Es ist ein ungewöhnlicher Fall für Angelika Flierl (Bernadette Heerwagen), Harald Neuhauser (Marcus Mittermeier) und Ludwig Schaller (Alexander Held). Das K11 bat um Amtshilfe, und Chef Zangel (Christoph Süß) gewährte sie gern, schließlich geht es um einen „Gastronomie-Mord“ – und damit lässt sich politisch punkten. Vorausgesetzt, der Fall ist schnell gelöst. Danach sieht es allerdings nicht aus: Erst einmal ist Observieren angesagt. Zielobjekt ist Lutz Werneck (Eckhard Preuß), mehrfach wegen Nachtclubraubs verurteilt. Der scheint auch tatsächlich etwas mit der Sache zu tun zu haben; Mord aber wäre neu für ihn. Nachdem Flierl während einer Beschattungsaktion niedergeschlagen wurde, ist klar: Werneck muss einen Komplizen haben. Kopfzerbrechen bereitet den Kommissaren Zeitpunkt und Hergang der Tat. Der Überfall mit Todesfolge fand statt, bevor der Nachtclub öffnete, auch die Reaktion des Täters nach dem tödlichen Schuss wirft Fragen auf. Gibt es etwas, was die Kellnerin Nike (Sinja Dieks) der Polizei verheimlicht? Weshalb hat das K11 so fahrlässig ermittelt? Und welche Rolle spielen bei dem tödlichen Malheur, das offensichtlich einem Amateur-Gauner unterlaufen ist, das ungleiche Geschwisterpaar Moritz (Florian Brückner) und Anita Jandl (Jenny Schily)? Dass Schaller seine Augen von jener „schwarzen Rose von Giesing“ nicht abwenden mag, das dürfte allerdings nicht nur kriminalistische Gründe haben.
Foto: ZDF / Jürgen Olczyk
„Schwarze Rosen“, der fünfzehnte Film aus der etwas anderen ZDF-Krimi-Reihe „München Mord“ und bereits der siebte, für den das Autorenduo Ina Jung und Friedrich Ani das Drehbuch geschrieben hat, beginnt anders als gewohnt. Es gibt keine augenzwinkernde Weisheit über das Leben, keine philosophischen Anmerkungen zu München und seinen Bewohnern, also nicht die übliche Einstimmung auf die Geschichte durch eine der Figuren. Sind diese Prologe auch ein sympathisches Ritual und ein Alleinstellungsmerkmal der Reihe – der Verzicht darauf hat in diesem Fall auch etwas für sich. So wird der Zuschauer gleich in der ersten Szene Augenzeuge des abendlichen Überfalls in dem leeren Nachtclub: ein un-geschickter Täter, eine Frau, die sich wehrt, ein Schuss, der sich eher zufällig löst. Es folgen Observationsszenen, bei der eine Kneipe mit skurrilem „Inventar“ und ebensolchen Gästen eine zentrale Rolle spielt. Dann bekommt die Kommissarin ein Schädelhirntraum inklusive Halskrause verpasst. Nach und nach fließt die Vorgeschichte in die Handlung ein. Neuhauser bringt’s auf den Punkt: „Immer dies‘ G’schiss mit den K11ern.“ Auch wenn für gewöhnlich ein Großteil des Charmes der Reihe vom schräg-gemächlichen, bewusst etwas umständlichen Umgangston des verpeilt wirkenden Kellertrios besteht, auch diese moderat dringlichere Dramaturgie kann zur Abwechslung mal nicht schaden. Fans der Reihe können allerdings beruhigt sein: Schaller & Co werden jetzt nicht auch noch vom Krimi-Thriller-Virus infiziert.
Foto: ZDF / Jürgen Olczyk
Und genauso wenig bedeutet der Verzicht auf den Prolog, dass es kein Motto gibt. Im Gegenteil. So ernsthaft und doch höchst unterhaltsam haben Flierl und Neuhauser bisher selten miteinander geratscht. Nachdem dieser mal wieder wild herumflirtet, selbst Schaller auf Charme-Attacke nach Altväter Sitte schaltet, steckt die Frau mit dem Faible fürs Ukulele-Spielen in einer handfesten Sinnkrise. Beim Ermitteln ist sie zwar diesmal extrem engagiert und beweist kriminalistisch einen guten Riecher; umso unbefriedigender empfindet sie allerdings ihr Privatleben. Stichwort: Einsamkeit. Somit schließt „Schwarze Rosen“ figurenpsychologisch an die Episode „Dolce Vita“ an. „Wer bin ich, Harald? Gibt’s mich überhaupt noch?“ Während sie bis zum ausgelassenen Karaoke-Finale des Trios ernst bleibt, kommt Neuhauser nicht raus aus seiner Rolle als liebenswerter, aber intellektuell eher unterbelichteter Filou. Und das ist gut so, ergibt sich doch daraus die schönste Parallelmontage des Films: hier Schaller auf einer Bühne voller Heimatkitsch beim Karaoke-Ständchen, dort das Ermittlerduo beim Observieren, vor allem aber Philosophieren. „Es kann doch nicht sein, dass man immer alles verändern muss!“ Neuhauser echauffiert sich geradezu, während die Kollegin schweigt. Es ist nicht der Hang zur Selbstfindung, der Wunsch, ständig sein Leben zu verändern, was ihn nervt. Seine Sinnsuche dreht sich allein ums Bier: „A Helles, a Radler, von mir aus noch a Weizen, a Pils und a Dunkles, mehr brauchst du nicht zum Leben.“
Nicht nur der Kommissarin scheint ihr Leben um die Ohren zu fliegen. Die Gast-Charaktere haben allesamt Zickzack-Biographien vorzuweisen und sind auch auf der Suche nach etwas Neuem. Da ist es umso nachvollziehbarer, dass sich das Thema Veränderung eben auch ein Stück weit in der Dramaturgie niederschlägt. Aber auch insgesamt wirkt „Schwarze Rosen“ einen Tick runder und stimmiger als einige der letzten Episoden der Reihe. Lokal-Kolorit findet sich hier gleich im doppelten Wortsinn. Das Ambiente ist telegen: viel Nacht, viel Rot, viel Glamour, cooler Kitsch. Und wenn die Kamera Jenny Schily einfängt, schwarz gewandet mit Schlapphut, möchte man Standbild rufen. Die Ironie mischt sich leise in die Interaktionen, bekommt eine menschlichere, wahrhaftigere Note. Und immer schwingt auch eine Spur Melancholie mit – selbst im befreienden Karaoke-Schlusslied: „Sehnsucht“ von Alexandra passt perfekt zum Stimmungsmix dieser Episode. Auch für beiläufige, gut gelaunte Dialogwechsel bleibt immer Zeit. Da sagt die Flierl: „Da schau mal, da kommt einer, der schaut dem Jandl nicht ganz unähnlich.“ Darauf der Kollege: „Kein Wunder, das is‘ er.“
Foto: ZDF / Jürgen Olczyk