Mordkommission Istanbul – Rettet Tarlabasi

Erol Sander, Cosma Shiva Hagen, Istanbul, telegener Look & ein Hauch James Bond

Foto: Degeto / Gülnur Kilic
Foto Rainer Tittelbach

Auch wenn aus „Mordkommission Istanbul“ wohl nie eine psycho- und handlungslogisch stimmige Krimi-Reihe werden wird – der klassische Whodunit-Plot von „Rettet Tarlabasi“ wird durchaus spannend und optisch abwechslungsreich zu einem soliden Gebrauchskrimi gebündelt. Istanbul beginnt sogar ein wenig zu leben. Die Inszenierung ist sehr viel besser als vor zwei, drei Jahren, der Schauspieler-Mix ist gelungen, die albernen Nebenplots sind fast verschwunden und Erol Sander darf ein bisschen härter und körperbetonter agieren!

Ein mächtiger Bauunternehmer ist ermordet worden. Sein aktuelles Projekt: der Totalabriss des Istanbuler Stadtteils Tarlabasi. Seltsam, dass dieser Prototyp eines „Kapitalisten“ mit der über 30 Jahre jüngeren Yasemin Gül eine Affäre gehabt haben soll – gehört die kritische Journalistin doch zu den Aktivisten einer Bürgerinitiative, die massiv gegen die Altstadt-Komplettsanierung vorgeht. Wollte der Baulöwe tatsächlich aus dem Jahrhundertprojekt aussteigen?, wie die junge Frau behauptet. Ist ihr Lebenspartner, der Anwalt Simon Abkarian, tatsächlich nur gegen eine Drehtür gelaufen? Wurde der Ermordete erpresst? Wusste dessen Frau tatsächlich nichts von der Affäre ihres Mannes? Und was hat es mit der Voodoo-Puppe unter dem Liebeslager des Bauunternehmers auf sich? Kommissar Mehmet Özakin und Kollege Mustafa sehen sich einer Vielzahl an widersprüchlichen Informationen gegenüber.

Auch wenn aus „Mordkommission Istanbul“ wohl nie eine psycho- und handlungslogisch stimmige Krimi-Reihe werden wird – die vielen Fragen aber, die die Episode „Rettet Tarlabasi“ aufwirft, werden durchaus spannend und telegen zu einem soliden Gebrauchskrimi gebündelt. Das war nicht immer so bei diesem Krimi-Auslandseinsatz der Degeto. Auf einmal erscheinen die linearen Ermittlungen nicht mehr in der Billig-Ästhetik eines „Jerry Cotton“ – und Istanbul beginnt sogar ein wenig zu leben. Es sieht so aus, als ob die Produktion, was kostspielige Locations angeht, ein wenig eingespart hat (man erinnere sich an Özakins Luxuswohnung mit Bosporus-Blick) und Regisseur Michael Kreindl sich dafür etwas mehr in den Stadttrubel wagen durfte. Der Effekt ist positiv: mehr Realismus-Touch, weniger Tourismus-Look. Hatte man früher immer das Gefühl, der Regisseur wäre mit zu wenig Bildmaterial heimgekehrt und würde dennoch am Prinzip festhalten „Das kriegen wir beim Schnitt schon hin“, sehen die beiden „Mordkommission-Istanbul“-Filme 2013 so aus, als seien sie bewusst inszeniert – und auch gespielt: die unbekannten türkischen Gastschauspieler in „Stummer Zeuge“ sind ebenso überzeugend wie die international gemischte prominente Besetzung mit Cosma Shiva Hagen, Renan Demirkan, Peter Davor oder Mehdi Moinzadeh in „Rettet Tarlabasi“.

Und auch Erol Sander macht bekanntlich nicht nur in jedem Anzug eine gute Figur, er wächst auch immer besser in seine Rolle hinein (oder ist es der serielle Gewöhnungseffekt?). Die Komik-Ebene mit der etwas infantilen Schadenfreude, die sonst immer dem unbeholfenen Kollegen Mustafa zuteil wurde, zu canceln und der Reihe etwas mehr modernes Verhör-Ambiente, wie man es aus „ernsthaften“ deutschen Krimis kennt, mitzugeben, macht sich gut. Vielleicht würden mit etwas Melancholie Marke Brunetti Everybody’s Darling Özakin und die Geschichten an „Glaubwürdigkeit“ gewinnen. Dem Kommissar etwas Action auf den schönen Leib zu schreiben, ist eine gute Entscheidung. Ein Hauch James Bond, wie ihn Sean Connery verkörperte – das fehlt noch im deutschen Krimi-TV. (Text-Stand: 15.3.2013)

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Reihe

ARD Degeto

Mit Erol Sander, Idil Üner, Oscar Ortega Sánchez, Cosma Shiva Hagen, Mehdi Moinzadeh, Renan Demirkan, Pter Davor, Adriana Altaras

Kamera: Stefan Spreer

Schnitt: Haike Brauer

Musik: Titus Vollmer

Produktionsfirma: Ziegler Film

Drehbuch: Clemens Murath

Regie: Michael Kreindl

Quote: 4,99 Mio. Zuschauer (16,4% MA)

EA: 18.04.2013 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach