktis. Da hilft nur eins: Papa braucht eine neue Frau, damit er hier bleibt. Das ist jedoch gar nicht so einfach, denn Klemens ist Autist und entsprechend schwer vermittelbar. Rettung naht in Gestalt der vietnamesischen Altenpflegerin von Klemens’ altem Vater; doch es ergibt sich ein neues Problem. Bildgestaltung und Musik sorgen für die typische „Endlich Freitag im Ersten“-Stimmung, Oliver Mommsen spielt seine Titelrolle angenehm zurückgenommen, auch die jungen Schauspieler machen viel Freude, und Minh-Khai Phan-Thi ist bezaubernd.

Der Komödienstoff „Papa braucht eine neue Frau“ ist bereits in allen erdenklichen Variationen verfilmt worden, aber manchmal genügt es ja schon, eine Variable einzufügen, um ein Thema anders erzählen zu können. Also ist der Potsdamer Meteorologe Klemens (Oliver Mommsen) nicht nur Witwer und ganz vernarrt in Wolken, die er in seinem Labor auch selbst herstellen kann, sondern zudem autistisch. Das rückt eine Romanze zwar automatisch in die Nähe von Graeme Simsions liebenswerten internationalen Bestseller „Das Rosie-Projekt“, aber abgesehen von ein paar Kritikern stört sich an solchen Parallelen erfahrungsgemäß kaum jemand. Außerdem verblassen Anmerkungen dieser Art ohnehin, wenn das Ergebnis kurzweilige Unterhaltung mit einem gewissen Anspruch ist.

Soundtrack: Julie Peel („Living In A Movie“), Santana („Samba Pa Ti”), Journey („Wheel In The Sky”), Rubén González („Melodí Del Rio”), Air Supply („All About Love”), The Cinematic Orchestra ft. Patrick Watson („To Build A Home”)

Papa auf Wolke 7
Auf nach Spitzbergen – Wir ziehen in die Arktis! Klemens Kurz (Oliver Mommsen) möchte seine Kinder Nelli (Rieke Seja) und Carlo (Alessandro Schuster) mitnehmen.

Klemens’ Schicksal nimmt seinen Lauf, als ein Traum in Erfüllung geht: Er darf das arktische Wetter erforschen. Die Familie, bestehend aus den Teenager-Kindern Nelli (Rieke Seja) und Carlo (Alessandro Schuster) sowie dem geistig noch sehr fitten betreuungsbedürftigen Vater Arthur (Peter Franke), soll ihn nach Spitzbergen begleiten. Aber Arthur weigert sich, im fortgeschrittenen Alter noch mal seine Wurzeln zu kappen; Carlo hat sich gerade in die Schulschönheit Taiga (Elina Vildanova) verknallt, die ihn wundersamerweise auch sehr süß findet, nachdem sein bester Freund dafür gesorgt hat, dass nicht nur sie, sondern die ganze Schule ein Video mit seinem selbstkomponierten Liebeslied sieht; und Nelli hat ohnehin keine Lust auf monatelange Dunkelheit. Der Großvater hat die rettende Idee: Größer als die Leidenschaft seines Sohnes fürs Wetter war allein die Liebe zur verstorbenen Gattin. Wenn es Nelli und Carlo gelingt, eine Frau zu finden, für die Klemens ähnlich viel empfindet, wird er auf den Auftrag verzichten. Also richten sie ein Online-Profil ein und suchen nach geeigneten Kandidatinnen, müssen aber bald feststellen, dass ihr anspruchsvoller Vater mit seiner ausgeprägten Aversion gegen Berührungen durch Fremde nur schwer vermittelbar ist; von seiner fast krankhaften Penibilität ganz zu schweigen. Dass er stets die Wahrheit sagt, macht die Aufgabe auch nicht gerade leichter. Arthur hat derweil vorgesorgt und für den Fall der Fälle schon mal eine Pflegekraft engagiert. Lani (Minh-Khai Phan-Thi) ist Vietnamesin und der ganzen Familie auf Anhieb sympathisch – und: Sie mag Wolken.

Papa auf Wolke 7
Die Kinder wollen nicht mit an die Arktis. Da gibt es nur eins: den Vater verkuppeln. Alessandro Schuster, Rieke Seja und Oliver Mommsen

Lani ist zwar Altenpflegerin, aber natürlich bedient sich der Film nun kräftig beim Romanzen-Genre „Ein Kindermädchen zum Verlieben“. Damit die Sache nicht zu einfach wird, stellt Autor Brix Vinzent Koethe (Gewinner des ARD-Degeto-Stoffentwicklungspreises „Impuls“)  dem potenziellen Paar eine weitere Hürde in den Weg: Lani ist in festen Händen. In Vietnam war sie Krankenschwester, dort hat sich Martin (Andreas Guenther) vor einigen Jahren in sie verliebt, als er ins Krankenhaus musste. Mittlerweile hat sie sich selbstständig gemacht, und das nicht nur beruflich, weshalb die Beziehung der beiden kleine Risse bekommt; das tendenziell konservative Publikum der Sendeplätze freitags im „Ersten“ und sonntags im „Zweiten“ mag es nun mal nicht, wenn der Preis fürs Happy End die Zerstörung einer intakten Verbindung ist. Aber dann geraten Nelli und Carlo in ein echtes Dilemma: Klemens’ Abteilung wird verkleinert. Wenn er den Forschungsauftrag absagt, verliert er seine Stelle; auf dem Arbeitsmarkt wird er noch schwerer zu vermitteln sein als auf dem Beziehungsmarkt.

Natürlich ist der Autismus der Hauptfigur kein Alleinstellungsmerkmal von „Papa auf Wolke 7“, schließlich gibt es vom Hollywood-Klassiker „Rain Man“ mit Dustin Hoffman bis zur ZDF-Reihe „Ella Schön“ mit Annette Frier als Juristin mit Asperger-Syndrom diverse Vorbilder. Frier verzieht in ihrer Rolle keine Miene, und ganz ähnlich interpretiert Oliver Mommsen auch seinen Klemens: Er trägt seine präzise formulierten Dialoge sehr akzentuiert vor, hat aber die Körpersprache stark reduziert; im Grunde spielt er den Meteorologen nur mit Augen und Händen. Das ist eine schöne Idee, die allerdings durch überflüssige Nahaufnahmen konterkariert wird, womit Regisseur Markus Herling gerade den kleinen Fingerbewegungen die Beiläufigkeit nimmt. Koethe gleicht das in seinem ersten verfilmten Drehbuch durch viele originelle Ideen wie etwa Klemens’ quadratische Spiegeleier wieder aus. Vierecke mit gleich langen Seiten sind ohnehin das probate Mittel des Autisten, Ordnung ins Leben zu bringen; das gilt auch für den Garten. Weil Lani das hübsch findet, legt er für sie auch so ein Beet an, allerdings mitten auf Martins gepflegtem Rasen; der ist entsprechend sauer. Witzig ist auch der Einfall, dass Klemens seine Mitmenschen förmlich mit Blicken durchbohrt, wenn ein Faden auf dem Kleid oder ein Haar auf dem Jackett das akkurate Erscheinungsbild beeinträchtigen.

Papa auf Wolke 7
Klemens (Oliver Mommsen) ist Autist und damit schwer vermittelbar. Aber da gibt es ja noch Lani, die herzallerliebste Pflegekraft.

Der Rest ist Handwerk, allerdings auf gehobenem Niveau. Farb-, Licht- und Bildgestaltung (Kamera: Peter Steuger) sorgen gemeinsam mit der Musik (Birger Clausen) für die typische sorglose „Endlich Freitag im Ersten“-Stimmung, und die Schauspieler gehen ausnahmslos in ihren Rollen auf. Minh-Khai Phan-Thi ist in ihrer Rolle bezaubernd, und auch das junge Trio bereitet viel Freude; wäre „Papa auf Wolke 7“ eine ZDF-Komödie, würden Rieke Seja und Elina Vildanova vermutlich umgehend größere Rollen in einem Sonntagsfilm bekommen. Markus Herling hingegen hat Nachwuchsförderung schon lange nicht mehr nötig. Zu seinen besten Arbeiten, fast ausschließlich für die ARD-Tochter Degeto entstanden, gehören „Seitensprung mit Freunden“ (2015) und zuletzt „Zwischen zwei Herzen“ (2019). Dass Titel wie „Opa, ledig, jung“ (2015), „Oma ist verknallt“ oder „Opa wird Papa“ (beide 2018) nicht unbedingt Qualität erwarten ließen, wird nicht seine Schuld gewesen sein. Außerdem hat er es stets verstanden, die zum Teil anrührenden Geschichten mit einer schönen Mischung aus Heiterkeit und Tiefgang zu erzählen. Für „Papa auf Wolke 7“ gilt das nicht minder.

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Fernsehfilm

ARD Degeto

Mit Oliver Mommsen, Minh-Khai Phan-Thi, Alessandro Schuster, Rieke Seja, Peter Franke, Andreas Guenther, Elina Vildanova, Ruth Reinecke

Kamera: Peter Steuger

Szenenbild: Wolfgang Baark

Kostüm: Nicole Stoll

Schnitt: Nils Landmark

Musik: Birger Clausen

Redaktion: Diane Wurzschmitt

Produktionsfirma: Real Film

Produktion: Henning Kamm

Drehbuch: Brix Vinzent Koethe

Regie: Markus Herling

Quote: 4,78 Mio. Zuschauer (15,1% MA)

EA: 30.10.2020 20:15 Uhr | ARD

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