Mordkommission Istanbul – Das Ende des Alp Atakan

Erol Sander, Ulrike Folkerts, Thorsten Schmidt & ein ganz enormer Qualitätsschub!

Foto: Degeto / Gülnur Kilic
Foto Tilmann P. Gangloff

Sein elfter Fall führt Mehmet Özakin erst ins Showgeschäft und dann nach Anatolien: „Das Ende des Alp Atakan“ ist noch besser als die im Rahmen der Reihe schon herausragende letzte Episode, „Die zweite Spur“. Der Film profitiert nicht zuletzt vom kompletten Verzicht auf Comedy-Elemente. Dafür gibt es nun Seitenhiebe gegen den islamischen Fundamentalismus und die Medienbranche; auch diese ungewohnt kritischen Töne tun der Reihe gut.

Bei aller Freude und allem Respekt über den Qualitätsschub, den „Mordkommission Istanbul“ derzeit erlebt: Wenn man sieht, welches Potenzial jahrelang ungenutzt in der Reihe geschlummert hat, ist es im Nachhinein fast schade um die früheren Filme. Wie schon die kürzlich ausgestrahlte Episode „Die zweite Spur“, so ist auch „Das Ende des Alp Atakan“ ein Film von Thorsten Schmidt; das Drehbuch stammt diesmal von Clemens Murath, der eine Geschichte von eindrucksvoller Komplexität erzählt. Schon der Einstieg in den elften Fall für Mehmet Özakin ist ungewöhnlich. Der Istanbuler Kommissar schaut sich mit Gattin Sevim im Fernsehen die Premierenfeier für eine neue Staffel der beliebten Serie „Alp Atakan“ an, als plötzlich ein Schuss fällt: Ein Heckenschütze hat den Hauptdarsteller erschossen.

Der Mord ist um so verblüffender, weil der Soap-Darsteller von Martin Umbach verkörpert wird, aber das Opfer war keineswegs der Serienstar Emrah Öztürk, sondern sein Double Fatih Yildirim. Nur kurz zieht Özakin in Erwägung, ob der Anschlag womöglich dem Doppelgänger galt, doch schließlich findet er eine Spur, die in die ostanatolische Provinz führt; hier sind die Wurzeln Öztürks, hier hat er einst eine Schuld auf sich geladen, die nun beglichen werden soll. Tatsächlich kommt es zu einem zweiten Attentat, doch erneut hat der TV-Star Glück: Diesmal trifft die Kugel die Witwe von Fatih Yildirim.

Mordkommission Istanbul – Das Ende des Alp AtakanFoto: Degeto / Gülnur Kilic
Was verschweigt die Produktionsleiterin? Kommt gut: Ulrike Folkerts als Türkin. Überhaupt: das deutsch-türkische Casting ist vortrefflich und bedient Realismus-Eindruck und Hunger nach bekannten (deutschen) Gesichtern gleichermaßen.

„Das Ende des Alp Atakan“ hebt sich im Tonfall deutlich von den früheren Werken der Reihe ab: Die Geschichte ist durch und durch Krimi. Die einst obligaten Comedy-Elemente sind vollständig verschwunden; prompt spielt Özakins für die komödiantischen Einlagen zuständiger Kollege Mustafa (Sánchez Oscar Ortega) nur noch eine Nebenrolle. Die Fans von Erol Sander wird’s nicht weiter stören. Die Konzentration auf die Hauptfigur tut dem Film sogar gut: Özakin war schon immer ein Repräsentant der fortschrittlichen Türkei, aber in den beiden neuen Produktionen sind seine Kommentare spürbar schärfer geworden. Wie groß die Kluft zwischen Tradition und Moderne ist, zeigt sich gegen Ende, als Özakin in Anatolien herausfindet, dass Öztürk Opfer eines Ehrenmordes werden sollte; der Kontrast zwischen dem Kommissar mit seinem maßgeschneiderten Anzug und den Einheimischen mit ihren wettergegerbten Gesichtern ist ähnlich groß wie der Unterschied zwischen dem in den Zwischenschnitten diesmal fast wie eine US-Metropole wirkenden Istanbul und den ärmlichen Hütten, die in der kargen Steppe kauern. Interessanterweise stört dieser Ausflug, bei dem Schmidt das Erzähltempo dem entschleunigten Leben auf dem Land anpasst, den Fluss der Handlung überhaupt nicht; auch das spricht für das Talent des Regisseurs.

Murath sorgt mit seinem Buch ohnehin dafür, dass „Das Ende des Alp Atakan“ die Türkei nicht bloß als exotischen Hintergrund nutzt. Das hängt eng mit einer zweiten fremden Welt zusammen, die Özakin kennen lernt. Blicke hinter die Kulissen von Film und Fernsehen sind immer reizvoll, aber dank der süffisanten Seitenhiebe des Kommissars sind sie hier ein echtes Vergnügen. Martin Umbach hat zudem sichtbare Freude daran, als aufgeblasener Soap-Star das Showbusiness zu personifizieren. Ebenfalls gut ins Ambiente passt Ulrike Folkerts als zynische Produzentin: Ebru Dede hat entscheidenden Anteil daran, dass die Geschichte noch nicht ausgestanden ist, als Özakin auch einen dritten Anschlag auf Öztürk verhindert. Sie sorgt mit ihren Einblicken ins Showgeschäft zudem für einige ungewohnt kritische Töne: Die Serie „Alp Atakan“, heißt es, verdanke ihre Popularität nicht zuletzt den erotischen Szenen, weshalb die Produktionsfirma von den Fundamentalisten angefeindet werde. Die schönen türkischen Schauspielerinnen sind allerdings auch ein echter Blickfang. Darüber hinaus ist „Das Ende des Alp Atakan“ nicht nur sehens-, sondern auch hörenswert: Die Dialoge sind ebenso ausgezeichnet wie die orientalisch geprägte Musik von Andreas Koslik; sie sorgt dafür, dass der Film selbst in ruhigen Phasen nie an Spannung verliert. (Text-Stand: 14.10.2014)

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Reihe

ARD Degeto

Mit Erol Sander, Idil Üner, Oscar Ortega Sánchez, Lesli Karavil, Erden Alkan, Martin Umbach, Ulrike Folkerts, Kailas Mahadevan, Ararat Mor, Deniz Önel, Bengü Ergin

Kamera: René Richter, Nathalie Wiedemann

Szenenbild: Cagri Aydin

Schnitt: Simone Klier

Musik: Andreas Koslik

Produktionsfirma: Ziegler Film

Drehbuch: Clemens Murath

Regie: Thorsten Schmidt

EA: 20.11.2014 20:15 Uhr | ARD

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