In einer hübschen Villa am See leben Melanie (Franziska Walser) und Walter Huber (Edgar Selge). Sie leidet unter Migräne, geht nur mit Sonnenbrille vor die Tür und beschäftigt sich mit Glasmalerei im eigenen Garten-Atelier. Er arbeitet in einer Versicherung, erledigt die Einkäufe und kümmert sich um die Geldgeschäfte. Ein lange miteinander verheiratetes Paar, das in getrennten Zimmern schläft, sich eingerichtet hat in der Routine der Beziehung und darüber nicht unglücklich scheint. Man geht freundlich und sanft miteinander um.
Allerdings geschehen beunruhigende Dinge: Melanie glaubt, einen Einbrecher im Haus gesehen zu haben. Bei der gemeinsamen Suche stoßen sie auf eine offene Gartentür, aber auf keinen Fremden. Walter beruhigt seine Frau, scheint aber selbst besorgt zu sein, ob in seinem Arbeitszimmer alles am rechten Platz ist. In der Schublade seines Schreibtischs hat er eine Zeitung aufgehoben. Die rot umkreiste Überschrift eines Artikels lautet: „Frau stirbt bei Wohnungsbrand“. Später beobachtet Melanie mit dem Fernglas eine Frau, die an einem Baum in der Nähe lehnt und zum Haus blickt. Als sie hinläuft, ist die Frau verschwunden, dafür hängt am Baum ein Zettel, auf dem steht: „Brennen sollst du“. Walter wird außerdem von einem Mann mit dem Auto verfolgt. Dies geschieht keineswegs heimlich, vielmehr zeigt sich der Unbekannte ganz ungeniert. Walter ist das unangenehm, doch er unternimmt nichts.
Die Handlung bewegt sich auf zwei Ebenen: Da ist zum einen die festgefahrene, sich selbst genügende Ehe. Zum anderen – eher untergeordnet – geht es in einer Art Tragödie mit Krimi-Touch um eine vergangene Schuld, die nun langsam ans Tageslicht drängt. Beides verknüpft das Drehbuch in bedächtigem Tempo und in einer Atmosphäre wachsender Beklemmung. Welches Geheimnis verbirgt Walter? Was ist in all den Jahren der Partnerschaft unausgesprochen geblieben? Nach und nach stellt sich heraus, dass die bei einem Brand verstorbene Frau Selbstmord begangen hat – und die Tochter der ehemaligen Haushälterin der Hubers war. Der Film beschränkt sich ganz auf die Perspektive des isolierten Ehepaars, das nur die nötigsten Kontakte unterhält. Die Inszenierung arbeitet wirkungsvoll diese Zweiteilung in Innen- und Außen-Welt heraus. Obwohl als realistisches Drama angelegt, erscheinen Figuren und Handlungs-Ort zum Teil surreal. Die hübsche Villa als Gefängnis, mit einem See davor, dessen Gewässer so tot zu sein scheint wie die gespensterhaften Haus-Bewohner.
Zu dieser Stimmung trägt auch das Spiel mit Symbolen und Metaphern bei. Manches ist arg offenkundig: Wenn zwei Modellflugzeuge zusammenkrachen und brennend(!) in den See fallen, wenn also Unheil und Unruhe die vermeintliche Harmonie stören, setzt es bei Melanie den nächsten Migräne-Anfall. Und dass man ihre Lichtempfindlichkeit auch als Bild für die Blindheit in der eigenen Beziehung deuten kann, liegt ohnehin auf der Hand. „Schatten“ lautete der Arbeitstitel des Films, und Melanie ist auf eine sehr traditionelle Weise die Schattenfrau, die Licht und Außenwelt scheut. Den Ehemann hat ihr reicher Vater ausgewählt, Walter sollte auch sein Nachfolger in der Firma werden. Und bis heute verspürt Melanie nicht den Wunsch auszubrechen. Ihr genügt das Spiel mit dem Licht bei der Glasmalerei. Wenn sie von der „großen Leuchtkraft“ der neuen Farben schwärmt, offenbart sich womöglich eine verborgene Sehnsucht nach Freiheit, aber nicht einmal die Ausstellung der eigenen Objekte in einer Galerie schaut sie sich an. Und nie hat es geklappt mit dem gemeinsamen Konzertbesuch mit Walter, wegen der Migräne. „Du warst das ganze Leben lang hier?“, fragt entgeistert die Freundin des erwachsenen Sohnes, die beide zu Walters Geburtstag zu Besuch kommen. Offenbar hat Melanie das Grundstück schon seit Ewigkeiten nicht mehr verlassen.
Das alles erscheint verstaubt und gespenstisch, doch Franziska Walser spielt diese Melanie nicht als Frau, die nicht von dieser Welt wäre. Sondern konsequenterweise als glückliche Ehefrau, die nichts vermisst und unter nichts leidet, abgesehen von der Migräne. Sie hat auch, im Gegensatz zu Walter, Lust auf Sex. Melanie ist die treibende Kraft. „Hast du dir unser Leben so vorgestellt?“, fragt sie. Es klingt interessiert und gar nicht zweifelnd. Walser überzeugt darin, diese nicht gerade emanzipierte Frau dennoch nicht unmodern oder bodenlos naiv wirken zu lassen. Etwas überfordert scheint sie in einer Situation, in der sie auf ihren Mann losgehen muss. Was auch an Buch und Inszenierung liegt: Zu viele Sätze, zu viel gekünstelte Wut. Ob es glücklich ist, die Hubers mit einer Frau und einem Mann zu besetzen, die auch im realen Leben ein Paar sind, liegt im Auge des Betrachters. Die alberne Frage an Schauspieler, wieviel denn von ihrer Darstellung mit der eigenen Wirklichkeit übereinstimmt, ist auch für eine Betrachtung dieses Films irrelevant. Hier agieren zwei professionelle Schauspieler, und Selge und Walser harmonieren gut, sowohl in der Intimität als auch in der Fremdheit, die sich aus der Beziehungs-Routine und dem Unausgesprochenen ergibt.
Während Melanie das Licht scheut, hat Walter mit Hitze zu kämpfen. „Brennen sollst du“, stand auf dem Zettel; Walter deutet das als „Fluch“. Und diesem leisen Mystery-Touch muss Selges Figur nun folgen. Walter scheint innerlich zu verbrennen. Immerzu muss er Wasser trinken oder sich im See abkühlen. Das ist eine Weile originell, manchmal aber auch unfreiwillig komisch. Wenn er beim Essen schwer zu atmen beginnt, befürchtet Melanie folgerichtig, das Gulasch sei zu scharf. Man darf annehmen, dass Selge die innere Qual Walters auch ohne solch bedeutungsschweres Spiel mit den Elementen zum Ausdruck gebracht hätte. Und dass der flotte Refrain von Bennes Titelsong „Nie mehr wie immer“ über die ernsten letzten Dialogsätze hinwegfegt, ist ein erstaunlich plumpes Ende für ein ansonsten mit Musik zurückhaltendes Beziehungsdrama. (Text-Stand: 11.12.2014)