Nachtschicht – Amok

Armin Rohde, Katharina Böhm, Ken Duken, Lars Becker: Das Team ist der Star

Foto: ZDF
Foto Rainer Tittelbach

“Nachtschicht” setzt mit Armin Rohde, Katharina Böhm, Ken Duken und Minh-Khai Phan-Thi auf das hochkarätigste Polizeirevier TV-Deutschlands. “Amok” besticht auch durch die Eleganz, mit der der Alltag der Helden und gekonnte Genre-Stilistik zu etwas verschmelzen, was man hierzulande lange Zeit nicht kannte: Becker gelingt es, den Gegensatz zwischen der Künstlichkeit des Mediums & der Realismuswahrnehmung des Fernsehens aufzuheben.

Drei Kommissare des Hamburger Kriminaldauerdienstes treten ihre Nachtschicht an. Der erste Einsatz führt in eine Siedlung für Sozialschwache. Eine junge Frau droht mit Selbstmord – der Gerichtsvollzieher in der Wohnung, der Mann bei einer anderen und schon wieder ein Baby im Bauch. Als die Polizisten in der Wohnung eintreffen, ist alles halb so schlimm. Dafür spielt der Nachbar verrückt. Auch der hat Besuch vom Gerichtsvollzieher bekommen. Doch anstatt brav der Pfändung zuzusehen, hält der ihm eine Pump-Gun unter die Nase – und macht sich mit ihm als Geisel und einer Tasche Sprengstoff auf zu einer nahegelegenen Bank. Dort nimmt er sieben weitere Geiseln und fordert zwei Millionen Euro.

“Nachtschicht” von Lars Becker (“Kanak Attack”) setzt mit Armin Rohde, Katharina Böhm, Ken Duken und Minh-Khai Phan-Thi nicht nur auf das am hochkarätigsten besetzte TV-Polizeirevier Deutschlands, der Auftaktfilm “Amok” besticht vor allem auch durch die Eleganz, mit der der Lebensalltag der Helden und gekonntes Genre-Handwerk zu etwas verschmelzen, das man so bislang fast nur in amerikanischen und englischen Ausnahme-Serien zu sehen bekam: Kinofan Becker gelingt es, den Gegensatz zwischen der Künstlichkeit des Mediums und der Realismuswahrnehmung des Fernsehens aufzuheben. Der ostfriesische Wahlhamburger macht einem nicht weiß, dass so das Leben sei – und dennoch spiegelt der Film mehr soziale (Krisen-)Wirklichkeit und menschliche Wahrheit als manches ach so realistische Elendsdrama aus dem Armenhaus Deutschland. Da bittet beispielsweise der von Uwe Ochsenknecht großartig gespielte, leicht durchgeknallte Amokläufer seine Geiseln zur Vorstellungsrunde. Und die hört sich an wie ein gruppendynamisches Treffen von Zukurzgekommenen. Dass fast jeder lügt, ist zusätzliches Salz in der sozialen Suppe.

Nachtschicht – AmokFoto: ZDF
Das waren noch Zeiten! „Amok!“ war eine Sternstunde des Krimi-Fernsehens. Die ZDF-Pressefotos konnten 2001 da leider nicht mithalten. Armin Rohde, Katharina Böhm und Cosma Shiva Hagen (im Hintergrund)

„Lars Becker pfeift auf Realismus, setzt auf gestylte Bilder, absurde Szenen, dicke Sprüche und Stars. Echte Polizisten werden sich die Haare raufen, alle andern finden’s sicher prima. Echter Hingucker: karg, düster, grotesk“ (TV-Spielfilm)

Geisel-Krimis und Bankraub-Geschichten haben eine eigene Dramaturgie. Die wollte Lars Becker nicht neu erfinden. Anders aber ist die Gewichtung. “Im Vordergrund steht weniger die Geschichte als vielmehr das Milieu, in dem die Arbeit der Polizisten stattfindet”, so Becker. Und so sucht man die Spannung nicht nur in der Handlung, sondern stärker in den Gesichtern, dem Tonfall, den kommunikativen Zwischentönen. Erst werden die Figuren eingeführt, dann kracht es. So entsteht größtmögliche emotionale Bindung an das Geschehen bei gleichzeitig bestem Überblick. Der Zuschauer sieht das Ganze aus den verschiedensten Perspektiven. Das dichte Figurengeflecht ermöglicht eine flexible Wahrnehmung.

Das Team ist der Star. Und der ist wandelbar. “Der Zuschauer kann erwarten, dass er nicht sich ständig reproduzierende Rollen-Modelle, sondern Folge für Folge eine Entwicklung innerhalb der recht ambivalenten Figuren erlebt”, verspricht Becker, der mit seinen ZDF-Filmen wie “Das Gelbe vom Ei” oder “Rette deine Haut!“ bei Kritik wie Publikum auf viel Gegenliebe stieß. Besonders gespannt sein kann man auf die Entwicklung des “bad guy” innerhalb des Teams sein. Armin Rohdes Hauptkommissar, ein intoleranter, grobklotziger Instinktbulle, scheint jedenfalls einige Leichen im Keller zu haben. (Text-Stand: 24.3.2002)

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Reihe

ZDF

Mit Armin Rohde, Katharina Böhm, Ken Duken, Minh-Khai Phan-Thi, Heiner Lauterbach, Florian Lukas, Cosma Shiva Hagen, Gustav Peter Wöhler, Ill-Young Kim

Kamera: Wedigo von Schultzendorff

Schnitt: Oliver Gieth

Produktionsfirma: Network Movie

Drehbuch: Lars Becker

Regie: Lars Becker

Quote: 5,75 Mio. Zuschauer (17,4% MA); Wh. (2005): 1,17 Mio. (12,7% MA); 2. Wh. (2007): 4,54 Mio. (16,6% MA)

EA: 24.03.2002 20:15 Uhr | ZDF

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