Nord Nord Mord – Sievers und die stille Nacht

Peter Heinrich Brix, Brendler, Wnuk, Tölle, Walendy, Nagel. Tödliche Weihnachten

Foto: ZDF / Georges Pauly
Foto Tilmann P. Gangloff

Nach einem leichten Durchhänger hat sich „Nord Nord Mord“ (ZDF / Network Movie) wieder gefangen: Der Weihnachtskrimi „Sievers und die Stille Nacht“ ist eine rundum gelungene Kombination aus Mördersuche und kleinen Heiterkeiten. Tatsächlich könnten viele Szenen auch aus einer romantischen Komödie stammen: Kommissar Feldmann (Oliver Wnuk) ist sehr zum Unmut seiner Kollegin (Julia Brendler) verliebt, was für allerlei Störungen im Ermittlungsablauf sorgt, denn die Dame seines Herzens ist die Tochter eines Mordopfers. Der Mörder ist ein Mann mit Rauschebart und rotem Wams, was die Tätersuche erschwert, denn Weihnachtsmänner sind im Dezember selbst auf Sylt keine Seltenheit. Der Film verdankt seine Würze vor allem den vielen amüsanten Details. Gleich mehrere Ensemblemitglieder holen zudem aus kleinen Nebenrollen erstaunlich viel heraus. Respekt gebührt dem Szenenbild: Den Bildern ist kaum anzusehen, dass sie im Mai entstanden sind.

Zipfelmütze, Rauschebart und rote Kleidung: Die Merkmale sind eindeutig. Dummerweise tummeln sich zur Weihnachtszeit selbst auf Sylt sehr viele Menschen, auf die diese Beschreibung zutrifft. Das Trio von der Kripo hat allerdings noch ein ganz anderes Problem, und in der harmonischen Kombination dieser beiden Ebenen liegt der Reiz der Geschichte: Hinnerk Feldmann (Oliver Wnuk) ist verliebt. Das war er schon immer, nämlich in Ina Behrendsen (Julia Brendler), aber die Beziehung der beiden blieb trotz gemeinsamer WG stets in der Schwebe, weil die Kollegin ihn zappeln ließ. Beim Probeliegen im Bettenhaus hat Hinnerk die Juniorchefin des Unternehmens kennengelernt, und deshalb ist er beim 16. Fall nicht bloß Ermittler, sondern auch Betroffener: Das Mordopfer ist, so es zur einer Heirat gekommen wäre, sein zukünftiger Schwiegervater, der „Betten-Reuter“.

Als die Episodentitel von „Nord Nord Mord“ noch nicht mit „Sievers und…“, sondern mit „Clüver und…“ begannen, war der von Robert Atzorn verkörperte Chef des Trios mehrfach in einer ähnlichen Rolle: Kaum hatte sich sein Herz für eine neue Bekanntschaft erwärmt, entpuppte sie sich als Verdächtige. Das immerhin kann Feldmann ausschließen: Als er bei den Reuters klingelt, fällt ein Schuss; durch die Tür sieht er einen Weihnachtsmann fliehen. Der Hausherr ist tot; im Keller findet der Kommissar hinter verschlossener Tür die Witwe (Johanna Gastdorf) und seine Freundin (Lena Dörrie), beide gefesselt und geknebelt. Als dringend verdächtig gelten zwei als Weihnachtsmänner verkleidete Serieneinbrecher. Also werden Feldmann und Behrendsen umgehend bei einer Agentur vorstellig, die entsprechende Darsteller vermietet. Diesmal ist allerdings allerlei Sand im sonst so reibungslos funktionierenden Ermittlungsgetriebe, denn als der Kollegin klar wird, warum Feldmann vor ihr am Tatort war, zeigt sie eindeutige Eifersuchtssymptome. Das wiederum ergrimmt den ohnehin selten gut gelaunten Vorgesetzten (Peter Heinrich Brix): Sievers fürchtet, die emotionalen Eskapaden des Duos könnten sein Erfolgs-Team sprengen.

„Nord Nord Mord“ hat zuletzt etwas geschwächelt. Der Esprit, der die Filme von vergleichbaren Reihen abhob, schien ebenso dahin wie der Schwung, mit dem sie bis dahin inszeniert waren; selbst das gute Ensemble wirkte überspielt. „Sievers und die Stille Nacht“ entspricht wieder dem früheren Qualitätsanspruch. Die Geschichte ist interessant, selbst wenn sich ein früher Verdacht, den viele Krimifans haben werden, prompt bestätigt. Die doppelte Beziehungsebene ist sowieso interessanter. Der ungeklärte Status zwischen Feldmann und Behrendsen zieht sich wie ein roter Faden durch die Reihe und sorgt regelmäßig dafür, dass die entsprechenden Szenen auch aus einer romantischen Komödie stammen könnten. Freude machen zudem einige Momente, die so gut gespielt sind, dass sie wie improvisiert wirken: Als Feldmann der Rechtsmedizinerin beim Videogespräch ein Bild des Einschuss-Lochs zeigt, will sie wissen, ob es auch eine Austrittswunde gebe; er dreht das Foto um und verneint.

Nord Nord Mord – Sievers und die stille NachtFoto: ZDF / Georges Pauly
Ein Weihnachtskrimi, der im Frühjahr gedreht wird, ist immer eine Gratwanderung. Auch wenn es auf dem 08/15-Pressefoto nicht so aussieht, klappt das im Film in Kombination mit der Handlung gut. Peter Heinrich Brix, Julia Brendler, Oliver Wnuk

Es sind vor allem Details wie diese, denen „Sievers und die stille Nacht“ seine Würze verdankt; dazu zählen unter anderem die Gags mit einem riesigen aufblasbaren Weihnachtsmann, der zudem für die witzige Schlusspointe sorgt. Amüsant sind auch die Szenen mit Jessica Kosmalla als eigenwillige Schusswaffenexpertin und die kleinen Auftritte des Streifenpolizisten Schneider (Stephan A. Tölle). Ohnehin holen gleich mehrere Ensemblemitglieder aus ihren kleinen Nebenrollen erstaunlich viel heraus, darunter auch Marlen Ulonska als rechte Hand und Geliebte des Weihnachtsmannvermieters (Thomas Kügel). Das Drehbuch schrieb Thomas Oliver Walendy, es ist sein sechstes für die Reihe. Regie führte Sven Nagel („Lobbyistin“), der mit seiner Dokusoap-Parodie „Diese Kaminskis – Wir legen Sie tiefer!“ (2013) äußerst vielversprechend gestartet ist. Seine Beiträge für die ZDF-Krimireihen „Friesland“ und „Wilsberg“ waren eher enttäuschend, aber diesmal trifft er Ton und Tempo der Geschichte ausgezeichnet; ein Kamerablick aus dem Einschussloch entspricht exakt dem schwarzen Humor, der auch „Diese Kaminskis“ prägte. Mindestens ebensoviel Anerkennung gebührt allerdings Anna Alaeddine. Dass es vermutlich nicht einfach war, im Frühjahr die nötigen Weihnachts-Accessoires zu finden, ist Teil des Jobs, doch die Ausstatterin hat auch sonst dafür gesorgt, dass das Szenenbild sehr stimmig ist. Der Dreh fand im Mai statt, da machen sich selbst auf Sylt die ersten Frühlingsboten bemerkbar, aber im Film ist davon nichts zu sehen. Dass die Mitwirkenden tatsächlich aussehen, als sei ihnen kalt, hat dagegen nichts mit Schauspielkunst zu tun: Es gab einen unerwarteten Kälteeinbruch, der natürlich wie gerufen kam.

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Reihe

ZDF

Mit Peter Heinrich Brix, Julia Brendler, Oliver Wnuk, Stephan A. Tölle, Lena Dörrie, Johanna Gastdorf, Thomas Kügel, Marlen Ulonska, Cecil von Renner, Patrick von Blume, Anna Stieblich, Victoria Trauttmansdorff, Jessica Kosmalla

Kamera: Heinz Wehsling

Szenenbild: Anna Alaeddine

Kostüm: Carola Neutze

Schnitt: Johannes Schäfer

Musik: Mario Grigorov

Soundtrack: Marissa Nadler („All Out Of Catastrophes”), Elvis Presley („White Christmas”), Ramones („Merry Christmas“)

Redaktion: Peter Jännert

Produktionsfirma: Network Movie

Produktion: Jutta Lieck-Klenke, Dietrich Kluge

Drehbuch: Thomas Oliver Walendy

Regie: Sven Nagel

Quote: 8,21 Mio. Zuschauer (26,3% MA)

EA: 20.12.2021 20:15 Uhr | ZDF

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