Ohne Schnitzel geht es nicht

Rohde & Pistor, Kittendorf & Haeb, Murnberger & Lewinsky. Sich nicht verbiegen!

Foto: WDR / Frank Dicks
Foto Rainer Tittelbach

Vor drei Monaten waren Armin Rohde & Ludger Pistor als die Langzeitarbeitslosen Günther (Kuballa) und Wolfgang (Krettek) zuletzt im Ersten zu sehen. Nun gehen die beiden Ruhrpott-Originale und Schnitzel-Liebhaber in Serie. Sechs Mal 45 Minuten erwarten den Komödien-Fan unter dem Titel „Ohne Schnitzel geht es nicht“ (Bavaria Fiction). Die Folgen eins bis vier wurden quasi (zeitlich) zwischen die Langfilm-Episoden drei und vier geschoben: Und aus „Schnitzel de Luxe“, dem (vorläufigen?) Happy End der Hartz-IV-Empfänger, wurden die Folgen fünf und sechs. Auch in der Kurzform bleiben Rohde & Pistor ein unschlagbar komisches Duo. Die originellen up-and-down-Plots sind nicht weniger dicht, wirken sogar noch etwas flotter und der Ritualcharakter der Situationen wird ganz besonders betont…

2010 schickte der WDR Armin Rohde und Ludger Pistor alias Günther Kuballa und Wolfgang Krettek zum ersten Mal ins vergebliche Rennen um dauerhafte Arbeit und schnell verdientes Geld. „Schnitzel für drei“ betrat als Sozialkomödie, die es mit der political correctness nicht immer so genau nahm, Neuland im deutschen Primetime-Fernsehen. Ein Demenzkranker lud zum Schmunzeln ein, und ein Koffer voller Geld fiel den liebenswerten Hartzern vor die Füße. Dafür gab es immerhin eine Grimme-Preis-Nominierung. Den Deutschen Comedy Preis erhielt drei Jahre später der zweite Film der losen Reihe: In „Schnitzel für alle“ bekamen die beiden Langzeitarbeitslosen drei jugendliche Behinderte an ihre (tragi)komische Seite; der Film zog stärker die sozialromantische Karte, entdeckte ein Herz für die Jugend und setzte auf Empathie und Caper-Movie-Spannung am Roulettetisch. In „Schnitzel geht immer“ (2017) versuchten die euphorisierten, aber letztendlich glücklosen „Helden“ in einer Quiz-Show groß abzusahnen. Im Januar 2019 winkte dann allerdings doch noch das Happy End für Günther & Wolfgang. Die beiden träumten in „Schnitzel de Luxe“ davon, ihre Stammkneipe, „Theos Schnitzelbude“, als Schankwirte zu übernehmen. Und es blieb es nicht beim Träumen.

Ohne Schnitzel geht es nichtFoto: WDR / Frank Dicks
Paketboten werden zwar gebraucht… aber solche wie Günther (Armin Rohde) eher nicht. Wolfgang (Ludger Pistor) ist sauer, dass sein Freund immer so „unflexibel“ ist.

Drei Monate später gehen nun die beiden Ruhrpott-Originale und Schnitzel-Liebhaber in Serie. Sechs Mal 45 Minuten erwarten den Komödien-Fan unter dem Titel „Ohne Schnitzel geht es nicht“. Die Folgen eins bis vier wurden quasi (zeitlich) zwischen die Langfilm-Episoden drei und vier geschoben: Und aus „Schnitzel de Luxe“, dem (vorläufig?) glücklichen Ende der Hartz-IV-Empfänger, wurden die Folgen fünf und sechs der Serie. Auch im 45er-Format bleiben Rohde und Pistor ein unschlagbar komisches Duo. Die originellen up-and-down-Plots sind nicht weniger dicht, wirken sogar in der Kurzform noch ein bisschen flotter, und der Ritual-Charakter à la „Und ewig grüßt die Jobagentur“ lässt sich in Serie sogar noch besser darstellen. Kein Wunder, die Macher sind – wie es sich mittlerweile auch für deutsche Serien gehört – absolute Profis, ebenso fernsehfilm- wie kinoerfahren: Wolfgang Murnberger („Kästner und der kleine Dienstag“) und Micha Lewinsky („Nichts passiert“) führten Regie. Die Bücher schrieben Katja Kittendorf („Tonio & Julia“) und Ingo Haeb („Es ist alles in Ordnung“, „Fraktus“). Und hinter der Kamera stand Peter von Haller („Mörder auf Amrum“), einer der meistbeschäftigten und kreativsten Köpfe seiner Zunft.

Kern auch der Serie ist der Freundschafts- und Gemeinschaftsgedanke. Die beiden Kumpel sind Gemütsmenschen, die nicht in den Spiegel schauen könnten, wenn sie ihr eigenes Glück auf dem Unglück anderer aufbauen würden. So meldet sich in „Schnitzel Husarenart“ (Folge 4) ihr Gewissen, als sie als Kaffeefahrten-Animateure ebenso gutgläubige wie dauergelangweilte Senioren zum Kauf sinnloser Waren verführen. Und in „Schnitzel Hausfrauenart“ (Folge 3) stößt Wolfgang, der es „in die Mitte der Gesellschaft“ geschafft hat, an die Grenzen seiner (un)moralischen Möglichkeiten: Als Abteilungsleiter in seinem geliebten Metier, der Herren-Oberbekleidung, muss er Mitarbeiter entlassen. Auch für Günther geht es in der Folge vermeintlich bergauf – als Heimarbeit-Anbieter, der Kinder für sich arbeiten lässt. Doch sein Erfolg geht bald auf Kosten seiner Nachbarin und dann ist da ja noch der Mann von der Gewerbeaufsicht… Zum Auftakt in „Schnitzel à la Hollywood“ schmeißen die beiden noch wie gewohnt ihre Talente zusammen: „Der ehrliche Günni“ entdeckt als Müllsortierer auf dem Fließband eine wertvolle Briefmarkensammlung, während Wolfgang sich fasziniert zeigt von Social Media, Kommunikation & Marketing, was ihn dazu antreibt, seinen Freund kurzerhand zur Bierwerbung-Ikone („Büsching ist mein Bier“) aufzubauen. Doch erwartungsgemäß klappt das am Ende dann doch nicht ganz so wie geplant. Der gute Werner Hansch in einer Gastrolle als er selbst ist daran nicht ganz unschuldig. In „Schnitzel à la familia“ (Folge 2) trennen sich – allerdings nur für kurze Zeit – die Wege der beiden Freunde. Während Wolfgang auf der sozialen Leiter nach oben klettert, befindet sich der renitente Günther, der bei Frau Gottschalk einen Job nach dem anderen boykottiert, im freien Fall nach ganz unten. Und dann brennt auch noch seine Wohnung aus.

Ohne Schnitzel geht es nicht
Nach zwischenzeitlicher Funkstille wieder ein Herz & eine Seele. Wohlfühlstimmung trotz kleiner Krisen der Helden auch beim Zuschauer. Hämer, do Rego, Pistor, Rohde

Herzstück von „Ohne Schnitzel geht es nicht“ sind die zwei Hauptcharaktere und die typische Komik, die Rohde, Pistor & die Macher ihnen angedeihen lassen: ein bisschen prollig und direkt der eine, altherrenelegant und zurückhaltend der andere (nur beim Verkaufen wird Wolfgang zum Tier). Da trifft Rohdes Ruhrpott-Prolet-Kult auf Pistors very britisches Humorverständnis – und manchmal schimmert Loriots Kontrastkomik durch die köstlichen Miniaturen menschlicher Kommunikation. Durch die Geschichten zieht sich eine angenehm altmodische Grundhaltung, bei der etwas Sozialkritik nicht fehlen darf. Der Pott verpflichtet auch in anderer Hinsicht. Man steht zusammen, man hilft sich, aber der Gemeinschaftssinn ist nie gänzlich ungebrochen und naiv, Witz und Ironie relativieren die „Geld allein macht nicht glücklich“-Botschaft. Auch dramaturgisch ist das Ganze weniger stereotyp als auf den ersten Blick angenommen. Die Geschichten verlaufen immer einen Tick anders als erwartet. Da nimmt man als Zuschauer an, dass es die unabsichtlich unterschlagene Briefmarke sein wird, die dem „ehrlichen Günni“ das Genick als Werbeikone brechen wird. Dem ist am Ende aber nicht so. Auch die Sache mit dem Feuer in Günthers Wohnung nimmt einen anderen Verlauf als befürchtet. Wirkungsvoll ist auch der Aufstand der Senioren. Und die Lösungen am Ende fallen immer unter die Rubrik „Hauptsache Wohlfühlen“. Mehr noch als in den Langfilmen gewährt die Serie Einblicke in die schöne neue Arbeitswelt. „Wenn du da hochwillst, musst du ein Arschloch sein“, weiß der neue Freund von Wolfgangs Tochter Jessi. Die neue Chefin des Mode-Online-Shops formuliert das ganz ähnlich: „Wenn ich nicht so wäre, wäre ich nicht da, wo ich bin.“ Günther und Wolfgang wollen da nicht hin. Sie finden einen Weg, wie sie sich nicht verbiegen müssen – und dennoch am Ende Arbeit haben. (Text-Stand: 27.3.2019)

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WDR

Mit Armin Rohde, Ludger Pistor, Therese Hämer, Cristina do Rego, Ramona Kunze-Libnow, Tilo Prückner. Gastrollen: Albrecht Ganskopf, Samir Fuchs, Andreas Schröders, Jürgen Rißmann, Eric Klotzsch, Jeremy Mockridge, Karen Böhne, Ilse Strambowski

Kamera: Peter von Haller

Szenenbild: Thomas Schmid

Kostüm: Susa Sasserath

Schnitt: Guido Krajewski

Musik: Stefan Bernheimer, Markus Gartner

Redaktion: Götz Bolten

Produktionsfirma: Bavaria Fiction

Produktion: Gabriele Graf, Oliver Vogel

Drehbuch: Katja Kittendorf, Ingo Haeb

Regie: Wolfgang Murnberger, Micha Lewinsky

EA: 01.04.2019 20:15 Uhr | WDR

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